Möglicher Stadionumzug: Hertha BSC: Keine Fakten, kein Dialog
Herthas Mitglieder sind gegen einen Wegzug aus Berlin. Die Stadiondebatte schürt bei den Fans Ängste und Wut.
Eine Dame, vielleicht halb so alt wie der Verein, kann gar nicht genug kriegen von Hertha BSC. Vor einer Woche, so erzählt sie am Montag in Messehalle 11, sei sie schon bei einer Art vorgelagerter Mitgliederversammlung des 124 Jahre alten Vereins gewesen, die auf den Namen „Hertha im Dialog“ hört. Nun sei sie auch zur richtigen Mitgliederversammlung gekommen, die Stadiondebatte treibe sie seit Tagen um. Sie steht an einem der zwei Saalmikrofone, hat einen Spickzettel mit, braucht ihn aber nicht. Sie wundere sich, warum die Vereinsführung gar keinen Dialog mit den Mitgliedern führen möchte, ob die denn überhaupt ein neues Stadion wünschen. „Ich habe den Eindruck, dass Sie diesem Dialog ausweichen“, sagt sie mit fester Stimme.
Das wiederum kann Werner Gegenbauer so nicht auf sich sitzen lassen. „Wir haben Architekten beauftragt, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen. Die wird im Januar oder Februar vorliegen. Und dann werden wir reden müssen. Und zwar ernsthaft“, sagt Herthas Präsident und wiederholt seine Aussage von vor sieben Tagen. Handfestes kann er auch an diesem Abend den gut 1200 anwesenden Mitgliedern nicht sagen. Man werde dann in den Dialog treten, wenn es grundlegende Fakten gebe. „Die liegen noch nicht auf dem Tisch“, sagt Gegenbauer.
Der 66-Jährige sagt dann noch, dass man ja auch beachten müsse, in welchem Zustand das Olympiastadion bei Ablauf des Mietvertrages mit dem Senat (2025) sein werde. „Kein einziger Pfennig“, sagt er leicht erregt, sei im Senatshaushalt dafür vorgesehen. „Da gehen wir im Februar mal richtig in die Tiefe.“
Selbst Hertha-Fans aus Brandenburg sind gegen einen Umzug
Zuvor wirbt Bernd Schiphorst um Verständnis: „Wir alle lieben das Olympiastadion, jeder weiß aber auch: Ein modernes Stadion sieht anders aus“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende. Hier erwachse dem Verein ein Wettbewerbsnachteil. „Am besten wäre – und wir werden alles daran setzen –, eine Lösung auf dem Olympia-Gelände zu finden.“ Applaus auf offener Szene. Aber, so führt Schiphorst weiter aus: „Wir müssen Alternativen prüfen, egal, ob in Berlin oder im Umland.“ Dafür erntet Schiphorst Buh-Rufe. Einer brüllt: „Geh nach Hause!“
Auch wenn es keine neuen Fakten gibt, so schürt die Stadiondebatte, vor allem ein eventueller Umzug jenseits der Berliner Stadtgrenze, Ängste und Wut. „Ich finde es nicht in Ordnung, dass man uns die Heimspielstätte nehmen will“, sagt ein sichtlich vergnatzter Mann, der im Hertha-Trikot erschienen ist. Bereits am Vortag hatte es eine kleine Einstimmung auf die Mitgliederversammlung gegeben. Beim Bundesliga-Sonntagsspiel gegen den FSV Mainz (2:1) wurde ein Banner in der Ostkurve gezeigt, auf dem stand: „Bevor Ihr Hertha ins Umland verschleppt, jagen wir Euch in die Wüste!“
Preetz versucht zu beschwichtigen
Gerade die Fans der Ostkurve machen Front gegen den die Neubaupläne. Ein Mitglied ruft in die hallende Messe: „Ostkurve im Umland – ohne uns!“ Unmut auch bei einem Mitglied aus Neukölln. „Das Stadion von Hertha gehört nach Berlin, nicht nach Brandenburg.“ Für den Fall eines Umzugs werde er seine Mitgliedschaft und die Dauerkarte abgeben. Selbst Hertha-Mitglieder aus Brandenburg artikulieren am Montagabend ihre Abneigung eines Umzugs in ihr Bundesland. „Also, ich brauche kein neues Stadion“, sagt ein Herr aus Neuruppin.
Michael Preetz erklärt, die Emotionalität der Anhänger verstehen zu können: „Wir wollen niemanden ärgern, aber uns geht es darum, den Verein für die Zukunft aufzustellen“, sagt der Manager. „Deshalb machen wir uns Gedanken, was aber nicht heißt, dass wir morgen beginnen, ein neues Stadion zu bauen.“
Die Reihen haben sich gelichtet, in der Vorhalle gibt es Bier. Ein Mitglied steht noch am Saalmikro: „Hertha und das Olympiastadion sind für mich wie eineiige Zwillinge.“
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