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Alleine gelassen: So fühlten sich viele Hertha-Fans nach dem Spiel gegen Nürnberg, bei dem erstmals die Stadionhymne geändert worden war.
© Jörg Carstensen/dpa

Kolumne: Auslaufen mit Lüdecke: Herthas Liedgate verärgert die Fans

Hertha versucht sich an einer Mischung aus Tradition und Moderne - über die Köpfe der Fans hinweg. Das ist unnötig. Ein Kommentar.

Als die Begegnungen des ersten Spieltags beendet waren – stand saisonübergreifend nach 15 Spielen mal nicht der FC Bayern ganz oben. Ich finde aber, am ersten Spieltag hätte das auch nicht unbedingt Dortmund sein müssen. Was ist mit Fortuna Düsseldorf. Oder Freiburg. Oder meinetwegen Hertha. Den Berlinern wurde von einer Software mittels Algorithmen prophezeit, dass sie diese Saison absteigen werden. Platz 17, mit einer Wahrscheinlichkeit von 15,6 Prozent. Nach dem ersten Spiel, das Hertha BSC zu 100 Prozent als Sieger beendete, sollten die Inhaber der Firma Goalimpact ihren Rechner vielleicht doch noch mal anschmeißen und die Sache überprüfen.

Die Berliner haben sich für die Saison nämlich einiges vorgenommen. Man versucht es diesmal mit einer Mischung aus Modernisierung und Kontinuität. Sie haben bislang vier neue Spieler verpflichtet (Modernisierung). Und wie viele von Ihnen wurden eingesetzt? Keiner (Kontinuität). Bis auf Grujic, für drei Minuten, na gut. Man spielt ein neues System, aber es sieht trotzdem irgendwie aus wie das alte. Man hat wie früher wenige Torchancen, aber man nutzt so viele davon, dass es zum Sieg reicht. Bereits vor dem Spiel gegen Nürnberg gab es eine andere, leider unerquickliche Vermengung von Modernisierung und Kontinuität.

Die Verantwortlichen bei Hertha agierten so plump

Die Vereinsmitglieder erhielten einen Tag vor Saisonbeginn eine Mail, in der ihnen mitgeteilt wurde, dass als „Einlauflied“ nicht mehr „Nur nach Hause“ von Frank Zander gespielt würde, sondern „Dickes B“ von Seeed. Nun könnte man sagen, ist doch egal, was gesungen wird, entscheidend is auf’m Platz! Aber echten Fans sind diese Dinge heilig, und sie ohne Rücksprache zu ändern, ist ungeschickt oder respektlos. Nun hat man also ein neues Lied (Moderne) und verärgerte Fans (Tradition). Ich gebe ehrlich zu, ich fand es auch immer etwas irritierend, dass die Berliner Zuschauer schon das „Nachhausegeh’n“ thematisierten, wo die Mannschaften doch gerade erst aufs Feld kamen. Aber egal. Das moderne Lied ist nun auch schon 17 Jahre alt und vor allem finde ich, es eignet sich eigentlich nicht so zum Mitsingen. Denn es hat für die Anzahl der Noten verdammt viel Text.

Was mich besonders am „Liedgate“ beschäftigt, ist die Tatsache, wie plump sich die Vereinsverantwortlichen den Zorn ihrer eigenen Fans zuziehen. Aus Sicht der Vereinsführung gesprochen: Es gibt doch sicherlich Mittel und Wege die eigenen Interessen geschickter durchzusetzen, ohne dass die halbe Anhängerschaft Sturm läuft. Wie man das macht, kann man bei Machiavelli nachlesen. Ein intellektueller Dribbelkünstler aus dem frühen 16. Jahrhundert. Aber den kennen die ehemaligen Twitter-Mitarbeiter möglicherweise nicht.

- Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt hier jeden Montag über die Fußball-Bundesliga

Frank Lüdecke

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