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Jeder darf mal. Bei Hertha BSC herrscht ein großer Durchfluss. Wer heute spielt, sitzt morgen auf der Bank – und umgekehrt.
© dpa

Vor dem Spiel gegen Werder Bremen: Hertha BSC und die Suche nach einem Gerüst

Nichts ist bei Hertha so beständig wie der Wechsel. Auch gegen Werder Bremen wird es wohl Veränderungen geben.

Seitdem Alexander Nouri verantwortlicher Cheftrainer von Hertha BSC ist, hat sich ein bisschen was geändert in der Trainingsgestaltung. Nouri lässt seinen Kader nun einmal die Woche auf großem Feld zum Elf-gegen-Elf antreten. „Das ergibt eigentlich Sinn“, sagt Nouri: um nämlich taktische Dinge einzuüben, den Spielern zu zeigen, wo sich Räume ergeben und wie der Gegner anzulaufen ist.

Bei einem seiner Vorgänger, bei Hans Meyer in der Saison 2003/04, zählte das Elf-gegen-elf (in Meyers Diktion Ölf-gegen-Ölf) fest zum Wochenplan. Meyer ließ in der Regel die vermeintliche A-Elf gegen die Reservisten antreten. Das ist bei Nouri anders. Rückschlüsse auf die Aufstellung am kommenden Wochenende sind schwierig. Es wird munter gewechselt, sowohl taktisch als auch personell. Man könnte also sagen: Nouris Elf gegen elf orientiert sich eng an der Praxis.

30 Spieler hat Hertha BSC bislang eingesetzt

Denn nichts ist bei Hertha in dieser Saison so beständig wie der Wechsel. Das betrifft nicht nur die Besetzung der Trainerposition, sondern auch die der Mannschaft. Keiner der 18 Fußball-Bundesligisten hat in dieser Saison so viele Spieler eingesetzt wie Hertha. 30 sind es bisher. Dahinter folgen mit je 29 Spielern Hoffenheim und Werder Bremen, Herthas nächster Gegner am Samstag. Auch anhand solcher Zahlen kann man ablesen, dass es um Hertha in dieser Saison nicht besonders gut bestellt ist. In der vorigen Saison war Hannover 96 das Team mit den meisten eingesetzten Spielern (32); in dieser Saison spielt 96 in der Zweiten Liga.

Früher galt es als Qualitätsausweis, dass ein Trainer aus den Möglichkeiten seines Kaders möglichst schnell einen stabilen Stamm herausschält. Das hat sich ein wenig verändert. Flexibilität ist gefragt. Von einem modernen Trainer wird erwartet, dass er adäquat auf die Herausforderungen seines Gegenübers reagiert, nicht nur vor dem Spiel, sondern auch im Spiel.

Legendär ist in diesem Zusammenhang, wie der damalige Schalker Trainer Domenico Tedesco einmal das Reiz-Reaktions-Schema nach einem Duell mit dem Hoffenheimer Julian Nagelsmann, dem Großmeister taktischer Änderungen, erklärt hat: „Im zweiten Durchgang hat Hoffenheim auf 3-4-3 umgestellt, so dass unsere alleinige Zehn es nicht geschafft hat, die Doppel-Sechs unter Druck zu setzen. Deshalb haben wir uns relativ zügig auch für 3-4-3 entschieden. Gegen Ende hatte Hoffenheim dann noch die Umstellung auf 4-3-3. Wir haben auf 5-2-2-1 umgestellt.“

Da lang: Alexander Nouri bestimmt über Herthas Geschicke.
Da lang: Alexander Nouri bestimmt über Herthas Geschicke.
© Bernd Thissen/dpa

Bei aller Flexibilität: Gerade kriselnde Teams brauchen ein Gerüst, an dem sie sich festhalten können, wenn sie vor allem mit sich selbst beschäftigt sind. Das hat auch Jürgen Klinsmann erkannt, der nach seinem Debüt als Hertha-Trainer gesagt hat, dass die Spieler ein bisschen zur Ruhe kommen müssten, „damit die Jungs sich finden und einen Rhythmus aufnehmen können“. Zum nächsten Spiel änderte er die taktische Grundordnung und nahm drei personelle Wechsel vor.

Die Trainer kommen und gehen, eins aber bleibt: die Fluktuation im Team. Zwei Drittel der Saison sind vorüber, aber noch immer folgt die Suche nach einer Stammelf dem Prinzip „Versuch und Irrtum“. Weder Ante Covic noch Klinsmann noch Nouri haben in der Bundesliga zweimal hintereinander mit der gleichen Startelf begonnen. Covic nahm im Schnitt 2,2 personelle Wechsel pro Spiel vor, bei Klinsmann waren es 2,5, und seit dem Wochenende führt Nouri die interne Tabelle mit 4,3 Wechseln pro Spiel deutlich an.

Boyata ist für das Spiel gegen Bremen fraglich

Gegen Fortuna Düsseldorf nahm er gleich sieben Veränderungen vor, unter anderem auf der Torhüterposition. Nach der 0:5-Heimniederlage gegen den 1. FC Köln eine Woche zuvor hatte Nouri das Gefühl und das Bedürfnis, „schon ein paar Dinge zu verändern“. Das Ergebnis war ein 0:3-Rückstand zur Pause, weswegen Herthas Trainer schon zur zweiten Halbzeit zwei weitere Male wechselte. Marius Wolf und Maximilian Mittelstädt kehrten in die Mannschaft zurück, also exakt die beiden Spieler, die für ihren Auftritt gegen die Kölner besonders viel Kritik abbekommen hatten.

Beim Elf-gegen-Elf im Training am Mittwoch bot Nouri mehr oder weniger die Mannschaft auf, die vorigen Freitag nach der Pause aus dem 0:3 gegen Düsseldorf nach der Pause noch ein 3:3 gemacht hatte. Anstelle von Per Skjelbred, der aus Gründen der Belastungssteuerung individuell trainierte, spielte Santiago Ascacibar, und der angeschlagene Dedryck Boyata wurde von Niklas Stark ersetzt.

Ob Boyata rechtzeitig zum Spiel gegen den Tabellenvorletzten Bremen fit wird, ist noch fraglich. „Wir haben noch einen Funken Hoffnung“, sagte Alexander Nouri. Allerdings müsste der belgische Innenverteidiger am Donnerstag wieder ins Training einsteigen, damit er am Samstag eine Option für die Startelf ist. Sonst passiert das, was in dieser Saison ständig passiert: Es wird munter gewechselt.

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