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Endlich wieder im Getümmel. Davie Selke (links) feierte gegen Schalke sein Pflichtsspieldebüt für Hertha BSC.
© dpa

Hertha BSC und die Offensivschwäche: Hertha hofft auf Davie Selke

Gegen Schalke 04 erspielt sich Hertha BSC keine echte Torchance. Für die Zukunft erhoffen sich die Berliner mehr Torgefahr durch Rekordeinkauf Davie Selke.

In der Mixed-Zone des Olympiastadions, also auf dem Stück zwischen Platz und Kabine, hing am Samstag ein neues Transparent an der Wand. Vielleicht hat Davie Selke es gesehen, als er nach der 0:2-Niederlage von Hertha BSC gegen Schalke 04 hinter der Absperrung zu seinem Pflichtspieldebüt für die Berliner Stellung bezog. Selke ist so groß, dass er problemlos über die meisten Journalisten hinweg sehen kann. „Bei dir kann alles oder jeder das nächste große Ding sein“, stand an der Wand. Man hätte meinen können, der Spruch wäre extra für Selke dort angebracht worden.

Davie Selke – das nächste große Ding in Berlin. So ungefähr hatten sie sich das bei Hertha BSC vorgestellt.

Der Berliner Fußball-Bundesligist hat sich seine Verpflichtung immerhin 8,5 Millionen Euro kosten lassen – für keinen anderen Spieler hat Hertha jemals so viel Geld ausgegeben. Daraus ergibt sich natürlich auch eine gewisse Erwartung. Aber die konnte Selke, 22, bisher noch nicht erfüllen. Drei Monate musste er wegen einer Mittelfußverletzung auf sein Debüt für seinen neuen Klub warten. „Ich hab’ mich darauf riesig gefreut“, sagte Selke, als es Samstag nun so weit war. „Ich hab’ mir auch viel vorgenommen, aber es war klar, dass es schwer wird.“

Es war ein bittersüßer Nachmittag für Selke

Als Selke zur zweiten Hälfte den Platz von Salomon Kalou als einzige Spitze bei Hertha einnahm, stand es zwar noch 0:0 nach Toren, aber eben auch 10:11 nach Spielern. Kurz vor der Pause hatte Genki Haraguchi für eine eingesprungene Grätsche auf den Knöchel von Guido Burgstaller Rot gesehen. „Wir wollten auf Konter gehen“, berichtete Selke über den Plan für die zweite Hälfte. Ihm war dabei die Aufgabe zugedacht, ganz vorne zu stören. „Ich habe versucht, die Jungs unter Druck zu setzen, aber die haben’s gut ausgespielt. Sie haben den einen Mann mehr wirken lassen fast wie zwei.“

So wurde es ein bittersüßer Nachmittag für Selke, was immerhin geringfügig besser war als für seine Kollegen. Die nämlich erlebten einen durch und durch bitteren Nachmittag. Es gebe nichts schön zu reden, befand Trainer Pal Dardai: „Von unserer Seite hat kein Spiel stattgefunden.“

In der Offensive war es sogar weniger als nichts – was kein ganz neues Problem ist. Im elften Pflichtspiel dieser Saison gelang der Mannschaft zum fünften Mal kein Tor. Insgesamt hat sie nur zehn Treffer erzielt, im Schnitt 0,91 pro Spiel. Von allen Bundesligisten erspielt sich Hertha die wenigsten Chancen und die wenigsten Torschüsse. Dardai hat das vor dem Spiel damit erklärt, dass seine Spieler eben selten aus Verzweiflung aufs Tor schössen, sondern versuchten, ihre Chancen seriös vorzubereiten. Am Samstag reichte es nicht mal zu Verzweiflungsschüssen. Schalkes Torhüter Fährmann musste seine Arme in den 90 Minuten eigentlich nur zum Jubeln nach den beiden Toren benutzen.

Zwei Torschüsse wies die Statistik für Hertha aus. In der Rubrik „Meiste Torschussvorlagen“ wurde Vladimir Darida genannt. Sein Wert: 0. Hinter seinem Namen stand noch ein Sternchen und die Erklärung: „Mehrere Spieler mit dem gleichen Wert.“

Die Mannschaft ist schon in den vergangenen beiden Spielzeiten unter Dardai weniger durch ihr feuriges Spiel aufgefallen, als durch ihre gute Organisation und ihre klar strukturierte Defensive. Vorne hat sie sich vor allem auf Vedad Ibisevic, einen Altmeister der Effizienz, verlassen können. Die gute Nachricht ist: Der Bosnier hat seine Rotsperre mit dem Spiel gegen Schalke verbüßt. Die schlechte: Ibisevic, inzwischen 33 Jahre alt, wirkt längst nicht mehr so bissig wie in der Vergangenheit. In der Bundesliga ist er noch ohne Saisontor.

Dardai hofft vor allem, dass Selke gesund bleibt

Auch deshalb hat Hertha im Sommer Selke geholt, gewissermaßen einen Ibisevic in jung. Seine Qualitäten liegen eindeutig im Strafraum, vor dem Tor verfügt er über eine instinktive Gier. Das Spiel gegen Schalke aber bot Selke wenig Gelegenheit, seine Qualität zu zeigen. Einmal wurde er von Niklas Stark gut angespielt, doch Fährmann war etwas schneller am Ball. Schnelligkeit, Biss und Kopfballstärke bescheinigte Dardai dem Neuen nach seinem Debüt. Kalou und Selke hatten jeweils eine Halbzeit als Stoßstürmer auf dem Feld gestanden: Selke war mehr gelaufen, mehr gesprintet, er hatte mehr Ballkontakte und mehr Zweikämpfe gewonnen. Nur bei den Fehlpässen lag Kalou vorne.

„Ich erwarte nichts“, sagte Dardai über Selke. Nur dass er gesund bleibe. Wunder sind von dem Angreifer erst einmal nicht zu erwarten. „Ich war zehn Wochen weg, das darf man nicht vergessen“, sagte Selke selbst. Eine richtige Vorbereitung konnte er wegen der Teilnahme an der U-21-EM auch nicht absolvieren. Das muss er nun im laufenden Betrieb nachholen. „Jede weitere Minute wird mir gut tun“, glaubt Selke. Insofern hatte das Spiel gegen Schalke zumindest für ihn noch einen positiven Effekt. Es war eine gute Athletikeinheit: „Ich musste leider viele Wege machen.“

Stefan Hermanns

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