Diskussion auf der Mitgliederversammlung: Hertha BSC und die selbstverschuldeten Fehltritte
Auf Herthas digitaler Mitgliederversammlung dreht sich vieles um das Trainer-Wirrwarr der Saison. Ein eigenes Stadion bis 2025 ist eher nicht in Sicht.
Werner Gegenbauer schaute anfangs noch etwas unsicher in Runde, dann aber bekam er das Zeichen aus der Regie, dass die Leitung steht und er, der Präsident von Hertha BSC, auf Sendung ist. „Hertha BSC schreibt Rechtsgeschichte und führt die allererste digitale Mitgliederversammlung eines e. V. durch“, sagte der 69-Jährige. In der Spitze hatten am Sonntagmittag etwas mehr als 1700 der 37.500 Vereinsmitglieder bei der virtuellen Versammlung zugeschaltet.
Neben Gegenbauer saßen einige Herren in gebührenden Abstand vor einer blauen Wand, darunter auch die beiden Geschäftsführer Michael Preetz (Sport und Kommunikation) und Ingo Schiller (Finanzen). Bereits im Vorfeld hatte Hertha mitgeteilt, dass die eigentlich anstehende Präsidiumswahl auf die nächste Versammlung im November verschoben ist. Auch die Ehrungen der verstorbenen Mitglieder wurden auf die kommende Präsenzversammlung verschoben. Sollte eine solche, also mit Publikum, im November nicht möglich sein, wird es dann trotzdem eine Neuwahl des Präsidiums geben, sagte Gegenbauer.
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Hinter Hertha liegen turbulente Monate. Sportlich scheint der Klub nach zwei Siegen seit dem Re-Start der Bundesliga die Kurve zu kriegen. Bruno Labbadia ist der vierte Trainer in dieser unterbrochenen Spielzeit. Allein dieser Umstand verdeutlicht, dass es sich für den Charlottenburger Bundesligisten um eine an Fehleinschätzungen und Peinlichkeiten reiche Spielzeit handelt, eine, die dem Verein bisweilen der Lächerlichkeit preisgab.
Viele Fragen der Mitglieder, die vorab eingereicht werden konnten, drehten sich um die kurze und heftige Zusammenarbeit mit Jürgen Klinsmann, der im Spätherbst ins Traineramt gekommen war und im Februar aus selbigem wieder türmte. „Wir hatten durch ihn eine sehr hohe mediale Aufmerksamkeit, von der wir profitiert haben“, sagte Preetz, dann habe es „am Ende auch einen Knall“ gegeben. „Deshalb schauen wir mit gemischten Gefühlen auf diese Zeit zurück.“
Das Trainer-Wirrwarr und eventuelle Konsequenzen für den Geschäftsführer Sport waren für die Mitglieder ein zentrales Thema. Preetz wird zufrieden gewesen sein, dass die Mitglieder nicht physisch anwesend sein durften. Unter normalen Umständen wäre es bei seinen Ausführungen vermutlich turbulent geworden. Immerhin räumte Preetz „selbstverschuldete“ Fehltritte sein. So aber gab es keine vernehmbaren Unmutsbekundungen der Mitglieder wie Zwischen- oder Buh-Rufe. Über 500 Fragen liefen in kurzer Zeit beim Versammlungsleiter online ein. Sie werden dann im Nachgang schriftlich beantwortet werden.
Trainer Labbadia wurde für ein kurzes Statement zugeschaltet
Umso mehr hob Preetz die Arbeit Bruno Labbadias hervor, der für ein kurzes Statement zugeschaltet wurde. „Was für ein Einstand“, sagte Preetz. Hertha hatte nach der neunwöchigen Unterbrechung das Spiel bei der TSG Hoffenheim 3:0 und das Derby gegen den 1. FC Union 4:0 gewonnen. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagte Preetz mit Blick auf die noch sieben ausstehenden Spiele.
Wirtschaftlich steht Hertha trotz der Coronavirus-Krise vergleichsweise gut da. „Das hat ganz viel mit der strategischen Partnerschaft mit der Tennor- Gruppe zu tun, das ist der entscheidende Faktor“, sagte Finanzgeschäftsführer Schiller. Das Unternehmen von Lars Windhorst hat im vergangenen Jahr in zwei Tranchen für insgesamt 224 Millionen Euro 49,9 Prozent an der Hertha BSC Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) erworben.
Durch den Einstieg des Investors ist das Eigenkapital der KGaA im Geschäftsjahr 2019 von 12,6 Millionen auf 182,5 Millionen Euro gestiegen. Zugleich hat Hertha das Barvermögen von 3,2 Millionen Euro auf 109 Millionen erhöht. „Wir blicken zuversichtlich in die Zukunft“, sagte Schiller und führte aus, dass der Verein bis jetzt den Käufern von Tages- und Dauertickets in Höhe von 1,2 Millionen Euro zurückerstattet habe.
Eine konkrete Etatplanung für die kommende Spielzeit sei derzeit nicht möglich. In der Planung gehe man davon aus, auch in der Hinrunde der neuen Saison in einem leeren Olympiastadion spielen zu müssen. Dies würde dann zu einer Einbuße von sieben Millionen Euro führen.
Fragen gab es auch zum Thema Stadion-Neubau. In den vergangenen zwei Monaten habe man nicht den Fokus darauf richten können. „Die Frage nach dem Standort ist final nicht beantwortet“, sagte Schiller, auch das angepeilte Datum der Fertigstellung im Sommer 2025 „ist unwahrscheinlicher geworden“. Hertha hoffe immer noch, ein neues, reines Fußballstadion auf dem Gelände des Olympiaparks in der Nähe zum Olympiastadion bauen zu dürfen. „Es gibt keinen Plan B“, sagte Schiller.