Erfolgreiches Jahr für die Nationalmannschaft: Joachim Löw: Nur nicht nervös werden
Die Nationalelf hat das Länderspieljahr 2017 ohne Niederlage abgeschlossen. Das 2:2 gegen starke Franzosen gibt dem Bundestrainer ein gutes Gefühl für die WM.
Es klang verräterisch nach Abschied im Keller des Kölner Stadions. Klatsch, klatsch, klatsch. Und immer wieder: Klatsch. Hinter den Werbewänden, für Außenstehende nicht zu sehen, wurde exzessiv abgeklatscht, so wie das junge Männer eben tun, die sich eine Weile nicht mehr sehen werden. Obwohl erst Mitte November, ist das Länderspieljahr für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft seit Dienstagabend beendet. Bundestrainer Joachim Löw wurde zum Abschluss seiner Pressekonferenz schon gefragt, was er den Journalisten denn zum Jahreswechsel wünsche – und war von diesem Ansinnen fast ein bisschen überrascht. „Friedliche Feiertage, Gesundheit“, antwortete er schließlich. Und: „Bitte keine Nervosität in irgendeiner Form.“
Der Bundestrainer kennt ja seine Pappenheimer. Sieben Monate sind es noch bis zur Weltmeisterschaft in Russland, und mit jedem Tag wird die öffentliche Erregung etwas zunehmen. Löw hat damit in nun fast zwölf Jahren als Bundestrainer ausreichend Erfahrungen gemacht, er weiß: Unmittelbar vor einem großen Turnier braucht es nicht viel, um „eine gewisse Unruhe“ entstehen zu lassen. Dann sei von „Baustellen hier, Baustellen da“ die Rede. Aber das blendet er alles aus. „Mich macht eigentlich nichts mehr nervös“, sagte er nach dem hübsch anzusehenden 2:2 gegen Frankreich. „Ich bin völlig entspannt, nach diesem Jahr sowieso.“
Joachim Löw ist jetzt wieder in den Zustand buddhistischer Gelassenheit eingetreten, und dazu passte es, dass er das Resultat des letzten Testspiels im Jahr 2017 als zweitrangig bezeichnete. Der Rest des Landes ist natürlich weit anfälliger für Stimmungsschwankungen. Insofern war es im Sinne der öffentlichen Ordnung sicher nicht verkehrt, dass der eingewechselte Lars Stindl gegen die Franzosen mit der letzten Aktion noch das 2:2 erzielte. Andernfalls wäre die Wahrscheinlichkeit, dass die Nationalmannschaft in Russland zum zweiten Mal hintereinander Weltmeister wird, vermutlich auf gefühlt 0,89 Prozent gesunken.
Dank Stindls spätem Tor aber endete ein mindestens gutes Länderspieljahr auch noch mit einem ziemlich guten Gefühl. Seit dem EM-Halbfinale gegen – eben – Frankreich hat die Nationalmannschaft kein einziges Spiel mehr verloren, zum ersten Mal seit 1997 blieb sie in einem kompletten Kalenderjahr ohne Niederlage. Daran vermochten selbst die starken Franzosen nichts zu ändern, die in Köln auf beeindruckende Weise bestätigten, warum sie zu den Topteams des Weltfußballs gezählt werden. Was im Umkehrschluss wiederum einiges über die Stärke der Nationalmannschaft aussagt. „Das Spiel hat gezeigt, dass wir auf allerhöchstem Niveau mithalten können“, sagte Sami Khedira. „Klar können die Franzosen uns auch Probleme bereiten, aber wir haben gezeigt, dass wir so eine Mannschaft teilweise auch dominieren können.“
Löws neue Qualität in der Breite
Insgesamt war das Jahr 2017 für Löw und seine Mannschaft dank des Siegs beim Confed-Cup nicht nur ein erfolgreiches; das Team scheint auch insgesamt einen Schritt nach vorne gemacht zu haben. Der Bundestrainer findet jetzt auch in der Breite eine Qualität vor, die es vorher nicht gegeben hat. Beim Spiel gegen die Franzosen wurde einem bewusst, wen es da alles noch gibt. Sami Khedira zum Beispiel, den viele wegen seines fortgeschrittenen Alters – er ist schon 30! – gar nicht mehr so richtig auf dem Zettel haben. Oder Mario Götze und Ilkay Gündogan, die erstmals seit einem Jahr wieder dabei waren. Gündogan stand sowohl gegen England als auch gegen Frankreich in der Startelf. „Er hat seine Ansätze, Technik, Passgenauigkeit, schon gezeigt“, sagte Löw. „Ich bin froh, dass er da war.“
Götze hingegen war nur ein 25-minütiger Kurzeinsatz gegen die Franzosen vergönnt. „Ein richtiger Schritt in die richtige Richtung“ sei das für ihn gewesen, sagte der Dortmunder. Aber er wird noch viele Schritte gehen müssen. „Er bewegt sich sehr gut und ist körperlich schon auf einem sehr guten Niveau“, erklärte der Bundestrainer. „Aber er braucht noch ein paar Spiele, um das Top-Niveau zu erreichen.“ Götze ist längst noch nicht in der Lage, die großen Linien im Spiel der Nationalmannschaft zu bestimmen. Dafür erwies er sich gegen die Franzosen zumindest als Meister der kleinen Form. Mit einer fast beiläufigen Bewegung seines linken Außenristes spielte er vor dem 2:2 den Torschützen Stindl frei. „Das ist seine Klasse“, sagte Löw.
Klasse gibt es für den Bundestrainer in Hülle und Fülle. „Wir sind fußballerisch absolut auf dem höchsten Niveau“, sagte Löw. Das ist schön, fördert aber auch einen Hang zum Übermut. Nicht nur die Spieler, auch Löw neigt manchmal dazu, die einfachen Dinge ein bisschen zu verkomplizieren. Gegen die Franzosen etwa wirkte seine Spielidee sehr ambitioniert. „Wir haben schon versucht, ein 4-2-3-1 zu spielen“, sagte Gündogan, der in der Dreierreihe die rechte Position besetzte, sich aber vornehmlich im Halbraum aufhalten sollte, um Platz zu machen für den weit aufrückenden Außenverteidiger. Zur Pause stellte Löw um, beorderte Gündogan in die Zentrale und Mesut Özil nach rechts, damit der von dort mit seinem starken linken Fuß das Spiel besser beeinflussen konnte.
Für Löw sind das alles notwendige Experimente mit Blick auf die Weltmeisterschaft in Russland. „Wir haben eine wahnsinnig gute Basis, die wir uns erarbeitet haben“, sagt er. Die Details folgen, wie gehabt, im Trainingslager unmittelbar vor dem Turnier. „Wir wissen genau, was wir in der Vorbereitung tun werden“, verkündete der Bundestrainer. „Es gibt jetzt schon einen klaren Plan.“