zum Hauptinhalt
Maximilian Schachmann, 24, wurde in Hohenschönhausen geboren und lebt mittlerweile in Köpenick. Beim Giro d’Italia 2018 trug er anfangs das Weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers und belegte am Ende im Gesamtklassement den 31. Platz.
©  Yuzuru Sunada/dpa

Berliner Radprofi Maximilian Schachmann: "Ich habe gezeigt, dass ich auch gewinnen kann"

Radprofi Maximilian Schachmann über seinen starken Auftritt beim Giro d’Italia, die Causa Chris Froome und Bergfahren in Berlin.

Herr Schachmann, was macht Radfahren für Sie so faszinierend?

Ich finde es super, neue Orte mit dem Fahrrad zu erforschen. Man nimmt alles anders, viel genauer wahr als mit dem Auto und hat trotzdem eine zügige Reisegeschwindigkeit. Und man kann ganz andere Wege zurücklegen.

In Ihrem Job als Radprofi kommen Sie an viele interessante Orte auf der ganzen Welt.

Ja, aber ich bin eher Hotel- als Länderexperte. Während der Rennen kriegt man nicht viel mit. Zuletzt beim Giro d’Italia waren wir in Jerusalem, die Altstadt habe ich aber nur aus dem Hotelfenster gesehen. Für uns ist so eine Rundfahrt ja auch kein Urlaub. Aber man bekommt ein Gefühl dafür, wo man vielleicht noch mal hinfahren könnte, um dort mehr Zeit zu verbringen.

Sie haben beim Giro den größten Erfolg ihrer Profikarriere gefeiert und eine schwere Bergetappe gewonnen. Was ging Ihnen auf den letzten Metern vor der Zieldurchfahrt durch den Kopf?

Ich bin aus der Fluchtgruppe als Favorit in den letzten Anstieg gefahren und das will man dann natürlich nicht in den Sand setzen. Aber es war definitiv ein gutes Gefühl auf den letzten Metern, dass die Taktik aufgeht. Ich habe mich nur umgedreht und keinen mehr gesehen. Da dachte ich, das kann eigentlich nicht sein und habe mich noch mal zur anderen Seite umgedreht.

Was hatten Sie sich denn vor dem Giro vorgenommen, auch vor dem Hintergrund, noch nie eine dreiwöchige Rundfahrt bestritten zu haben?

Wir wollten auf Gesamtklassement fahren und das vielleicht sogar mit dem Ziel hinteres Ende der Top Ten. Aber der Giro war in diesem Jahr nicht unbedingt auf meinen Fahrertypen zugeschnitten. Es gab viele extreme und steile Anstiege und relativ wenige Zeitfahrkilometer. Das kommt mir nicht so entgegen, weil ich ein eher schwerer Bergfahrer bin. Trotzdem war ich zwischendurch noch in Reichweite, aber dann hatte ich mit einem Infekt zu kämpfen. Und wenn man krank ist, kann man eben nicht mehr mit der Spitze mitfahren. Das zeichnet den sauberen Sportler auch aus.

Sauberer Sport ist ein gutes Stichwort: Wie sind Sie mit der Causa Chris Froome umgegangen, die das Rennen ja irgendwie überstrahlt hat?

Natürlich wird darüber im Feld gesprochen. Und das Ganze hat definitiv auch einen Beigeschmack, selbst wenn am Ende nichts falsch gemacht worden ist. Aber was mich an der Sache nervt ist, dass die Zuschauer das überhaupt nicht nachvollziehen können. Er hatte nun mal einen auffälligen Salbutamol-Wert. Es liegt ganz klar eine Verletzung des Regelwerks vor. Daher wäre es für viele deutlich verständlicher, wenn es in diesem Falle zu einer Suspendierung kommt oder Froome zumindest hätte aussetzen müssen, bis die Sache geklärt ist. So sieht es für viele komisch aus, gerade mit unserer Vorgeschichte im Radsport. Ich hoffe jetzt nur nicht, dass der Fall eintritt, dass ihm der Sieg aberkannt wird. Das wäre extrem schädigend für unseren Sport.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum es so auffällig viele Asthmatiker im Profi- Radsport gibt?

Die gibt es nicht nur im Radsport, sondern in allen Ausdauersportarten. Es gibt Experten, die sagen, dass es auch mit der hohen Belastung zusammenhängen könnte. Man muss einfach sehen, dass wir bei allen Bedingungen unterwegs sind. Ich bin in diesem Jahr zum Beispiel bei minus zwei Grad ein Radrennen gefahren – fünf Stunden lang. Wir fahren auch bei Pollenflug Stufe acht oder wenn im Rennen vor uns Motorräder oder Dieselfahrzeuge rumfahren, interessiert das auch keinen. Da misst keiner die Stickoxidwerte. Wir fahren einfach Radrennen und sowas ist für die Lunge Mist.

Trotzdem glauben viele Menschen, dass Radprofis Asthmamittel nehmen, um ihre Leistung zu steigern.

Es ist absolut umstritten, wie Salbutamol auf eine gesunde Lunge wirkt. Es könnte also unter Umständen gar keinen Sinn machen, es einzunehmen, wenn man gesund ist. Aber das in der Öffentlichkeit dieser Eindruck existiert, dazu trägt natürlich auch bei, wenn solche Situationen wie bei Chris Froome entstehen. Das ist sehr schade.

Haben Sie auch eine Asthma-Erkrankung?

Bis jetzt wurde mir vom Doktor keine bescheinigt.

Fühlen Sie sich denn verpflichtet, immer offensiv Stellung gegen Doping zu beziehen, weil in Deutschland diese Skepsis permanent mitfährt?

