Weltmeister und Drittligist: Kevin Großkreutz: "Ich will meine Ruhe haben"
Kevin Großkreutz warf mit einem Döner, pinkelte in die Lobby eines Hotels und wurde in Stuttgart böse verprügelt. Ein Interview mit dem Enfant terrible.
Kevin Großkreutz, für welchen Verein würden Sie niemals spielen?
Schalke. Und, wenn ich ganz ehrlich bin, könnte ich auch nicht das Trikot des KSC tragen.
Karlsruhe?
Ich bin mit Stuttgart sehr verbunden und habe den Fans dort viel zu verdanken. Da geht man nicht zum Rivalen. Das gehört sich nicht.
Sie haben auch mal gesagt, dass Sie nicht für Leipzig und Hoffenheim auflaufen könnten. Weil dort keine Tradition vorhanden sei.
Ja, das stimmt. Das ist meine Meinung.
Immerhin spielen Sie jetzt für einen Klub, der von einem russischen Investor finanziert wird.
Wir stehen hier in der Grotenburg. So wie ich das sehe, ist Uerdingen ein Traditionsverein.
Sie spielen mit Stefan Aigner und Maximilian Beister – gestandene Bundesligaprofis. Wo ist da der Unterschied zu anderen Klubs, hinter denen Investoren stehen?
Ich schaue mir das Stadion an, die Spiele von früher in der Bundesliga und im Europapokal. Das ist besonders. Und dann kamen die schlechten Zeiten, Oberliga, Regionalliga. Ich will mithelfen, den Treuen etwas zurückzugeben.
Aufgrund von Auflagen des DFB müssen Sie in dieser Saison in Duisburg spielen. Der Zuschauerschnitt liegt aktuell bei 4400.
Das ist wirklich schwierig. So ein traditionsreiches, schönes Stadion, in dem Spiele wie das „Wunder von der Grotenburg“ stattgefunden haben. Wenn ich mir vorstelle, wie die Stehtribüne bis zum letzten Platz gefüllt ist, der Lärm von den Dächern verstärkt wird. Das wäre eine Festung. In Duisburg sind die, die unterm Dach stehen, schon laut. Aber klar, es sind bis zu 25 000 Plätze frei. Das bekommen wir als Mannschaft auch mit.
Als Sie im Sommer zum KFC wechselten, wurden Sie mit Häme überschüttet. Ein Weltmeister in der Dritten Liga. Warum tun Sie sich das an?
Es ist doch so: In dem Moment, wenn der Ball deinen Fuß verlässt und du spürst, dass der Ball ins Tor gehen könnte, ist das Gefühl, das dich überkommt, überall gleich. In Brasilien bei einer WM, hier in der Dritten Liga. Nur in Dortmund ist es etwas besser. Ich spiele gerne Fußball, ganz egal wo. Auch wenn meine Karriere beendet ist, werde ich noch unterklassig mit Freunden zocken. Der Fußball hat mein Leben geprägt, da bleibe ich bei.
Im März 2017 klang das noch weit weniger romantisch, als Sie nach einer nächtlichen Auseinandersetzung in der Stuttgarter Innenstadt mit einem blauen Auge im Presseraum des VfB saßen und Ihren Rücktritt als Profi erklärten.
Der Arzt im Krankenhaus hat gesagt, ich solle in die Kirche gehen und eine Kerze anzünden. Es hätte nicht viel gefehlt und in dieser Nacht wäre alles zu Ende gegangen. Ich hatte wahnsinniges Glück, wurde geschlagen, bin mit dem Kopf auf den Bordstein gefallen und wurde ein weiteres Mal getreten, so dass mein Jochbein brach.
Wie ist das, wenn man verprügelt wird?
Es hat alles weh getan. Ich habe in der Nacht gespürt, wie sie mir mit einer Spritze das Blut aus dem Kopf zogen.
Der VfB Stuttgart und Sie trennten sich daraufhin.
Es wurde in jenen Tagen geschrieben, geschrieben und noch mehr geschrieben. Es wurde so getan, als hätte ich jemanden umgebracht. Vieles entsprach nicht der Wahrheit.
Laut den Gerichtsakten sollen Sie frontal auf Ihre Angreifer zugelaufen sein und gerufen haben: „Dich lege ich um.“
Die Gerichte haben entschieden. Einen Freund lässt man nicht allein. So bin ich erzogen worden, so bleibe ich. Wenn meine Familie oder Freunde angemacht werden, dann stelle ich mich davor und lebe mit den Konsequenzen.
Fünf Monate nach der Trennung in Stuttgart unterschrieben Sie in Darmstadt.
Die VfB-Fans hatten 50 000 Unterschriften für meinen Verbleib gesammelt, das hat mich beeindruckt. Ich habe damals in der Heimat über alles nachgedacht. Ich habe in der Zeit viele Gespräche mit meinen Eltern geführt und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es kein Fehler in Stuttgart war. Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort. Und dann kam ein Anruf von Torsten Frings, dem damaligen Darmstädter Trainer.
Der wie Sie in Dortmund gespielt hat. Was bedeutet diese Stadt, der BVB, für Sie?
Dat is einfach Heimat. Liebe. Stolz. Und eine Ehre, für diesen Verein aufzulaufen. Ich werde für immer Dortmund-Fan sein, da gibt’s nichts anderes.
Ihr schönster Moment mit dem Verein?
Die erste Meisterschaft. Weil es überraschend kam, weil es mein Verein ist. Die Menschen jubeln dir zu und du spürst, du bist einer von denen. Ich lebe ja jetzt wieder hier. Mit meiner Frau, mit meiner Tochter. Wenn ich mit ihr und einem Ball heute Nachmittag in den Garten gehen werde, dann ist das der beste Moment.
Ehrlich?
Ich will meine Ruhe haben und Spaß beim Fußballspielen.
- Das Gespräch führte Tobias Ahrens.
Tobias Ahrens