zum Hauptinhalt
Es ist nicht alles schlecht. Kurz vor Weihnachten stand die Mannschaft von Hertha BSC nach dem Sieg gegen Dortmund noch jubelnd vor der Ostkurve.
© imago images/Nordphoto

Nicht immer so negativ!: „Hertha BSC ist eine intellektuelle und emotionale Herausforderung“

Es läuft mal wieder nicht für Hertha BSC. Chris Robert, Fan des Vereins, sucht trotzdem das Gute. Auf Twitter betreibt er den Account „Hertha Positive“.

Chris Robert, 29, betreibt bei Twitter den Account „Hertha Positive“. Er ist in Berlin aufgewachsen und seit fast zwei Jahrzehnten Hertha-Fan. Inzwischen verfolgt er das Geschehen bei seinem Lieblingsklub als Exil-Herthaner vom Rheinland aus.

Herr Robert, hassen Sie uns?

Warum sollte ich das tun?

Weil den Medien gerne vorgeworfen wird, dass sie viel zu negativ seien und viel zu kritisch mit Hertha BSC umgingen.

Es ist ja nicht so, dass der Verein in den vergangenen Jahren besonders viel Positives geboten hat. Das schlägt sich natürlich auch in der Berichterstattung nieder. Die Medien machen ihren Job.

Sie hingegen betreiben bei Twitter den Account „Hertha Positive“ und verbreiten dort nur positive Nachrichten über Hertha BSC.

Ja, ich versuche tatsächlich, den Fokus auf die positiven Dinge zu richten. Aber das heißt ja nicht, dass ich einen journalistischen Anspruch damit verfolge. Ganz im Gegenteil. Ich zwinge mich einfach, die Dinge positiv zu sehen. Und nach dem Motto „Energie folgt der Aufmerksamkeit“ hoffe ich, dass dabei etwas Positives herauskommt: für mich, aber auch für andere, die dem Account folgen.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

Was war der Auslöser, diesen Account zu betreiben?

Ich habe in den vergangenen Jahren – wie vermutlich viele Fans – einfach unter der Lage bei Hertha gelitten. Das war schon ein ganzer Cocktail mit negativen Erfahrungen, mit Abstiegsangst, enttäuschten Erwartungen und hat mich emotional sehr mitgenommen. Eigentlich war ich jedes Wochenende schlecht gelaunt. Also habe ich mir gedacht: Ich muss mein Fandasein verändern, sonst ist das einfach nur belastend. Dass es ausgerechnet in der schwierigen Corona-Zeit viele positive Initiativen von Hertha-Fans gab, hat mich sehr inspiriert. Vor allem bei Hertha ist es so, dass man sich an der Fangemeinschaft erfreut. Die Fans sind fantastisch – und auch das, was die Fans machen. Ob es zum Beispiel „Hertha hilft“ ist oder die „Aktion Hertha-Kneipe“. Durch Corona fehlt gerade das im Moment.

Sie schreiben, dass der Account auch eine Form der Selbsttherapie sei. Es geht also um Ihr Seelenheil?

Genau. Damit nicht jedes Wochenende eine Folter ist und ich jeden Samstagabend schlecht gelaunt bin. Da muss man sich manchmal selbst ein bisschen austricksen.

Im August haben Sie mit „Hertha Positive“ angefangen – nach zwei Niederlagen zum Auftakt der neuen Saison.

Das war für mich der Moment, an dem ich festgestellt habe: Okay, diese Saison wird also mehr oder weniger so wie die letzte. Das wollte ich einfach nicht wieder erleben.

Hertha-Fan sein ist ein ewiger Strandurlaub. Zumindest für Chris Robert, der immer auf der Suche nach dem Positiven ist.
Hertha-Fan sein ist ein ewiger Strandurlaub. Zumindest für Chris Robert, der immer auf der Suche nach dem Positiven ist.
© Promo

Der Autor Klaus Ungerer twittert unter „Masochisten für Hertha“, es gibt einen Account namens Sorgenkind. Ist das Schlechtgelaunte und tendenziell Negative nicht gerade Teil der Hertha-DNA?

Ja, zwangsläufig. Weil Hertha chronisch erfolglos ist. Das hört sich jetzt fies an. Ich liebe diesen Verein natürlich, aber in den vergangen 20, 30, 40 Jahren waren wir nicht unbedingt gesegnet mit Erfolgen, mit Titeln und fantastischen sportlichen Höhepunkten. Deswegen habe ich tatsächlich das Gefühl, dass das Pessimistische ein bisschen in unserer DNA steckt. Andererseits ist man nach zwei, drei Siegen auch wieder superpositiv.

