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Hart angegangen. Stellvertretend für Herthas Probleme mit den Freiburgern stand Matheus Cunha (l.), dem wenig gelang.
© imago images/Jan Huebner

Trainer Labbadia ist „total verärgert“: Hertha BSC zeigt, wie es nicht geht

Hertha BSC verliert das letzte Spiel des Jahres 1:4 beim SC Freiburg. Bruno Labbadia reagiert fassungslos auf die Darbietung und kritisiert Matheus Cunha.

Bruno Labbadia war als Stürmer dafür bekannt, dass er jede sich bietende Gelegenheit genutzt hat. Als Trainer aber sind manchmal andere Fähigkeiten gefragt. Und vor allem deshalb hat Labbadia am Sonntag der Versuchung widerstanden, sich vorrangig der zweiten Halbzeit im Spiel seiner Mannschaft gegen den SC Freiburg zu widmen: der deutlich besseren Hälfte, in der seine Spieler giftig und griffig waren und dem vorgegebenen Plan folgten.

Nein, Labbadia, Trainer von Hertha BSC, wollte sich lieber mit der ersten Hälfte beschäftigen, in der sein Team das auf eine geradezu schamlose Weise nicht getan hatte. „Das ist ein No-Go, wie wir uns da verhalten haben“, sagte er.

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Dass die Gäste aus Berlin nach 45 Minuten trotz ihrer Minderleistung nur 0:1 zurücklagen, war fast genauso paradox wie das 1:4 bei Abpfiff des Spiels. Denn nach dem frühen Ausgleich zu Beginn der zweiten Halbzeit war Hertha drauf und dran, sogar in Führung zu gehen. Letztlich aber endete das ohnehin turbulente Fußballjahr für die Berliner fast standesgemäß mit einer finalen Enttäuschung. Hertha BSC überwintert in gefährlicher Nähe zur Abstiegszone. „So ehrlich müssen wir sein“, sagte Labbadia. „Wir stehen jetzt zu Recht da.“

Trotz veränderter Aufstellung mit vier Neuen in der Startelf sahen die Darbietungen seiner Mannschaft anfangs ähnlich harm- und hilflos aus wie am vergangenen Dienstag beim 0:0 gegen Mainz. „Unbegreiflich, das war fast ein Komplettausfall“, sagte Torhüter Alexander Schwolow. „Wenn wir rumlaufen, wie wir wollen, funktioniert’s nicht.“

Als hätte Hertha am Abend vorher Weihnachtsfeier gehabt

Die Berliner machten zu Beginn den Eindruck, als hätten sie am Abend vorher verbotenerweise eine Weihnachtsfeier mit viel Glühwein und anderen alkoholischen Getränken abgehalten. Das Team wirkte komplett orientierungslos, während die Freiburger den Ball anständig zirkulieren ließen und durch einen Flugkopfball von Vincenzo Grifo schon früh mit 1:0 in Führung gingen. Matheus Cunha hatte zuvor im Mittelfeld den Ball an Jonathan Schmid verloren und kam anschließend nicht mehr hinter dem Freiburger her, um ihn am Flanken zu hindern.

„In der ersten Halbzeit haben wir gezeigt, wie man es nicht machen soll“, sagte Labbadia. „Wir müssen als Mannschaft funktionieren. Da darf sich keiner rausnehmen. Heute haben sich zu viele rausgenommen.“ Es war unschwer zu erraten, dass sich vor allem Cunha angesprochen fühlen durfte, der wiederum schon in der Pause von Labbadia rausgenommen wurde. Aus der Mannschaft nämlich. Der Brasilianer verfügt über eine Begabung, wie sie in der Bundesliga selten ist; am Sonntag aber brachte er seinen Trainer an den Rand des Nervenzusammenbruchs.

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„Ich bin total verärgert. Das war für mich unterirdisch“, sagte Labbadia über Cunhas Auftritt und vor allem seine Körpersprache. „Er zieht sich selber runter. Das muss er schleunigst verändern.“ Nominell sollte der Brasilianer im 4-2-3-1-System die linke offensive Außenbahn bespielen; stattdessen tobte er – wie auch seine Mitspieler – vor allem in der Mitte des Spielfelds herum. „Wenn ich die Flügel nicht besetze, lacht sich jeder Gegner kaputt“, schimpfte Labbadia.

Cunha meldete sich später am Abend auf seinem Twitteraccount zu Wort. Den Tweet hatte er offenkundig selbst verfasst und die Aufgabe nicht an eine Agentur delegiert, die solche Aufgaben übernimmt: „Hallo meine Herthafans, ich weiß, heute war kein guter Tag für uns, es gibt Leute, die viel reden, aber ich spiele wirklich für dich, für unsere Hertha und diejenigen, die wirklich helfen wollen! Ich werde mich verbessern und dir CUNHA zurückgeben!“

Der Brasilianer also gelobte Besserung, nachdem er seiner Mannschaft in Freiburg nicht hatte helfen können. Immerhin bekam Hertha das Spiel Ende der ersten Hälfte defensiv etwas besser unter Kontrolle. Trotzdem hatten die Gäste Glück, mit nur einem Tor Rückstand in die Pause zu gehen. Grifo vergab die Riesenchance zum 2:0, als er mit Ablauf der regulären Spielzeit allein vor Schwolow auftauchte. Er versuchte es mit einem Heber, konnte Herthas Torhüter aber nicht überwinden.

Hertha hatte nach der Pause sogar die Chance auf die Führung

Die Einwechslung von Javairo Dilrosun (für Cunha) und die nötige Seriosität führten in der zweiten Hälfte tatsächlich zu deutlich mehr Schwung im Auftritt der Berliner. Niklas Stark traf kurz nach Wiederanpfiff per Kopf die Latte, Dilrosun den Pfosten, und dazwischen erzielte Dodi Lukebakio mit seinem dritten Saisontor das 1:1. Es war, als hätte jemand Hertha in der Pause die Fußfesseln abgenommen. Aber die Hoffnung auf die Wende in diesem Spiel währte nicht lange, weil Freiburg nach einer knappen Stunde das 2:1 gelang; in „einer Situation, aus der du nicht unbedingt ein Tor machen musst“, wie sogar Christian Streich, der Trainer des Sportclubs, zugab.

Jordan Torunarigha, Herthas Innenverteidiger, leistete dabei entscheidende Hilfe. Er trat im eigenen Strafraum am Ball vorbei und bediente dadurch Ermedin Demirovic, der sein erstes Bundesligator erzielte. Bruno Labbadia an der Seitenlinie konnte es nicht fassen.

Manuel Gulde (nach einer Ecke) und Nils Petersen (mit einem von Deyovaisio Zeefuik verschuldeten Foulelfmeter) erhöhten sogar noch auf 4:1, obwohl sich Hertha bis zum Schluss mühte. Aber das war nach dem Auftritt in der ersten Hälfte auch das Allermindeste.

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