Joachim Löw nach dem 3:3 gegen die Schweiz: „Ich denke, man kann viel aus diesem Spiel mitnehmen“
Der Bundestrainer lobt nach dem Schweiz-Spiel die Moral seines Teams, kritisiert aber die Ordnung in der Defensive. Und er erklärt, dass ihn Kritik nicht stört.
Fragen an Bundestrainer Joachim Löw in der Online-Pressekonferenz nach dem 3:3 der Fußball-Nationalmannschaft in der Nations League gegen die Schweiz am Dienstagabend in Köln.
Wie fällt Ihr Fazit dieses torreichen Spiels aus?
Für die Trainer war es ein sehr interessantes Spiel. Es war auch brutal intensiv, weil beide Mannschaften permanent den Weg nach vorne gesucht haben. Es war in manchen Phasen ein offener Schlagabtausch. Wir lagen schnell 0:2 zurück. Sehr gut war die Moral der Mannschaft. Man hat gemerkt, dass der Geist in der Mannschaft stimmt. Man hat in unserem Spiel Gutes gesehen, aber auch noch Fehler. In der Defensive waren wir nicht immer so gut geordnet. Nach vorne haben wir viel Kraft eingesetzt. Die Schweizer sind eine gute Mannschaft. Ich denke, man kann viel aus diesem Spiel mitnehmen.
3:3 gegen die Türkei, 2:1 in der Ukraine und zum Abschluss wieder ein 3:3 gegen die Schweiz: Wie bilanzieren Sie diese ungewöhnliche Woche mit drei Länderspielen in kurzer Abfolge?
Die Woche mit drei Spielen stand im Zeichen einer kurzen Vorbereitung. Es gab viele Gespräche, viele Sitzungen, aber relativ wenige Trainingseinheiten. Man spürt, dass die Mannschaft Energie ausstrahlt, dass sie eine gute Moral besitzt und Fortschritte machen will. Die Woche war insgesamt gut. Die Zeit tut gut, wenn man zusammen ist. Die drei Spiele musste man ein bisschen aufteilen, das wird auch im November so sein.
Was sagen Sie zur Leistung von Kai Havertz, der offensiv etliche Impulse gesetzt hat, nicht nur bei seinem Tor?
Kai Havertz hat schon ein gutes Spiel gemacht. Man sieht einfach seine Fähigkeiten am Ball, seine manchmal sehr guten Pässe in die Spitze. Der Kai hat sich sehr gut eingefügt. Er hat ein schönes Tor gemacht. Er war ein Spieler, der anspielbar war, der die Bälle gut verteidigt hat. Es war ein wirklich gutes Spiel vom Kai.
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Haben Sie sich die jüngste Kritik ein bisschen zu Herzen genommen?
Kritik kann immer mal inspirierend sein. Kritik ist gut, jeder darf sich äußern. Als Trainer schließt man mal irgendwie die Türe und sagt: Was haben wir für eine Vision? Was wollen wir? Und auf das konzentriert man sich dann. Wir haben ja unsere Vorstellungen. Für mich ist wichtig, was wir intern besprechen. Wenn ich immer auf alles hören und alles lesen würde, dann hätte ich ja keine Zeit mehr, meine Arbeit mit der Mannschaft zu machen. Kritik stört mich nicht. Dafür sind die Leute auch da, dass sie kritisch die Spiele beobachten. Wir machen ja auch unsere eigene Kritik intern. Es ist nicht so, dass wir über die Spiele einfach so hinweggehen.
Ex-Nationalspieler Olaf Thon hat auch Kritik geäußert und gemeint, der Bundestrainer solle nach der EM zurücktreten. Ist da für Sie eine Grenze erreicht? Und können Sie das definitiv ausschließen?
Das habe ich nicht gelesen. Sie konfrontieren mich jetzt mit etwas nach dem Spiel, was ich nicht gehört habe. Das ist mir egal, was der Olaf Thon sagt.
Eine Frage zur Leistung der Abwehr. Das war ja ein bisschen wild teilweise. Kai Havertz hat sogar gesagt, man müsse erwachsener verteidigen. Wer ist denn jetzt Ihr Abwehrchef der Zukunft? Niklas Süle? Antonio Rüdiger? Die Kommandos fehlen ja immer ein bisschen.
Da können wir uns insgesamt verbessern auf dem Platz, dass wir in der Kommunikation untereinander stärker werden. Das betrifft aber nicht nur die Abwehr. Niklas Süle habe ich nochmal geschont. Bei ihm muss man vorsichtig sein. Er hat gerade einen Kreuzbandriss auskuriert. Niklas Süle ist ein Spieler, der zuletzt in unserer Abwehr immer gesetzt war. Wenn er gesund ist, ist der Niklas natürlich ein sehr wichtiger Spieler. Wir haben ja keine ganz so erfahrenen Spieler in unserer Abwehr. Matze Ginter ist schon länger dabei, Tony Rüdiger noch nicht ganz so lange. Das sind schon Spieler, die im Verbund gut verteidigen können. Wir haben ein paar Fehler gemacht, aber wir sind auch bewusst ein hohes Risiko eingegangen und haben Mann gegen Mann gespielt. Wir wollten auch mal schauen, was wir für eine Kraft im Eins gegen Eins haben. Verteidigen können wir als Mannschaft insgesamt besser. Das müssen wir optimieren.
Wie kann man die vielen Fehler abstellen, die es auch wieder mit Fehlpässen bei den Gegentoren gab?
In der Ukraine haben wir insgesamt besser verteidigt. Da standen wir stabiler. Heute gab es ein paar freie Räume gegen die Schweizer. Das erste Tor können wir besser verteidigen. Beim zweiten war es ein Ballverlust im Aufbau, das passiert auch mal dem besten Spieler. Die Fehler werden wir ansprechen. Das ist ein Prozess, den wir gehen. Das Spiel bringt viele Erkenntnisse. Unsere Gruppe ist sehr ausgeglichen, die Ukraine gewinnt gegen Spanien. Das Spiel war ein Schritt nach vorne, was Einsatzbereitschaft, Kampfgeist und Moral angeht, einen 0:2-Rückstand umzudrehen. Da hat man gemerkt, dass wir das Spiel auf keinen Fall verlieren wollen. Dass wir zurückgekommen sind, war gut. Da gab es ein richtiges Aufbäumen der Mannschaft. (dpa)