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Event-Fan? Die deutsche Nationalmannschaft vermisst einen festen Kern an Fans.
© dpa

Viele freie Plätze bei Deutschland - Frankreich: Die Nationalelf hat mehr Kunden als Fans

Die Nationalmannschaft kriegt die Stadien nicht mehr voll, auch in Köln blieben viele Plätze leer. Das hat mit den Kundenschichten zu tun, die sich der DFB erschlossen hat. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stefan Hermanns

Wenn der Deutsche Fußball-Bund Länderspiele veranstaltet, erfordert das immer eine umfangreiche logistische Vorarbeit. Die Spielstätten müssen frei sein von allen falschen Sponsorenlogos, damit den Partnern des DFB die ungeteilte Aufmerksamkeit zuteilwird. Selbst die Stadionnamen werden neutralisiert. Insofern hätte man am Dienstagabend beim Länderspiel gegen Frankreich schon fast von einem Beispiel gelungenen Guerillamarketings sprechen können. Im Oberring war deutlich der Schriftzug eines örtlichen Energieanbieters zu sehen, nach dem das Kölner Stadion benannt ist. Das aber lag allein daran, dass der DFB auf den teuren Karten für den Oberring sitzen geblieben war.

Neu ist das nicht. Im Gegenteil. Bei Länderspielen, zumal Freundschaftsspielen, ist es inzwischen eher die Regel als die Ausnahme. Die Nationalmannschaft kriegt die Stadien nicht mehr voll. Und da geht es nicht um ein paar hundert Restkarten, sondern um tausende, manchmal zehntausende Plätze, die leer bleiben.

Bundestrainer Joachim Löw hat vor dem Spiel vergleichsweise gelassen auf das Phänomen reagiert. Er hat die späte Anstoßzeit genannt und auch eine gewisse Skepsis des Publikums gegen Freundschaftsspiele, bei denen man schließlich nie genau weiß, welche Spieler auf dem Rasen stehen und ob die beiden Mannschaften auch wirklich Bock haben. Die stattlichen Eintrittspreise hat Löw natürlich nicht genannt. Und überhaupt: Bei den nächsten beiden Spielen, im März gegen Spanien und Brasilien, würden die Stadien schon wieder voll sein.

Wenn er sich da mal nicht irrt. Es ist jedenfalls bemerkenswert, wie die Verantwortlichen im DFB auf das dramatische Desinteresse am sogenannten Premiumprodukt Nationalmannschaft reagieren. Nämlich überhaupt nicht. Sie setzen darauf, dass das spätestens im Sommer, bei der WM, wieder anders aussehen wird; dass das Land dann wieder vom patriotischen Taumel erfasst wird und sich in dessen Folge genügend Kunden finden, die sich ein teures Trikot der Nationalmannschaft kaufen.

Genau das aber ist der Kern des Problems. Mehr noch als bei jeder Vereinsmannschaft sind die Anhänger der Nationalmannschaft eher Kunden als echte Fans. In Köln jedenfalls, sonst ein Hort extremer Emotionalität, war ein gravierender Mangel an Leidenschaft festzustellen. Es ist durchaus bemerkenswert, dass und wie sich die Nationalmannschaft seit 2006 neue Kundenschichten erschlossen hat, die sich jetzt plötzlich auch für den Fußball interessieren. Aber es bleiben eben Kunden, die ihre Kaufentscheidungen mit einer gewissen Rationalität treffen. Und besonders rational ist es nun mal nicht, für ein Freundschaftsspiel mitten in der Woche hundert Euro allein für eine Eintrittskarte auszugeben.

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