Es ist natürlich auch anstrengend. Wir haben uns nichts zu Schulden kommen lassen, und trotzdem müssen wir uns für Dinge erklären, die in der Vergangenheit passiert sind oder mit denen wir nichts zu tun haben. Aber diese Situation wird uns in Deutschland leider auch weiterhin begleiten. Insofern müssen wir jungen Sportler lernen, damit umzugehen.

"Bergfahren ist eigentlich auch nur ein bisschen wie Zeitfahren"

Bei Quick-Step Floors sind sie aktuell der einzige Deutsche. Wie ist denn jetzt nach dem fulminanten Giro Ihr Standing in der Mannschaft?

Wir haben im Team nicht nur einen Kapitän oder zwei, sondern viele Fahrer, die bei Rennen gewinnen können. Jungen Fahrern wie mir wurde immer schon die Chance gegeben, sich zu zeigen. Ich habe sie beim Giro bekommen, auch weil ich sie mir vorher hart erarbeitet habe. Vielleicht ändert sich jetzt noch etwas, ich nehme das Schritt für Schritt. Aber jetzt sehen sie bei Quick-Step natürlich, dass ich auch gewinnen kann.

Sie sind jetzt 24 Jahre alt, stehen also noch am Anfang Ihrer Profi-Karriere. Was trauen Sie sich denn selbst noch zu?

Ich kann im Moment nicht sagen, ob es mal für die Top Ten bei einer großen Rundfahrt reicht oder das Podium oder vielleicht sogar für den Sieg. Das kann keiner vorhersagen. Es gibt eine menschliche Grenze, die bei jedem woanders liegt. Da muss man in meinem Falle schauen, wo sie liegt.

Wo sehen Sie denn noch Reserven?

Sicherlich beim Gewicht. Da bin ich noch nicht an meinem Limit. Ich habe nicht den niedrigsten Körperfettanteil im Peloton. Wenn man einfach die tote Masse, die man jetzt noch mit sich rumschleppt, über die Jahre abwirft, dann kann man schon deutlich einsparen am Berg. Zwei oder drei Kilo können da schon einen deutlichen Unterschied machen.

Wie wird man als Berliner denn überhaupt zu so einem guten Bergfahrer?

Bergfahren ist eigentlich auch nur ein bisschen wie Zeitfahren. Man muss lange treten können…

Aber es geht im Gebirge auch bergab, das kann man in Berlin ja nicht unbedingt üben.

Das stimmt. Und das merkt man auch. Aber ich bin natürlich auch sehr viel im Trainingslager unterwegs und da sind wir immer viel in den Bergen.

Wer hat denn gemerkt, dass Sie Talent als Radsportler haben?

Meine Mutter erzählt immer gern die Geschichte vom Urlaub in Masuren, wo ich vielleicht sechs oder sieben Jahre alt war. Da hatten wir die Fahrräder mit und sind irgendwo eine Tour gefahren. Das war auch ziemlich hügelig dort. Als mein Vater irgendwann ankam, hat er zu meiner Mutter gesagt: „Das gibt es doch gar nicht. Der kleine Piepel hängt mich hier ab.“ Irgendwann später fand in der Nähe von uns ein Radrennen statt und da gab es dann den ersten Kontakt zum Marzahner Radsport-Club. Da bin ich einige Jahre gefahren, später ging es beim SC Berlin weiter.

Sie haben Ihr Abitur mit 1,3 abgeschlossen. Sie hätten alles studieren können. Warum sind Sie dennoch Radsportler geworden?

Ich bin ein Typ, der, wenn er etwas macht, das auch richtig macht. So ist dann der Ehrgeiz gewachsen. Der Entschluss, wirklich Profi zu werden, ist bei mir 2012 bei der Junioren-WM gereift. Damals habe ich im Zeitfahren Bronze gewonnen, ich lag sogar lange auf Goldkurs. Diese Leistung hat mir viel Selbstvertrauen gegeben. Dann habe ich gedacht, okay ich mache erst einmal weiter. Und trotzdem habe ich in Ilmenau noch nebenbei für ein halbes Jahr Wirtschaftsingenieurwesen mit Maschinenbau studiert. Aber ich musste bald feststellen, dass das zeitlich nicht machbar ist.

Was hätten sie denn für einen Beruf ergreifen wollen, wenn es nichts geworden wäre mit der Profilaufbahn?

Autos fand ich immer gut, da hätte ich mir schon vorstellen können in einem der Konzerne etwas mit zu entwickeln. Aber Wirtschaft interessiert mich auch, die Finanzmärkte. Wenn ich mein Studium gut abgeschlossen hätte, hätte ich viele Möglichkeiten gehabt. Aber ich weiß jetzt, dass ich das mit dem Studium immer noch mal machen könnte, wenn es mit der Profikarriere doch nicht so läuft.

Wie geht diese Karriere denn in diesem Jahr weiter? Bei der Tour sehen wir sie nach dem harten Giro sicher nicht. Ist die Vuelta womöglich noch ein Thema?

So wie es aussieht, ist sie kein Thema. Man muss den Ball da auch flach halten, so eine Dreiwochen-Rundfahrt macht schon was mit dem Körper, das ist eine extrem harte Belastung. Und jetzt gleich zwei in einem Jahr, das kann auch nach hinten losgehen. Für mich steht als nächstes die deutsche Meisterschaft an, danach geht es nach Holland und Belgien. Natürlich freue ich mich auch ganz besonders auf die Deutschland-Tour. Und ich versuche, mich für die WM zu qualifizieren. Irgendwann mal das Weltmeistertrikot zu tragen, war schon immer ein Traum von mir.

Apropos Träume: Worüber würden Sie in fünf Jahren gern in einem Interview reden?

Über den Tour-de-France-Sieg. Das wäre schön.

Zur Startseite