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Für Jürgen Klopp sind es momentan schwierige Zeiten - sportlich, aber vor allem privat.
© Laurence Griffiths/PA Wire/dpa

Letzte Hoffnung Champions League: Jürgen Klopp will gegen Leipzig die Saison retten

Mit dem FC Liverpool befindet sich Jürgen Klopp momentan in der Krise und reagiert gereizt. Die Champions League ist die letzte Chance auf einen Titel.

Es sollte ein Fest des modernen deutschen Fußballs sein. Am Dienstag (21 Uhr, Sky) trifft Rasenballsport Leipzig in der Champions League auf den FC Liverpool – und damit auch Julian Nagelsmann auf Jürgen Klopp. Ein Duell zwischen zwei Top-Trainern, zwischen dem bekanntesten und dem neuesten Verfechter von dem, was die Engländer mittlerweile etwas ehrfürchtig „die deutsche Schule“ nennen: Pressing, schnelle Umschaltbewegungen, Heavy Metal.

Zumindest für Jürgen Klopp gibt es aber in diesen Tagen wenig Anlass zum Feiern. Statt in die Heimat zu fahren, um sich als deutscher Trainerkönig mit seinem Thronanwärter zu duellieren, fährt Klopp aufgrund der deutschen Reisebeschränkungen nach Budapest – in der Hoffnung, eine aus den Fugen geratene Saison noch halbwegs retten zu können.

Im Fußball kann alles sehr schnell gehen. Vor einem guten halben Jahr machte sich Klopp unsterblich, als er Liverpool zur ersten englischen Meisterschaft seit 30 Jahren führte. Damals sah es so aus, als ob seine Reds eine neue Ära der Dominanz einleiten würden. Doch heute stehen sie 13 Punkte hinter dem Tabellenführer Manchester City, und Klopp ist laut den englischen Buchmachern der aktuelle Favorit auf die nächste Trainerentlassung in der Premier League.

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Es sind harte Wochen für den 53-Jährigen. Erst vor kurzer Zeit erlebte Klopp mit dem Verlust seiner Mutter eine persönliche Tragödie – und auch in der vergleichsweise sehr unwichtigen Fußballwelt läuft es nicht. Nach der 1:3-Niederlage gegen Leicester City, der dritten in Folge, schrieb er die Titelverteidigung am vergangenen Samstag endgültig ab.

Nun ist nicht nur die Meisterschaft in Gefahr, sondern die ganze Saison. Nach nur zwei Siegen in den letzten zehn Spielen sitzen den viertplatzierten Reds Chelsea und West Ham United dicht im Nacken. Weil sie auch im FA-Cup ausgeschieden sind, ist die Champions League die letzte Chance auf einen Titel.

Vor diesem Hintergrund wirkt Klopp immer gereizter. Schon seit seiner Ankunft in England beschwert sich der Deutsche regelmäßig über die zu hohe Belastung in den Winterwochen, doch in dieser Saison wurde er noch bissiger. Im November geriet er in einen absurden Streit mit dem erfahrenen Reporter Des Kelly, in dem er unter anderem die Fernsehsender BT und Sky für die Verletzungskrise seiner Mannschaft verantwortlich machte. Letzte Woche warf er einem israelischen Reporter schlechte Vorbereitung vor, weil ihm eine Frage nicht gefiel. Weiterhelfen wird Klopp das nicht, denn gegen die englischen Medien in den Krieg zu ziehen, ist selten eine gute Idee.

Klopp fehlen verletzungsbedingt neun Spieler

Andererseits kann man seinen Frust verstehen. Der volle Spielkalender mag für alle Vereine gleichermaßen herausfordernd sein, aber kein Team wurde so hart von Verletzungen getroffen wie Liverpool. Gegen Leicester spielte der Meister nicht mit Virgil Van Dijk, Joel Matip oder Joe Gomez in der Innenverteidigung, sondern mit dem Mittelfeldspieler Jordan Henderson und dem gerade vom FC Schalke gekommenen Ozan Kabak. Mit James Milner, der am Samstag vom Feld humpelte, fehlen neun Spieler verletzt.

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Manche relativieren deshalb die aktuellen Liverpooler Leiden. Mit solchen Schwierigkeiten wäre jede andere Mannschaft längst im Mittelmaß versunken, argumentierte der frühere Nationalspieler und BT-Experte Rio Ferdinand. Rückendeckung bekam Klopp am Wochenende auch von den Fans, die ein Plakat mit seinem Namen und den Buchstaben „YNWA“ am Zaun vor Anfield aufhängten. „You’ll Never Walk Alone“ war damit gemeint, und wahrscheinlich werden die Fans auch weiter zu ihrem Trainer stehen. Spätestens seit der vergangenen Saison ist Klopp eine lebende Legende beim früheren Rekordmeister. Dass er wegen einer schlechten Phase vom Hof gejagt wird, ist nach wie vor schwer vorstellbar.

Trotzdem erweckt die aktuelle Misere unschöne Erinnerungen. An 2015 etwa, als Klopp in seiner siebten Saison als Trainer von Borussia Dortmund zurückgetreten ist. Oder an 2008, als er ebenfalls nach sieben Jahren bei Mainz 05 aufhörte. In seiner sechsten Spielzeit in England will er unbedingt vermeiden, dass sich die Geschichte wiederholt. Noch ist es nicht soweit, doch irgendwann muss die Wende kommen. Idealerweise schon in Budapest.

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