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Auf dem Boden der Tatsachen. Hertha ist in den vergangenen Tagen viel gelobt worden. Offenbar ist das dem Team nicht so gut bekommen.
© AFP

Erste Niederlage in der Fußball-Bundesliga: Hertha BSC: Zu viel Lob, zu wenig Frische

Bei der Niederlage gegen Werder Bremen zeigt sich, dass Hertha BSC noch etwas zum Top-Team fehlt - vor allem der verletzte Mittelfeldspieler Marko Grujic.

Doch: Es gab diesen Moment, in dem Hertha BSC im Spitzenspiel bei Werder Bremen wie eine Spitzenmannschaft auftrat. In dem die Berliner Entschlossenheit zeigten, Zielstrebigkeit und eine gehörige Portion Chuzpe. Aber es war eben nur dieser eine Moment gut zehn Minuten nach der Pause, als Javairo Dilrosun auf der linken Bahn einfach losrannte. Der Holländer ließ Milos Veljkovic stehen, und als die Situation für ihn schon fast aussichtslos schien, weil er gefährlich nah an der Torauslinie postiert war, überwand er Werders Torhüter Jiri Pavlenka mit einem Schuss ins kurze Eck. Wer aus diesem Winkel trifft, muss sich hinterher die Frage gefallen lassen, ob das wirklich so gewollt war. War es. Dilrosun hatte kurz in die Mitte geblickt, dort keinen Kollegen erkennen können und sich deshalb für einen Torschuss entschieden. So viel Hellsichtigkeit war bei Herthas 1:3-Niederlage gegen Werder allerdings die Ausnahme.

Trainer Pal Dardai sprach seinem Kollegen Florian Kohfeldt später einen Glückwunsch aus. Kohfeldts Team war durch den Sieg an Hertha vorbei auf Rang zwei der Fußball-Bundesliga vorgerückt. „Jetzt bist du der Bayern-Jäger“, sagte Dardai. Es hörte sich an wie ein Witz, in Wirklichkeit aber sprach Erleichterung aus den Worten des Ungarn. In den drei Tagen seit dem Sieg gegen Borussia Mönchengladbach war viel von der neuen Hertha die Rede gewesen, von dem Qualitätssprung eines Teams, das zuvor lange unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit hinweggeflogen war. So viel Lob wie seit dem Wochenende hat Hertha lange nicht mehr abbekommen. Das aber stellte sich als eher kontraproduktiv heraus. „Deine Jungs lesen das auch und kommen in so eine Euphorie“, sagte Dardai. „Es hat uns irgendwie gelähmt.“

Maier wirkte schwerfällig, Duda war unsichtbar

Das Phänomen ist nicht neu. In der Vergangenheit haben die Berliner gezeigt, dass sie mit Druck umgehen können – mit negativem Druck. Immer wenn die Mannschaft in unbequeme Tabellenregionen abzurutschen drohte, vermochte sie sich ausreichend zu straffen. Mit der Aussicht, einen Sprung nach oben zu machen, war sie hingegen oft überfordert. Das zeigte sich auch in Bremen. Acht seiner elf Spieler seien nicht gut drauf gewesen, befand Dardai, die körperliche und mentale Frische habe ihnen gefehlt: „Gegen den Ball kannst du laufen und Räume zumachen, aber mit dem Ball brauchst du diese Frische.“ Defensiv funktionierte Hertha in der ersten Halbzeit noch leidlich, obwohl es zur Pause 0:2 stand. Aber beide Bremer Tore waren nach Standardsituationen gefallen. Nach vorne aber ging gar nichts. Dardai sprach sein Bedauern für Vedad Ibisevic aus, der als Stürmer vom Geschehen komplett abgeschnitten war. „Wir haben keine richtigen Zweikämpfe geführt, sind nur hinterhergelaufen“, klagte Herthas Trainer. „Wenn man mit dem Ball nicht gut umgeht, muss man eben körperlich ein bisschen mehr geben.“

All das, was Hertha zuletzt stark gemacht hatte, fehlte in Bremen. Möglicherweise lag es daran, dass der Spieler fehlte, der maßgeblich für Herthas Stärke verantwortlich war. Den Platz des verletzten Marko Grujic nahm Fabian Lustenberger ein. Der Schweizer versuchte es – erst in der Doppelsechs, später als alleiniger Sechser – im Rahmen seiner Möglichkeiten. Aber er verfügt eben nicht über die Möglichkeiten, die Grujic hat. „Wir haben gedacht, es kommt mehr von ihm“, sagte Dardai. „Die Verletzung haben wir nicht so verkraftet, wie wir das gehofft haben. Da müssen wir schnell eine Lösung finden.“

Marko Grujic macht seine Mitspieler besser

Herthas Stärke zu Beginn dieser Saison resultierte aus der Stärke des Mittelfelds. Ohne Grujic war davon nichts geblieben. Es ist müßig darüber zu spekulieren, ob Hertha das Spiel mit ihm gewonnen oder zumindest nicht verloren hätte. Unstrittig ist hingegen, dass Herthas Spiel mit ihm anders ausgesehen hätte. Schon durch seine Statur stellt der 22 Jahre alte Serbe etwas dar. Er ist präsent und zielstrebig – all das, was Hertha gegen Werder nicht war. Vor allem aber ist der Serbe jemand, der seine Mitspieler besser macht. Arne Maier wirkte ungewohnt schwerfällig, Ondrej Duda war nahezu unsichtbar, und von den beiden Außenspielern fiel nur Dilrosun auf, wenn er es mangels Einbindung ins Spiel auf eigene Faust versuchte.

„Natürlich hat uns mit Marko ein wichtiger Spieler gefehlt, aber wir müssen es als Team besser spielen“, sagte Innenverteidiger Karim Rekik. Zumal Grujic möglicherweise bis Weihnachten fehlt. Ohne den Leihspieler aus Liverpool bekommt Herthas Spiel eine andere Textur, wird es wohl erst einmal weniger spektakulär, als es nach dem Sieg gegen Gladbach erwartet worden war. „Ich sage das immer wieder: Wenn du gewinnst, musst du nicht denken, dass du ein Top-Team bist“, erklärte Rekik. „Genauso wenig bist du eine schlechte Mannschaft, wenn du mal verlierst. Du musst demütig bleiben.“ Demut gebietet schon der nächste Gegner. Am Freitag kommen die Bayern.

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