Auswärtsspiel bei Bayern München: Hertha BSC: Mitchell Weiser verzweifelt gesucht
Mitchell Weiser ist einer der besten Fußballer bei Hertha BSC. Doch in dieser Saison sucht er noch seine Topform - gegen Bayern wird er erst einmal auf der Bank sitzen.
Mitchell Weiser ist dieser Tage von der Medienabteilung seines Arbeitgebers einvernommen worden. Der Fußballprofi von Hertha BSC sollte vor der Kamera diverse Entweder-oder-Fragen beantworten, unter anderem „Startelf oder Jokertor?“. Weiser hat sich für Startelf entschieden. Das ist nicht ungewöhnlich, weil man in solchen Situationen eher für das votieren wird, was einem unerreichbar erscheint. Und ein Jokertor ist für den 23-Jährigen aktuell wahrscheinlicher als ein Einsatz in Herthas Startelf.
An diesem Samstag tritt Weiser mit dem Berliner Bundesligisten bei den Bayern an. Solche Spiele liebt er, nicht nur, weil er selbst auf eine, wenn auch kurze, Vergangenheit beim Rekordmeister zurückblicken kann. Weiser reizen die Duelle mit den Großen, und er selbst ist ja davon überzeugt, dass er noch einmal für einen Klub der Kategorie Bayern München spielen wird. Im Moment aber reicht es nicht einmal, um gegen die Bayern zu spielen. Weiser wird am Samstag zum fünften Mal hintereinander nicht in der Startelf stehen. „Er muss sich erst einmal selber finden“, sagt Herthas Trainer Pal Dardai.
Anfang dieser Woche hat Weiser wieder zwei Tage mit dem Training aussetzen müssen, nachdem er sich gegen Mainz am Sprunggelenk verletzt hatte. Solche Blessuren ziehen sich bei ihm durch die ganze Saison. Mal zwickt der Muskel, mal schmerzt das Sprunggelenk, „mal trainiert er, mal nicht“, sagt Dardai.
Pal Dardai: "Es fehlt etwas"
Mag sein, dass das Spätfolgen des Sommers sind, als Mitchell Weiser mit der U 21 Europameister geworden ist, dank eines Kopfballtores im Finale von – Mitchell Weiser. Pal Dardai aber ist eine solche Erklärung zu einfach. Für Herthas Trainer hat die jüngste Blessur, wenn man ihn richtig verstanden hat, auch etwas mit fehlender Cleverness zu tun. Dass Weiser gegen Mainz einen Tritt gegen das Sprunggelenk bekommen hat, wird man ihm erst einmal nicht vorwerfen können. Dardai aber findet, dass das auch an falschen Entscheidungen auf dem Feld liegen könne. Wenn man schon im Mittelfeld ins Dribbling gehe, „kassierst du solche Sachen“, sagt der Ungar. Wenn man hingegen erst im letzten Drittel des Spielfelds das Eins-gegen-eins sucht, dann wird der Gegner behutsamer zu Werke gehen – weil er in der gefährlichen Zone vor seinem Tor nun mal keinen Freistoß riskieren will.
Es ist ein bisschen typisch für diese Saison, dass Weiser nicht immer die richtige Entscheidung trifft. „Es fehlt etwas: die Power, die Kraft. Und das Eins gegen eins sieht momentan auch nicht so ordentlich aus“, sagt Dardai. So mitreißend wie in den vergangenen beiden Jahren ist Weisers Spiel in dieser Saison nicht, und auch seine Leistungsdaten fallen weniger spektakulär aus als in der Vergangenheit. In 26 Pflichtspielen sind ihm bisher zwei Tore und zwei Assists gelungen. In der vergangenen Saison waren es in 22 Spielen vier Tore und sechs Assists und 2015/16 in 33 Spielen zwei Tore und acht Assists. „Wir suchen noch den Mitchell Weiser, der hier Leistungsträger war“, sagt Herthas Trainer.
Im Sommer 2015 ist Weiser ablösefrei aus München nach Berlin gekommen. Es war keineswegs so, dass der Wechsel damals ungeteilte Begeisterung ausgelöst hätte. Aber Weiser hat alle Kritiker längst widerlegt – anders als Sinan Kurt, dessen Biografie einige Parallelen zu der Weisers aufweist. Beide sind als Teenager aus ihren Heimatklubs und ohne nennenswerte Profierfahrung nach München gewechselt; beide haben sich bei den Bayern nicht durchsetzen können, und beide haben sich für Hertha entschieden, um ihre Karriere noch einmal in Schwung zu bringen.
Weiser sucht die alte Leichtigkeit
Doch während Sinan Kurt derzeit an einem geheimen Ort eine Art Einzeltrainingslager absolvieren muss, hat Weiser seine zweite Chance in Berlin auf beeindruckende Weise genutzt. Er ist bei Hertha auf Anhieb zum Leistungsträger aufgestiegen. Sein Spiel hat in den besten Momenten etwas Unwiderstehliches, es ist dynamisch und zielorientiert. Und den Ruf, ein Hallodri zu sein, hat Weiser ebenfalls widerlegt. Seit einiger Zeit ernährt er sich vegan, weil er das Gefühl hat, dass es ihm gut tue – auch das ein Indiz für seine Ernsthaftigkeit.
Im Moment aber bringt Weiser die Leichtigkeit nicht auf den Rasen. Gegen Mainz wurde er zu Beginn der zweiten Hälfte beim Stand von 0:1 eingewechselt, um dem Spiel noch eine Wende zu geben. „Ich habe nicht gespürt, dass sich etwas geändert hat“, sagte Dardai. Überrascht hat ihn das nicht: „Ich habe ihn im Training genauso gesehen wie im Spiel. Es ist unsere Aufgabe, ihn wieder in die richtige Spur zu bringen.“
Weisers Auftritt fehlt derzeit die Selbstverständlichkeit. Zweikampfführung, Passquote, Mut, Selbstvertrauen – für all das brauche man Spielpraxis, erklärt Dardai. Doch um regelmäßig zu spielen, muss man fit sein. Und fit wiederum ist man nur, wenn man regelmäßig trainiert. Daran mangelt es bei Weiser. „Er muss sich erst mal daran gewöhnen, drei Monate zu trainieren“, sagt Dardai. „Das wäre gut für seinen Körper und für seine Karriere. Sonst wird es schwierig für ihn, Leistungsträger zu sein.“ In dieser Woche ist Weiser auf gerade drei Trainingstage am Stück gekommen. Für einen Startelfeinsatz gegen die Bayern ist das zu wenig; für einen Platz im Kader reicht es trotzdem. „Natürlich ist er dabei“, sagt Dardai. „Für ein paar Minuten kann er uns helfen.“