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Union-Trainer Norbert Düwel: „Hier sieht man alles kritischer“

Unions Trainer Norbert Düwel spricht vor dem Saisonstart am Sonntag gegen Düsseldorf über sein schwieriges erstes Jahr in Berlin.

Herr Düwel, Sie sind Autor zweier Bücher, „Richtig Frauenfußball“ und „Dribbeln, Passen, Schießen – Profi-Tipps für Kids.“ Welchen Titel würden Sie einem Buch über Ihre erste Saison beim 1. FC Union geben?

Puhhhhh. Lassen Sie mich einen Moment überlegen. Jetzt hab ich’s: „Der schwere Weg nach oben.“

Was genau verlief aus Ihrer Sicht so schwierig?

Wenn ein Trainer so viele Jahre hier war wie Uwe Neuhaus und auch noch einen richtig guten Job gemacht hat, dann hinterlässt so jemand seine Fußspuren. Für den Verein, die Fans und die Mitarbeiter war der Wechsel zu meiner Person ein großer Umbruch. Für die Mannschaft natürlich auch. Die war eine bestimmte Art der Ansprache, des Trainings und des Drumherums gewohnt. Da dauerte es, bis wir uns alle aneinander gewöhnt hatten.

Wäre es im Nachhinein besser gewesen, den Umbruch langsamer anzugehen?

Nein, in einer solchen Phase gibt es immer Entscheidungen, die nach außen unpopulär wirken. Das waren notwendige Schritte, die sich am Ende ja auch als richtig herausgestellt haben. Torsten Mattuschka etwa auf die Bank zu setzen, hatte rein sportliche Gründe.

Der Streit füllte tagelang die Zeitungen.

Das Kuriose an der Geschichte ist ja, dass ich keinen Streit mit Mattuschka hatte, weil wir in vielen Gesprächen mit dem Spieler die Linie besprochen hatten und eigentlich alle Beteiligten damit einverstanden waren. Dann kam es zum Wechsel nach Cottbus, der eigentlich für alle Beteiligten überraschend war in dem Moment. Ich persönlich hatte keinen Zwist, es war nur so, dass ich ihn in dem Moment nicht unter den ersten Elf sah.

Ein Vorwurf an Sie lautete dennoch, Sie hätten den Kapitän gestürzt, um Ihre Position zu stärken.

Das stimmt nicht. Alle Veränderungen, die ich dann auch vorgenommen habe, hatte ich dem Präsidium vorher schon an die Hand gegeben. Der Verein hat sich ja eine Veränderung gewünscht. Die sollte man dann auch sehen.

"Am Ende des Tages bin ich der Chef"

Sie haben den Fußball von vielen Seiten erschlossen, waren Trainer im Amateur- und Jugendbereich, haben an der TU München Sportwissenschaften unterrichtet und die deutsche Studentinnenauswahl betreut. Welcher war Ihr schwierigster Job?

Das war als Trainer einer C-Jugend, ganz am Anfang meiner Trainerkarriere. Weil dort die persönliche Enttäuschung bei den Kleinen viel deutlicher spürbar ist. Etwa, wenn ich einem Spieler sagen musste, dass er nicht dabei ist. Die persönlichen Gefühle lassen sich in diesem Alter noch nicht so verstecken, wie es später der Fall ist. Das war eine schwierige Erfahrung für mich.

Was war am Frauenfußball besonders?

Frauenteams sind anders zu führen. Man muss mit bestimmten Dingen in der Kommunikation deutlich vorsichtiger sein. Da ist das Sender-Empfänger-Bewusstsein ein anderes, als Trainer muss man etwas sensibler sein. Mir hat das aber nur gutgetan in meiner Entwicklung und der Art und Weise, jetzt mit Profifußballern zu kommunizieren.

Wie sehen Sie Ihre Rolle als Trainer? Sind Sie eher Ratgeber, Zuhörer oder Lehrer?

Die Mischung macht’s. Mal muss man mehr der Pädagoge sein, mal der reine Lehrer, der sagt: Dies und jenes muss jetzt didaktisch erarbeitet werden. Es gibt immer so Phasen, in denen es angebracht ist, mehr über die Persönlichkeitsschiene zu kommen als über die didaktische. Man darf nicht vergessen, das sind alles junge Menschen, die immer noch am Anfang ihrer Persönlichkeitsentwicklung stehen. Wenn man viel erklärt, etwa wo die Gefahrenpunkte im Umgang mit der Öffentlichkeit liegen, kann man helfen. Das ist auch Teil des Jobs eines Trainers.

Wie nah lassen Sie die Spieler an sich ran?

Ich habe immer ein offenes Ohr, auch eine persönliche Bindung. Am Ende sind es ja meine Spieler. Aber die Grenzen müssen eindeutig sein. Am Ende des Tages bin ich deren Chef und muss die Dinge vorgeben. Das muss ganz klar sein.

Gehören Sie zu den Trainern, die negative Entscheidungen kommunizieren?

Auch das ist unterschiedlich. Im Normalfall ist es aber so, dass der Spieler, egal was man ihm sagt, kein Verständnis hat. Da ist es manchmal besser, gar nichts zu sagen. Im Moment der Entscheidung ist die emotionale Blockade oft so groß, dass es keinen Sinn machen würde, mit dem Spieler zu sprechen.

