Nach 0:5 gegen Hoffenheim: Kann Hertha BSC Abstiegskampf?
Für Hertha BSC geht es in der Rückrunde nur noch um den Klassenerhalt. Das Problem: Die bunt zusammengewürfelte Mannschaft wirkt damit überfordert.
Jos Luhukay war in Gedanken verloren. Herthas Trainer schaute, als könnte ihn nicht einmal der schönste Weihnachtsschmuck erwärmen. Sein Trainerkollege Markus Gisdol erzählte nach dem 5:0-Sieg seiner Hoffenheimer Mannschaft etwas von einem „fantastischen Jahresabschluss“, da war Luhukay anders zumute. „Das ist für mich nicht das glücklichste Weihnachtsfest“, sagte der Niederländer und verschwand.
Am letzten Spieltag der Bundesligahinrunde hat Hertha ein Debakel erlebt, das Spieler, Trainer und Vereinsführung mit in die kommenden Tage schleppen werden und ihnen etwas die Besinnlichkeit rauben dürfte. In selten erlebter Deutlichkeit legte das Spiel jene Probleme des Berliner Fußballunternehmens offen, die ein vergleichsweise milder 13. Tabellenplatz kaschiert. Hertha ist in 17 Spieltagen kein funktionierendes Gebilde geworden. Die Mannschaft ist nicht ausbalanciert, sie ist nicht belastbar und deshalb auch nur bedingt wettbewerbstauglich. Die Mannschaft hat weder zu einer personellen Konstanz gefunden, noch ist sie in ihrer Schaffenskraft konstant. Als Belege gelten hier die Anzahl eingesetzter Spieler (24) sowie der sonderbare Umstand, dass nach jedem der fünf Saisonsiege jeweils ein Rückschlag folgte.
Und so geht Hertha BSC mit einem Vorsprung von nur einem Punkt auf die Abstiegszone in eine ruhelose Winterpause. Der Klub steckt tief im Abstiegskampf. Doch kann Hertha diesen Abstiegskampf? Das letzte Mal, dass die Berliner den Beweis dafür antraten, liegt zehn Jahre zurück. Nach lediglich 13 Hinrundenpunkten gelang der Mannschaft in der Saison 2003/2004 unter dem später verpflichteten Trainer Hans Meyer zum Saisonfinale doch noch der Klassenerhalt.
2010 und 2012 stieg Hertha jeweils ab - das hat Ängste hinterlassen
In den jüngeren Spielzeiten 2009/10 sowie 2011/12 bestand Hertha diesen Kampf nicht und stieg jeweils ab. Das hat insbesondere bei den Fans Ängste hinterlassen, die doch hoffungsfroh in die laufende Spielzeit gegangen waren, als Hertha gleich neun Spieler verpflichtete. „Wir haben im Sommer einen Kader zusammengestellt, bei dem wir überzeugt waren, dass er die Mannschaft besser macht. Das ist leider nicht eingetreten“, sagt Luhukay nun ein gutes halbes Jahr später. Vor allem aber ist dieser Kader nicht für Klassenkampf angelegt worden, was die Ängste eben nicht mindert.
Die Probleme, mit denen Hertha zu kämpfen hatte, sind denen, die Borussia Dortmund hartnäckig an den unteren Rand der Liga drücken, gar nicht so unähnlich. Auch bei den Berlinern tun sich viele kleine Abgründe auf. Leistungsträger waren oder sind langfristig verletzt. Wichtige Spieler stecken seit Wochen im Formtief oder kehren aus Verletzungen nicht im Vollbesitz ihrer Möglichkeiten zurück. Die zahlreichen Neuverpflichtungen schlugen nicht wie erhofft ein, auch weil sie die Bundesliga offenbar unterschätzt und in ihrer schieren Anzahl das Binnenklima im Altbestand nicht gerade verbessert haben.
Und auch Trainer Luhukay hat nicht jene klare und mitreißende Art gefunden, die ihn so wertvoll machte und die Spieler in der Vorsaison verleitete, ihm bedingungslos zu folgen. Jeder einzelne Abgrund wäre sehr wahrscheinlich beherrschbar, in ihrer Summe aber unterhöhlen sie das gesamte Tun und stellen es schließlich infrage.
Hertha klapperte durch die Hinrunde an allen Enden und besonders mittendrin. So fehlen der Mannschaft schlicht Spieler, die das Spiel tragen und es gestalten können. Es fehlt der Mannschaft mindestens eine ordnende Hand und eine Leitfigur, die in Mentalität und Habitus vorangeht und den Rest zieht oder mindestens animiert. Übrig bleibt nicht nur eine selten erlebte spielerische Armut, sondern ihr Fehlen lässt auch das Gebilde in Drucksituationen ins Wanken geraten. Es sind eben nicht nur die Gegentore, von denen Hertha viel zu viele (35) kassiert hat. Sondern jedes einzelne scheint der Mannschaft fast immer den Verstand und den Mut zu rauben.
Es gibt zwar im Fußball immer wieder solche Spiele wie das gegen Hoffenheim. Man kann auch mal eine Klatsche kriegen, nur stimmt eben die Tendenz nicht und der Ausblick fehlt. In gewisser Weise steckt Hertha während des kompletten Jahres 2014 in einem Tief. Saisonübergreifend haben die Berliner von 34 Spielen lediglich acht gewinnen können. Wenn man es positiv wenden will, dann tritt Hertha auf der Stelle. Für andere hat der Verein sich sogar zurückentwickelt. Insbesondere im Vergleich zur vorvergangenen Bundesligahinrunde, in der die Berliner einen klaren Fußball spielten, schwer besiegbar waren und es mit 28 Punkten auf Platz sechs schafften.
Vielleicht ist es ganz gut, dass die handelnden Personen, Spieler wie Trainer und Vereinsführung, jetzt auseinanderlaufen und sich ein paar Tage mal nicht sehen und hören. Jeder kann für sich mal Einkehr betreiben und zu neuen Kräften und frohem Mut finden. Am 5. Januar trifft man sich zum Trainingsauftakt in die Rückrunde wieder, die dann mit einem Spiel am 1. Februar bei Werder Bremen startet. Dann hoffentlich mit frischen Gedanken.