Volleys-Trainer Luke Reynolds im Interview: "Ich darf hier keinen Stein auf dem anderen lassen"
Volleys-Trainer Luke Reynolds spricht vor dem Heimauftakt am Mittwoch gegen Herrsching über seine Ziele, sein junges Alter und weinende Spielerinnen.
Luke Reynolds, Sie haben sich Ihren Einstand bei den BR Volleys sicher anders vorgestellt als mit Niederlagen gegen Friedrichshafen im Supercup und in Düren zum Ligaauftakt?
Das ist natürlich sehr enttäuschend. Wir müssen jetzt aus diesen Niederlagen lernen und viel stärker zurückkommen.
Wie erklären Sie sich die beiden Pleiten?
Wir hatten nicht genug Energie. Wir waren einfach nicht so hungrig wie unsere Gegner, haben zu viele eigene Fehler gemacht. Wir müssen uns jetzt steigern – aber das können wir auch. Und dass wir nun einige Heimspiele haben, wird uns einen zusätzlichen Schub geben.
Sie sind als Trainer mit 32 Jahren jünger als einige Ihrer Spieler, Robert Kromm etwa. Wie gehen Sie diese Situation an?
Ich sehe es nicht als Problem. Deswegen nutze ich etwa die Situation mit Robert so, dass ich von seiner Erfahrung und seinem Wissen über den Klub profitiere.
Wie genau?
Für mich ist es wichtig, in engem Austausch mit den Spielern zu stehen, das gibt mir zusätzliche Energie, und ich bleibe auf dem Laufenden, wie sich die Spieler fühlen. Ich bin also näher am Team als ein 60 Jahre alter Trainer, der sich schwerer in die Spieler hineinversetzen kann. Natürlich ergeben sich auch Herausforderungen, aber bisher gab es noch keine Probleme, weil die Mannschaft und ich sehr gut miteinander auskommen.
Was wären konkrete Herausforderungen?
Erfahrene Spieler haben natürlich bereits eine gewisse Herangehensweise an Spielsituationen oder an das Training. Das ist ein ganz anderes Arbeiten als mit jungen Talenten. Und so geht es bei den älteren Spielern eben eher darum, ihnen Tipps zu geben, was sie noch dazulernen können. Jeder Spieler versucht doch, sich weiterzuentwickeln – und jeder lernt anders.
Worauf kommt es dabei besonders an?
Das Entscheidende ist, wie man miteinander kommuniziert. Und wenn das klappt, weiß man, wie man als Trainer seinen Spielern etwas beibringt – anstatt ihnen nur etwas aufzudrängen.
Also ist die Zeit der Trainer, die nur strenge Regeln vorgeben, mittlerweile vorbei?
Das würde ich nicht unbedingt sagen. Solche Herangehensweisen haben in bestimmten Situationen immer noch ihre Berechtigung. Der Trainer muss immer vorangehen. Aber ich denke, wenn man einen Kommunikator statt einen Diktator hat, ist richtig viel möglich. Man muss darauf achten, was ein Team braucht.
Was brauchen Ihre Spieler bei den Volleys?
Sie wollen Input. Selbst wenn ich sie anschreien würde, würden Sie danach wohl noch ihre Anregungen geben. (lacht) Sie wollen, dass man ihnen erklärt, warum man bestimmte Dinge auf eine bestimmte Art trainiert. Es geht nicht, alle Spieler in ein System zu pressen. Wir haben keinen Kommunismus mehr.
Ist diese Art des Trainierens eine der wichtigsten Erkenntnisse, die Sie auf Ihren bisherigen Trainer-Stationen gelernt haben?
Ja, absolut. Das größte Aha-Erlebnis hatte ich aber gleich bei meinem ersten Verein als Cheftrainer, beim Frauenteam Svedala in Schweden.
Was ist dort passiert?
