Sieg beim Giro d'Italia: Chris Froome: Superheld mit Fragezeichen
Chris Froome gewinnt mit dem Giro drei große Rundfahrten in Folge. Sicher hat er die Titel noch nicht.
Chris Froome war sichtlich aufgewühlt. Auf dem Gipfel von Cervinia hatte er am Samstag sein rosa Trikot verteidigt. Er hatte es getan, wie man es von ihm und seinem Team Sky von der Tour de France kennt: Tempo machen, die Angriffslust der Gegner eindämmen und sicher den Vorsprung nach Hause fahren.
Der Eindruck, dass Froome den Giro d’Italia so gewann wie von der Tour gewöhnt, täuschte aber. Obwohl er seinen dritten großen Rundfahrt-Sieg in Serie am Sonntag in Rom sogar vorzeitig feiern konnte, weil wegen der schlechten Straßenverhältnisse von der Renn-Jury eine Zeit-Neutralisation beschlossen wurde. Froome selbst bekannte: „Das war der größte Kampf meiner Karriere.“ Daran gibt es wirklich keinen Zweifel.
Denn bei diesem Giro lag er lange zurück. Und kam dann am Freitag mit einer heroischen Leistung zurück. 80 Kilometer vor dem Ziel startete er seine Attacke. Er fuhr allein die Kehren hoch. Er stürzte sich allein die Abfahrten hinunter. Er kämpfte allein gegen den Wind im Flachen. „350 Watt in drei Stunden“, sagte Froome stolz. Er wies noch darauf hin, dass die Wattzahl deshalb so niedrig sei, weil es ja zwischendrin auch bergab ging.
Bei der Tour gehörten Werte jenseits der 400 Watt-Marke zu seinem Repertoire. Dann allerdings nur eine halbe oder Dreiviertelstunde lang, nicht deren drei. Vielleicht wollte sich der Brite ja auch nicht dafür entschuldigen, dass die Werte so niedrig waren. Vielleicht nannte er sie, um Vertrauen aufzubauen. Vertrauen darin, dass eine solche Leistung möglich ist, möglich ohne illegale Hilfen.
Der Radsport ist ein grauer Sport
„Das wird man ganz sicher wohl erst in zehn Jahren wissen“, sagte Thomas Dekker trocken. Dekker, Ex-Profi, Ex-Doper, Ex-Rundfahrttalent, war für den Giro d’Italia zu den Berichterstattern gewechselt. Der Niederländer sieht den Radsport sauberer als zu seinen aktiven Zeiten. Er sagt: „Froome ist vielleicht der sauberste Rundfahrtsieger, den wir je hatten.“
Dekker fand dann auch Erklärungen für Froomes Alleinfahrt: „Die Kraft, die er einsetzen musste, war nicht so unglaublich. Seine Verfolger fuhren ebenfalls allein, es war im Grunde ein Kampf Froome gegen Tom Dumoulin.“ Das ist korrekt beobachtet. Selbst für den „saubersten Rundfahrtsieger, den wir haben“, würde Dekker aber nicht seine Hand ins Feuer legen. „Das Leben ist nicht weiß, es ist grau. Und der Radsport ist ein grauer Sport“, sagte der 33-Jährige.
Es ist ein treffendes Bild. In allem Grau der Glaubwürdigkeit bleibt aber auch anzuerkennen, dass Froome eine historische Tat vollbracht hat. 80 Kilometer Alleinfahrt – das ist ein Bravourstück aus den Zeiten von Fausto Coppi oder Eddy Merckx. Gut, auch ein Alberto Contador war in seiner Spätphase dazu in der Lage. Und eben auch ein Floyd Landis. Dessen 120 Kilometer lange Alleinfahrt bei der Tour de France 2006 entwickelte sich beim Giro zum großen Referenzpunkt für Froomes Leistung. „Ich kann die Vergleiche nachvollziehen. Aber mein Resultat wird Bestand haben“, sagte Froome.
Sicher ist das nicht. Schon allein nicht wegen des Verfahrens, das gegen ihn in der Schwebe ist. Um die unerlaubt hohe Konzentration eines Asthmamittels geht es da. Entschieden wird darüber wohl erst nach der Tour. Froomes Erfolg ist also eine historische Tat, die erst noch beglaubigt werden muss.
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