"Ich bin genauso locker wie zu Beginn"

Glauben Sie, dass Ihnen der Eintritt in den Profifußball mit einer ruhmreichen Vergangenheit als Spieler erleichtert worden wäre?

Definitiv.

Weil Ihnen dann in Krisensituationen mehr Respekt entgegengebracht worden wäre?

Der Fan muss sein Vertrauen ja aus irgendwelchen Dingen herziehen. Wenn man keinen großen Namen hat, ist das Vertrauen nicht ganz so groß. Ich denke schon, dass jemand mit einem bekannteren Namen es in der ein oder anderen Phase leichter gehabt hätte. Vielleicht musste ich die Leute ein Stück weit mehr überzeugen.

Kannten Sie das nicht schon aus Ihrer Zeit als Kotrainer von Hannover 96?

Doch. Respekt muss man sich erarbeiten. Am Ende hilft die Vergangenheit auch nichts. Man muss eine Arbeit abliefern, die Vertrauen schafft. Es gibt auf internationaler Ebene auch erfolgreiche Trainer, die konnten kaum gegen den Ball treten.

Haben Sie in Hannover die Skepsis der Spieler und des Umfelds gespürt? Schließlich hatten Sie nur Amateure trainiert.

Nein. Das war in Berlin schon etwas anders, wohl auch, weil hier die Medienlandschaft eine spezielle ist. Deutlich aufgeregter und oft negativ behaftet. Hier wird alles ein Stück weit kritischer gesehen.

Wegen der Berliner Mentalität? Es heißt ja, der Berliner nörgelt hin und wieder.

Wir in Bayern nennen das grantelig. Ich kenne das, von uns Bayern sagt man das auch. Deswegen hab ich auch kein Problem damit. In der Presse hat das aber eine andere Tragweite. Wenn ich mit den Fans persönlich gesprochen habe, war es nie so, dass ich diese Skepsis und das Negative gespürt habe. Das Negative in der schreibenden Presse war auch geprägt durch ein, zwei emotionale Entscheidungen, vor allem durch den Fall Mattuschka. Einige Journalisten fühlten sich da wohl auch persönlich betroffen.

"Union ist absolut bereit für die Bundesliga"

Sie haben den Kapitän erneut selbst bestimmt. Glauben Sie nicht an Fußballdemokratie?

Es muss immer ein bestimmtes Maß geben. Wir haben 27 Spieler, das sind 27 Meinungen. Man sieht’s ja aktuell ganz gut an der politischen Diskussion um die europäische Gemeinschaft, wie schwer es ist, wenn nur 20 Leute ein Miteinander zu einer Sache finden müssen. Am Ende muss ich Entscheidungen treffen, und dafür trage ich die Verantwortung. Ich muss dafür sorgen, dass Dinge umgesetzt werden. Also wäge ich immer ab, wann es notwendig ist, die Mannschaft einzubeziehen. Und dann gibt es Situationen, in denen ich sage: Es ist jetzt einfach so.

Haben Sie in diesem Jahr nun das Gefühl, beim 1. FC Union angekommen zu sein?

Es ist natürlich vieles leichter. Ich kenne jetzt das Umfeld und den Verein, die Mannschaft ist eine komplett andere. Wir haben in der Kaderzusammenstellung darauf geachtet, dass wir Spieler holen, die meiner Einstellung entsprechen. Da ist es natürlich ein angenehmes Arbeiten.

Haben Sie sich auch verändert? Es heißt, Sie sind lockerer geworden.

Das ist auch immer eine Sache, wie man die Dinge wahrnehmen möchte. Ich glaube, dass ich vor einem Jahr auch nicht anders war. Ich bin genauso locker oder unlocker wie zu Beginn.

Am Sonntag beginnt für Sie die Saison mit einem Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf. Neun Spieler sind neu. Wie lange wird es dauern, bis sich die Mannschaft findet?

Es ist ein gewaltiger personeller Umbruch, aber in einer gefestigten Struktur. Das ist der Unterschied zum letzten Jahr. Da gab es neben dem personellen auch einen strukturellen Umbruch mit meinem neuen Arbeitsstil, meiner Spielphilosophie und Trainingsmethodik. Das hat sich alles gesetzt. Deshalb mache ich mir keine Sorgen, dass wir so große Probleme haben werden wie in der vergangenen Saison.

Der Verein hat das Saisonziel Platz eins bis sechs ausgegeben. Unnötiger Druck?

Nein. Als Leistungssportler muss es das oberste Ziel sein, sich zu verbessern. Wir waren Siebter. Da ist eins bis sechs ein legitimes Ziel, kein Anspruch. Ich sage nicht, wir werden eins bis sechs belegen, weil das vermessen wäre. Ob wir es am Ende erreichen, hängt von vielen Faktoren ab.

Kann man den Aufstieg in die Bundesliga planen oder gar erzwingen?

Die Zweite Liga ist anders strukturiert als die Bundesliga. Dort ist klar, dass Bayern München, Leverkusen, Wolfsburg, Dortmund immer oben auftauchen. Die Zweite Liga ist eine Durchgangsliga, viele Mannschaften sind neu. Das macht’s ausgeglichen. Es gibt keine herausragend spielstarke Mannschaft, wie es in der Bundesliga Bayern München ist. Hier messen sich viele mit relativ gleichen Mitteln.

Ist Union bereit für die Bundesliga?

Absolut.

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