Ich bin es sehr exzentrisch angegangen, manchmal wie ein Verrückter. Ich habe die Spielerinnen angeschrien – und jede hat mindestens einmal geweint. Aber das war für dieses Team der richtige Weg. Wir wurden Zweiter. Im nächsten Jahr ging ich es auf dieselbe psychotische Art an – aber die neue, jüngere Mannschaft kam damit gar nicht klar. Ich musste mich umstellen und habe den Spielerinnen mehr Mut zugesprochen. So habe ich gelernt, dass man sich auch der Mannschaft anpassen muss.
Welche Philosophie haben Sie als Trainer?
Mir ist am wichtigsten, dass sich das Team immer weiterentwickelt. Dass man nie zufrieden ist und Schwächen in Stärken verwandelt. Ich vergleiche die Ausgangslage eines Teams zu Beginn der Saison gerne mit einem Boot, das viele kleine Löcher hat. Und im Laufe der Saison versucht man, immer mehr Löcher zu stopfen.
Was ist für Sie das Wichtigste, um im Volleyball erfolgreich zu sein?
Durchhaltevermögen. Als ich in Australien selbst noch gespielt habe, war ich nie ein Superstar. Aber ich wollte unbedingt an einer Uni spielen. Ich schrieb eine nach der anderen an, und bekam tatsächlich in Kanada ein Stipendium. Da war ich auch nicht der Beste, aber ich fand meine Rolle und war wichtig fürs Team.
Warum sind Sie direkt nach der Uni Trainer geworden?
Ich hatte noch überlegt, es als Profi zu versuchen. Aber ich war realistisch genug und habe mir gesagt, als Spieler kann ich es nicht so weit bringen wie als Trainer.
Wie Luke Reynolds seine Verlobte Hillary Hurley beim Volleyball kennenlernte
Wie haben Sie sich in Berlin eingelebt?
Sehr gut. Es ist ein großartiger Klub mit tollen Strukturen. Der Start war hart, viele Spieler fehlten wegen Verletzungen oder weil sie lange bei ihren Nationalteams waren. Da kam schon einiges zusammen.
Was ist mit der Mannschaft möglich?
Wenn wir richtig ins Rollen kommen, können wir ein sehr dynamisches Team sein und Großes erreichen. Wir peilen natürlich den Meistertitel an. Aber die Bundesliga ist wahrscheinlich so ausgeglichen wie noch nie.
Wie gehen Sie mit den hohen Erwartungen in Berlin um?
Ich muss einfach alles geben und darf keinen Stein auf dem anderen lassen. Wenn ich alles gebe, wird ein gutes Resultat herauskommen. Ich möchte hier ein Trainer sein, der für alle ein Ansprechpartner ist – auch für die Nachwuchsspieler.
Bei all den Aufgaben, die Sie haben: Können Sie vom Volleyball abschalten?
Eigentlich nicht. Ich habe sogar das Gefühl, dass meine Gedanken immer mehr um Volleyball kreisen. Selbst wenn ich mir zu Hause einen Film anschaue, rufe ich währenddessen jemanden an und spreche nur über Volleyball. Am Ende des Films weiß ich gar nicht, was passiert ist.
Wofür sind Sie dem Volleyball besonders dankbar?
Da habe ich eine gute Antwort: Für meine Verlobte Hillary Hurley. Ich habe sie beim Volleyball kennengelernt.
Wie ist das abgelaufen?
Eigentlich aus einer Tabu-Situation heraus. Ich war ihr Trainer in Schweden. Wir sind uns einfach immer nähergekommen. Ich hatte Angst, dass ich meinen Job verliere. Aber der Verein hatte dafür Verständnis. Nach dem ersten Jahr habe ich mir aber geschworen, nie wieder ihr Trainer zu sein. Das ist zu anstrengend.
Weil Sie sie auch angeschrien haben?
Oh ja. Ich habe sie schon angeschrien, bevor wir überhaupt miteinander ausgegangen sind. Das ist natürlich ein spezieller Weg, eine Beziehung zu starten. Aber seitdem haben wir es geschafft, unsere Fernbeziehung zu meistern – es sind mittlerweile viereinhalb Jahre. Derzeit spielt sie auf den Philippinen. Aber im Dezember wird sie nach Berlin kommen und ein paar Monate hier bleiben. Dann habe ich auch die Chance, besser vom Volleyball abzuschalten.