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Zwei Wege, ein Ziel: Vladimir Darida und Hertha BSC (links) wollen wie Davy Klaassen und Werder Bremen wieder nach oben.
© Carmen Jaspersen/dpa

Die Ruhe gegen den Sturm: Hertha BSC und Werder Bremen – ähnliche Sorgen, anderer Stil

Beide Klubs durchleben schwere Spielzeiten. Ihr Umgang damit unterscheidet sich jedoch gewaltig. Jetzt kommt es zum Schicksalsspiel.

Tief im Inneren ist Bremen wahrscheinlich immer noch ein bisschen verliebt. Verliebt in diesen 37-Jährigen, der mal sachlich-reserviert rüberkommt und im nächsten Moment schon wieder so herrlich emotional sein kann. Der Mann heißt Florian Kohfeldt, ist Trainer des Fußball-Bundesligisten Werder Bremen und im Moment in seinem Job, nun ja, nur mäßig erfolgreich.

Kohfeldt ist am Mittwoch mit seiner Mannschaft gegen Eintracht Frankfurt aus dem DFB-Pokal ausgeschieden, in der Bundesliga hat er zuletzt fünf Niederlagen hintereinander kassiert, und in den jüngsten vier Pflichtspielen blieb sein Team vier Mal ohne eigenes Tor. Der Abstieg aus der Bundesliga, es wäre der erste seit exakt 40 Jahren, wird immer wahrscheinlicher. Aber Florian Kohfeldt, der Trainer, wird zumindest bei Werder und in Bremen nicht in Frage gestellt.

Bei Werder trauen sie Florian Kohfeldt den Klassenerhalt zu

In diesen schweren Tagen und Wochen wird ein Werder-Grande nach dem anderen hervorgezerrt und zu der kniffligen Situation vernommen. Im Grunde äußern sich alle – ob Per Mertesacker, Klaus Allofs oder Ehrenpräsident Klaus-Dieter Fischer – ähnlich wie der frühere Manager Willi Lemke jüngst bei Sky, der gefragt wurde, ob Werder mit Kohfeldt noch den Klassenerhalt schaffe. „Ich traue ihm das absolut zu“, hat Lemke geantwortet. „Er zeigt für mich auch noch keine erkennbaren Schwächen.“

In diesen schwierigen Wochen steht die Werder-Familie zusammen. „In der Stadt ist eine unheimliche Geschlossenheit zu spüren“, sagt auch Alexander Nouri, der früher selbst einmal Teil der Werder-Familie war: als Jugendspieler, kurze Zeit als Profi, dann als Spieler und Trainer der U 23 und zuletzt auch als Coach des Bundesligateams.

Nouri, seit dem unrühmlichen Abgang von Jürgen Klinsmann Cheftrainer von Hertha BSC, wohnt mit seiner Familie in Weyhe, unmittelbar vor den Toren Bremens. Mit den Begebenheiten bei und rund um Werder ist er noch bestens vertraut. „Die handelnden Personen legen ein gegenseitiges Vertrauen an den Tag. Man wird sehen, wo das hinführt“, sagt er über die Situation bei seinem ehemaligen Verein. „Aber diese Geschlossenheit hilft mit Sicherheit.“

Nichts zu lachen: Alexander Nouri braucht gegen Werder Bremen dringend einen Sieg. Seinen ehemaligen Arbeitgeber würde er damit tiefer in die Krise stürzen.
Nichts zu lachen: Alexander Nouri braucht gegen Werder Bremen dringend einen Sieg. Seinen ehemaligen Arbeitgeber würde er damit tiefer in die Krise stürzen.
© Bernd Thissen/dpa

Bis Ende Oktober 2017 war Nouri Cheftrainer der Bremer, dann wurde er von Florian Kohfeldt abgelöst. An diesem Samstag nun (15.30 Uhr, live bei Sky) führt das Schicksal beide im Olympiastadion wieder zusammen – in einem Spiel, das für beide schicksalhaft werden könnte.