Ist es manchmal mehr Last als Lust, das Positive bei Hertha zu suchen?

Das ist wie in einer Therapie. Manchmal ist es leicht, das Positive zu finden, und manchmal muss man echt arbeiten. Bei manchen Spielen muss man schon ein bisschen länger nachdenken. Aber es macht auch Spaß, sich damit zu befassen.

Hertha ist also manchmal eine echte intellektuelle Herausforderung.

Definitiv. Intellektuell, aber auch emotional.

Nach der Niederlage gegen Köln am Wochenende haben Sie geschrieben, es sei positiv, dass Hertha nicht komplett zusammengebrochen sei. Lernt man als Hertha-Fan, sich auch an den kleinen Dingen zu erfreuen?

In solchen Situationen muss man das sogar. Nach dem Köln-Spiel ist es natürlich leicht zu denken: Jetzt geht alles wieder komplett bergab wie in der Hinrunde. Aber nach der Niederlage gegen Mainz haben das wahrscheinlich auch viele gedacht.

Nach dem 0:4 im Dezember.

Und vier Tage später haben wir Dortmund geschlagen. Ja, wir haben gegen Köln 1:3 verloren, aber letzten Endes war es eben absolut kein Spiel wie in Mainz, wo wir von Anfang bis Ende chancenlos waren.

Ihr Account hat knapp 600 Follower. Sind Sie damit zufrieden?

Das Ziel war nie, eine besonders große Zahl an Followern anzulocken. Es ist eher ein Experiment und, wie schon gesagt, eine Selbsttherapie. Manchmal schreiben mir Leute: „Die positive Botschaft in dieser düsteren Zeit habe ich gebraucht.“ Das freut mich total.

[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Es gibt also einen Markt für positive Nachrichten über Hertha BSC.

Ich weiß nicht, ob es einen Markt gibt. Aber es gibt auf jeden Fall Bedarf an positiven Nachrichten. Und ich finde, Herthas Mannschaft könnte durchaus mehr dazu beitragen.

Die Saison hat schon wieder einige Enttäuschungen bereitgehalten. Wann war es für Sie am schwierigsten, etwas Positives zu finden?

Bei diesen Riesenklatschen gegen Bayern und Leipzig habe ich schon gedacht: Wenn ich jetzt versuche, dem noch etwas Positives abzugewinnen, ist das fast schon eine Beleidigung für unsere Intelligenz. Das war wahrscheinlich die größte Herausforderung. Vor allem die zweite Klatsche in Leipzig war ganz fies. Aber wenn man mal ein bisschen zur Ruhe gekommen ist, findet man selbst nach solchen Spielen noch etwas.

Gab es in dieser Saison auch einen Moment, wo Sie definitiv keinen Bock hatten, etwas Positives zu suchen und zu schreiben?

Da gab es viele. Aber ich habe ja das Glück, dass ich nicht verpflichtet bin, etwas zu posten. Nach einigen Spielen habe ich mir gesagt: „Ich bin jetzt echt nicht in der Stimmung, das zu machen. Da kommt nix Gutes bei raus.“ Mit einer Nacht Abstand sieht es dann schon wieder anders aus.

Am Samstag steht das wichtige Spiel beim VfL Wolfsburg an. Können Sie drei Gründe nennen, warum Fans von Hertha BSC dieser Begegnung positiv entgegenblicken können?

Ja, kann ich. Der erste wäre, dass wir auf einen Gegner treffen, der gerade auch nicht in der stabilsten Lage ist. Man denkt ja oft, der eigene Verein sei der einzige, der Probleme hat. Tatsächlich haben auch andere Vereine Schwierigkeiten, die man ausnutzen könnte.

Wolfsburg hat die letzten acht Pflichtspiele verloren.

Zweites Argument wäre: Mit jedem Tag erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Spieler, die zuletzt nicht zur Verfügung standen, wieder dabei sind. Je voller der Kader, desto größer unsere Chancen.

Und drittens?

Wir haben im Moment die Situation, dass Hertha abwechselnd gut und schlecht spielt, gewinnt und verliert. Nach dem Gesetz der Serie müsste es gegen Wolfsburg also wieder einen Sieg geben.

Zur Startseite