Durch den Sieg gegen Borussia Dortmund: Hertha BSC beschert sich selbst ruhige Weihnachten
Beim 3:2 gegen Borussia Dortmund lässt Hertha BSC erstmals auch gegen einen starken Gegner Fortschritte erkennen. Darauf will die Mannschaft nun aufbauen.
Direkt nach dem Abpfiff und ein paar abbindenden Worten des Stadionsprechers wurde im Olympiastadion der Weihnachtsklassiker „All I want for Christmas…“ von Mariah Carey eingespielt. Das Lied beginnt mit der Zeile „I don’t want a lot for Christmas“, und geht im Weiteren darum, dass die Geschenke unterm Baum gar nicht wichtig seien, weil etwas anderes zähle.
Selten wohl hat die Stadionregie einen Song ausgewählt, der die allgemeine Stimmung besser getroffen hätte als dieser. Vergiss die Playstation, das neue Smartphone oder die neue Seidenkrawatte von der Schwiegermama! Schöner als an diesem nassgrauen Adventsabend im tristen Olympiastadion kann Weihnachten gar nicht mehr werden. Für die Fans von Hertha BSC hat die Bescherung schon sechs Tage vor Heiligabend stattgefunden, am 18. Dezember, um kurz vor halb neun, als Schiedsrichter Marco Fritz das Spiel gegen Borussia Dortmund beendete.
Es war ein kleines Weihnachtswunder, das die handverlesenen Anhänger der Berliner Hertha im Olympiastadion erlebten: einen 3:2-Sieg gegen den Tabellenzweiten Borussia Dortmund – und das nur vier Tage nach der deprimierenden 0:4-Niederlage in Mainz.
Wobei: Wunder? Im direkten Vergleich mit dem Auftritt unter der Woche mag Hertha ein weiteres Kapitel in der unendlichen Geschichte vom Berliner Wankelmut geliefert haben: Auf und nieder immer wieder. Nimmt man jedoch die vier Spiele unter dem neuen Trainer Tayfun Korkut, lässt sich inzwischen vielleicht tatsächlich so etwas wie ein Muster erkennen. „Tayfun macht es so, wie ich es erwartet habe“, sagte Herthas Sportgeschäftsführer Fredi Bobic, die treibende Kraft hinter dem Trainerwechsel.
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Sieben Punkte hat die Mannschaft aus diesen vier Spielen unter Korkut geholt. „In drei der vier Spiele haben wir schon sehr viele Ansätze gesehen, wo wir Hertha hinbringen und welche Art von Fußball wir spielen lassen wollen: mit sehr viel Spielfreude und einer großen Portion an Mut“, sagte der neue Trainer. „Grundsätzlich hat man gesehen, wie viel Freude in der Mannschaft stecken kann.“
Konnte man nach den Spielen in Stuttgart (2:2) und gegen Bielefeld (2:0) noch relativierend einwenden, dass es sich bei den Gegnern um den Fünfzehnten und den Siebzehnten der Fußball-Bundesliga gehandelt habe, so wurde dies nun dadurch relativiert, dass die Dortmunder immerhin erster Verfolger des FC Bayern München sind – auch wenn sie nicht so aussahen. „Egal gegen wen wir spielen, egal wie gut der Gegner auf der anderen Seite ist, egal welche Qualität er hat: Letztendlich müssen wir daran glauben, dass wir auch fußballerisch viele Akzente setzen können“, sagte Korkut.
Das ist der explizite Auftrag, den der neue Trainer von seinem Chef Bobic mitbekommen hat: der defensiven Grundhaltung, die von seinem Vorgänger Pal Dardai verkörpert wurde, einen offensiven Akzent entgegenzusetzen. Das taten Korkut und die Mannschaft gegen den BVB, selbst unter erschwerten personellen Bedingungen: Mit Dedryck Boyata, Suat Serdar und Stevan Jovetic fehlten den Berlinern drei Stammspieler, trotzdem verzagten sie nicht. „Wir haben nicht nur verteidigt und auf Konter gewartet, sondern selbst offensiv Akzente gesetzt“, sagte Maximilian Mittelstädt, der als Linksverteidiger für Marvin Plattenhardt in die Startelf gerückt war.
Korkut bescheinigte seinem Team guten Ballbesitz genauso wie eine überzeugende Arbeit gegen den Ball. Das Schreckgespenst Erling Haaland blieb beinahe unsichtbar, weil Hertha sehr offensiv verteidigte, das Spielfeld dadurch klein machte und die Zulieferdienste auf den norwegischen Stürmer der Dortmunder weitgehend unterband. Auch das muss man sich erst einmal trauen. „Was vielleicht das Wichtigste war, war die Reaktion auf das Spiel in Mainz“, sagte Korkut, „dass wir an die Idee, die wir seit dem ersten Tag in die Mannschaft reinbringen wollten, geglaubt haben, auch nach der Niederlage.“
Der eigentlich unmögliche Erfolg gegen den Tabellenzweiten beschert Hertha nun halbwegs geruhsame Weihnachten. Die 20-Punkte-Marke, die Korkuts Vorgänger Dardai für das Ende der Hinrunde anvisiert hatte, wurde im letzten Spiel vor der Winterpause tatsächlich noch übersprungen. „Wir wussten wie die Tabelle aussieht“, sagte Marco Richter, der die Tore zum 2:1 und 3:1 erzielt hatte, „nämlich sehr, sehr kritisch.“ Bei einer Niederlage hätte Hertha der Absturz auf den Relegationsplatz gedroht.
Platz elf sieht freundlicher aus, als noch vor wenigen Wochen vermutet
„Mit einem Sieg in die Winterpause zu gehen, ist immer sehr wichtig“, sagte Trainer Korkut. Durch diesen Sieg gegen den BVB hat sich seine Mannschaft einstweilen ins Mittelfeld vorgeschoben, auf Platz elf der Tabelle. Das sieht deutlich freundlicher aus, als man es vor wenigen Wochen noch vermutet hätte. Allerdings ist die Sicherheit trügerisch, weil die Abstände immer noch gering sind und auch Konkurrenten wie Arminia Bielefeld zuletzt außerplanmäßig gepunktet haben.
„Es gehört weiterhin ein sehr hohes Maß an Aufmerksamkeit dazu, der Glaube an das, was wir machen wollen“, sagte Korkut. Das Spiel gegen Dortmund, vor allem aber sein Ausgang, dürfte diesen Glauben jedoch gestärkt haben. Hertha muss sich selbst gegen vermeintlich übermächtige Gegner nicht zwingend verstecken.
Die bisherigen Spiele gegen die Champions-League-Teilnehmer hatten den Berliner allesamt und zum Teil sogar heftig verloren. Gegen den BVB gelang nun der erste Sieg. „Man hat gesehen, was möglich ist. Aber das heißt nicht, dass wir davon ausgehen können, dass das jede Woche abgerufen wird“, sagte Tayfun Korkut. „Wir müssen einfach die Wahrscheinlichkeit erhöhen.“