„Ich bin mir sehr sicher, dass wir da gewinnen werden“, hat Kohfeldt bereits unmittelbar nach dem Pokalaus bei der Eintracht verkündet. Vielleicht weil er sich die Folgen eines anderen Spielausgangs in Berlin erst gar nicht ausmalen möchte. Der Tabellenvorletzte muss langsam mal anfangen zu punkten, wenn er nicht vorzeitig die Hoffnung auf den Klassenerhalt verlieren möchte.

Bei einer Niederlage könnte es für Alexander Nouri ungemütlich werden

Hertha wiederum hätte mit einem Sieg die Gelegenheit, sich der Abstiegssorgen schon jetzt weitgehend zu entledigen. Umgekehrt könnte es bei einer Niederlage noch einmal ungemütlich werden. Vor allem für Alexander Nouri. Herthas Trainer ist in der Pressekonferenz vor dem Spiel explizit gefragt worden, was er sich von den besonderen Bremer Begebenheiten wünsche. „Jede Stadt, jede Mannschaft, jede Situation ist unterschiedlich“, antwortete Nouri. „Ich bin kein Freund davon, Vergleiche anzustellen.“

Zumindest sind beide Klubs mit ähnlichen Ansprüchen, mit Ambitionen Richtung Europapokal, in die Saison gestartet. Die Unterschiede liegen vor allem im Umgang mit den enttäuschten Hoffnungen. Was in der Wohlfühloase Werder womöglich an Reibung fehlt, hatte Hertha in dieser Saison zu viel. Die Unruhe war ein ständiger Begleiter des Teams, und das nicht erst seit dem tösenden Abgang von Jürgen Klinsmann. Während sogar viele Werder-Fans der romantischen Vorstellung anhängen, dass ihr Klub nach einem Abstieg mit Florian Kohfeldt den direkten Wiederaufstieg schafft, ist die Halbwertszeit der Cheftrainer in Berlin deutlich geringer.

Skeptisch: Trainer Florian Kohfeldt hat mit Werder Bremen zuletzt wenig Erbauliches erlebt.
Skeptisch: Trainer Florian Kohfeldt hat mit Werder Bremen zuletzt wenig Erbauliches erlebt.
© Uwe Anspach/dpa

Hertha BSC ist gewissermaßen das Anti-Werder, dauererregt, aktionistisch und ein wenig erratisch. Mit Alexander Nouri beschäftigen die Berliner bereits den dritten Cheftrainer in dieser Saison, nachdem sich zuvor bereits Ante Covic und Jürgen Klinsmann versuchen durften. Entscheidend vorangekommen ist die Mannschaft allerdings nicht. Aus den ersten sieben Spielen der Rückrunde holte Hertha acht Punkte – in der Vorrunde waren es in den gleichen Begegnungen unter Covic immerhin zehn.

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Anders als in Bremen bei Kohfeldt gibt es bei Hertha durchaus Zweifel an Alexander Nouri. Nicht erst seit dem vergangenen Wochenende, als die Mannschaft beim Auswärtsspiel in Düsseldorf massiv in seine Kompetenzen eingriff. Die Aufholjagd nach der Pause begleitete Nouri nahezu regungslos. Den emotionalen Part hatte er in der Halbzeit an Torhüter Thomas Kraft outgesourced. Und die personellen Umstellungen zur Pause traf er in Abstimmung mit den Führungsspielern. Manche sagen auch: auf Empfehlung der Führungsspieler.

Liebe ist es nicht, was Hertha BSC für Alexander Nouri empfindet. Seinen Job verdankt er eher einer rationalen Güterabwägung: Manager Michael Preetz will im Sommer einen renommierten und namhaften Trainer verpflichten, der dem Projekt Big City Club neuen Schwung verleihen soll. Bis dahin muss Alexander Nouri nur die Zeit überbrücken und verhindern, dass Hertha noch einmal ernsthaft in Abstiegsgefahr gerät. Diese Sorge immerhin hätte Florian Kohfeldt im Moment vermutlich auch ganz gern.

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