Giro d'Italia: Auf heiklem Terrain
Der Giro d’Italia startet am Freitag in Israel. Die Wahl hängt vor allem mit zwei Männern und einer guten Geschichte in dunklen Tagen zusammen.
Wie lange der Apostel Petrus brauchte, um von Jerusalem nach Rom zu kommen, ist nicht überliefert. Es ist nicht einmal gesichert, ob der als „erster Bischof Roms“ Verehrte tatsächlich seinen Fuß in die Ewige Stadt gesetzt hat. Bei den 176 Radprofis, die am Freitagnachmittag in Jerusalem in den Giro d'Italia starten, ist zumindest klar, dass der beste von ihnen am 27. Mai gegen 18.30 Uhr zum letzten Mal um das Kolosseum herumfahren und auf die Zielgerade an den Kaiserforen einbiegen wird. 3562,9 Kilometer sind dann zurückgelegt, etwa 44 000 Höhenmeter überwunden und 21 Etappen absolviert. Erstmals startet das Rennen außerhalb Europas – und bewegt sich dabei gleich über heikles weltpolitisches Terrain.
Der erste Auslandsstart einer großen europäischen Landesrundfahrt außerhalb Europas ist etwas für die Geschichtsbücher. Der Giro d'Italia, die zwar kleinere, seit Jahren aber auch innovativere Rundfahrt im Vergleich zur Tour de France, ist hier wieder einmal Vorreiter. Unumstritten ist die Sache allerdings nicht, natürlich nicht. So mussten sich die Organisatoren zum Beispiel mit Boykottaufrufen herumschlagen. Unter dem Hashtag #RelocateTheRace rufen Organisationen, die auch Kulturveranstaltungen und Konferenzen in Israel verhindern wollen, zu Protesten auf. Wegen der Besatzerpolitik auf palästinensischen Territorien werden Vergleiche zum einstigen Apartheid-Regime in Südafrika gezogen. Erschwerend kommt hinzu, dass US-Präsident Donald Trump den heiklen Status von Jerusalem mit seiner Ankündigung, die US-Botschaft von Tel Aviv dorthin zu verlagern, noch ein wenig heikler gemacht hat.
Vor Ort breitet sich allerdings Gelassenheit aus. „Es stimmt, der Mai wird heiß. Aber die Verhandlungen zum Atomabkommen mit dem Iran sind für den 12. Mai terminiert, die Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem für den 14. Mai. Da ist der Giro längst in Italien“, sagt Martin Weiss, seit mehr als zwei Jahren österreichischer Botschafter in Israel und selbst Radsportfan, dem Tagesspiegel. Weiss sieht das Land gerüstet für den Empfang der Radprofis, die Sicherheit betreffend, aber auch auf die Organisation bezogen. „Natürlich sind hier andere Sportarten populärer, Fußball und Basketball etwa, auch Wassersport. Aber es tut sich was im Radsport. Und auch im Alltag wird das Rad populärer“, erzählt Weiss.
Dass der Giro nach Jerusalem kommt, hat mit zwei Männern zu tun. Der eine, die italienische Rad-Ikone Gino Bartali, wurde vor wenigen Jahren von der Shoa- Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ aufgenommen. Bartali hatte sich in NS-Zeiten Partisanengruppen angeschlossen und half beim Verstecken und Ausschleusen jüdischer Mitbürger. Bartali verschwieg Zeit seines Lebens diese Geschichte. „Man soll mit Taten sprechen, nicht mit Worten“, lautete das Credo des mehrfachen Tour- und Giro-Siegers.
Fürs Geld sorgte der kanadisch-jüdische Immobilien-Milliardär Sylvan Adams. Der Sohn eines Holocaustüberlebenden kam vor zwei Jahren nach Israel – und fasste umgehend den Plan, Tel Aviv zum „Amsterdam des Nahen Ostens“ zu machen. Die Radkultur der Niederländer hatte es dem mehrfachen kanadischen Seniorenmeister im Radsport angetan. Seitdem plant er Fahrradwege in Tel Aviv, steckte Geld in Israels erstes Profiteam im Straßenradsport, und übernahm auch einen Teil des etwa 10 Millionen Euro teuren Budgets des Giro-Starts. Zum Dank dafür vergaben die Ausrichter eine Wildcard an Adams' Team.