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Och nee! Herthas Mannschaft schafft es immer wieder, ihre Trainer Bruno Labbadia negativ zu überraschen.
© imago images/Contrast

Es wird ernst für Trainer Bruno Labbadia: Hertha BSC ist wieder am Nullpunkt angekommen

Das Heimspiel gegen Werder Bremen war vor einem Jahr das letzte vor der Coronapause. Seitdem ist Hertha BSC nicht entscheidend vorangekommen.

Das Fußballfachmagazin „Kicker“ hat in dieser Woche zwei Männer jenseits der 50 auf seinen Titel genommen. Beide schauen recht gequält aus der Wäsche, vielleicht auch verkniffen oder verunsichert. Aber wie soll man auch sonst gucken, wenn man in verantwortlicher Position bei Hertha BSC tätig ist?

Es sind nun mal keine vergnüglichen Zeiten für Michael Preetz, den Manager des Berliner Bundesligisten, und dessen Trainer Bruno Labbadia. Der „Kicker“ hat das mit der Überschrift „ENDSPIEL für Labbadia“ zum Ausdruck gebracht. Ganz ohne Fragezeichen übrigens.

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Geschichte könnte sich also wiederholen, wenn die kriselnde Hertha an diesem Samstag (18.30 Uhr, live bei Sky) im Olympiastadion auf Werder Bremen trifft. Die Partie war schon für Labbadias Vorgänger Alexander Nouri das Endspiel; das letzte, bei dem er als Cheftrainer der Berliner auf der Bank sitzen durfte. Dass dies nicht so wahrgenommen wurde, hat etwas mit den besonderen Umständen dieser Begegnung zu tun.

Wie die meisten Gastspiele von Werder in Berlin, so ist auch das am 7. März 2020 vergleichsweise gut besucht. 58.028 Zuschauer sind im Olympiastadion. Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand weiß: Es wird für beide Mannschaften nicht nur das letzte Spiel für neun Wochen sein – es ist für beide auch bis heute das letzte mit richtig vollen Rängen. Ein paar Tage später wird der Spielbetrieb wegen der Coronavirus-Pandemie erst einmal gestoppt.

Für Alexander Nouri war nach Bremen Schluss

Herthas Trainer Nouri steht schon vor dem Aufeinandertreffen mit seinem früheren Klub Werder Bremen in der Kritik. Es war von vornherein klar, dass er als Nachfolger von Jürgen Klinsmann nur bis zum Saisonende einspringt. Aber inzwischen ist nicht mal sicher, ob er so lange durchhält.

Das Heimspiel gegen den Abstiegskandidaten Köln ist 0:5 verloren gegangen, beim Abstiegskandidaten Düsseldorf liegt Hertha zur Pause 0:3 zurück. Und dass die Mannschaft noch zum 3:3 ausgleicht, liegt weniger an den Geistesblitzen ihres Trainers, sondern an der Intervention von Torhüter Thomas Kraft, der seine Kollegen in der Pause verbal durchrüttelt.

Die Bremer kommen an diesem 7. März 2020 als Vorletzter der Tabelle, haben die jüngsten fünf Spiele in der Bundesliga alle verloren und in den vorangegangenen acht Begegnungen gerade mal zwei Tore erzielt.

Im Olympiastadion gegen Hertha brauchen sie für zwei Tore nur fünf Minuten. Wieder liegen die Berliner früh zurück, und wieder schaffen sie am Ende immerhin ein Unentschieden. Und doch reicht das 2:2 nicht, um die Zweifel an Nouri aus der Welt zu schaffen.

Werder Bremen spielt jetzt anders

Als Herthas Spieler vier Wochen später nach dem Corona-Lockdown das Training wieder aufnehmen, fehlt Nouri. Zwei Tage später verkündet der Verein, dass das auch so bleiben werde. Bruno Labbadia übernimmt. Als vierter Trainer nach Ante Covic, Jürgen Klinsmann und eben Nouri.

Manager Michael Preetz erklärt, dass die coronabedingte Unterbrechung „eine Art vorgezogene Sommerpause“ sei und man deshalb den ohnehin geplanten Trainerwechsel um einige Wochen vorgezogen habe.

Labbadia passt laut Preetz „perfekt zu Hertha BSC und unseren Zielen“. Mit ihm bekomme man einen Trainer, „der gezeigt hat, dass er Teams stabilisieren und entwickeln und im nächsten Schritt in obere Tabellenregionen führen kann“.

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Zumindest Teil eins erfüllt sich. „Die Entwicklung war bis zu Saisonende sicherlich eine positive“, sagt Preetz heute. Mit dem neuen Trainer gewinnt Hertha drei der ersten vier Spiele. Aber eine Entwicklung, gar ein Schritt nach vorne? Darauf warten sie in Berlin bis heute vergebens. Hertha BSC ist längst wieder am Nullpunkt angekommen.

Die Mannschaft liegt genauso auf Platz 14 wie vor dem letzten Gastspiel der Bremer in Berlin (bei allerdings deutlich geringerem Abstand auf die Abstiegszone). 30 Punkte hat Hertha BSC aus den 26 Spielen unter Labbadia geholt. Werder kommt im selben Zeitraum auf 31 – und das obwohl die Bremer anders als Hertha im Sommer so gut wie kein Geld in neue Spieler investieren konnten.

Labbadia kann die Kritik verstehen

Florian Kohfeldt, Werders Trainer, hat bei Werder das geschafft, was Labbadia bisher nicht gelungen ist. Er hat die Mannschaft stabilisiert. Vor allem durch einen stärkeren Fokus auf die Defensive. Sein Vorgehen ist in Bremen nicht unumstritten, weil schöner, offensiver Fußball immer noch als Werders Markenkern angesehen wird. Aber der Erfolg gibt Kohfeldt recht. Unter der Woche bereitete seine Mannschaft dem Champions-League-Achtelfinalisten Borussia Mönchengladbach einige Probleme und verlor am Ende ein bisschen unglücklich mit 0:1. Tief verteidigen, schnell umschalten, gefährlich kontern – das ist im Moment das Bremer Spiel.

Bruno Labbadia orientiert sich bei seinen Vorstellungen eher am alten SV Werder. Aber mit aktivem Spiel, gepflegtem Spiel und dominantem Auftreten ist sein Team aktuell überfordert. Zuletzt blieb Hertha gegen die Abstiegskandidaten Bielefeld, Köln und Hoffenheim dreimal hintereinander torlos.

Trotz durchaus vorhandener individueller Qualität funktioniert Hertha nicht als Mannschaft. Die Gründe – komplizierter Transfersommer, Umbau des Kaders, fehlende Führungsspieler, keine klare Hierarchie – sind oft genug thematisiert worden, und trotzdem fällt der Zustand letztlich auf den Trainer und seine Arbeit zurück.

„Ich kann nachvollziehen, dass wir aufgrund der Ergebnisse immer mehr unter Druck sind. Das ist normal“, sagt Labbadia über die wachsende Kritik an seiner Person. Aber: „Ich geh‘ da nicht mit Angst rein.“

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