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Stammkräfte: Jordan Torunarigha, Matheus Cunha und Per Skjelbred (von links) standen unter Trainer Labbadia in jedem Spiel in der Anfangsformation.
© AFP

Die Zeit der exzessiven Wechsel ist vorbei: Hertha BSC hat endlich eine Stammelf

Nach all den Irrungen dieser Saison ist bei Hertha mit Bruno Labbadia Ruhe eingekehrt. In kurzer Zeit hat er eine Stammformation gefunden. Dem Team tut das gut.

So wie jeder Mensch anders ist, so hat vermutlich auch jeder Trainer seine eigenen Vorstellungen davon, wie die Arbeitsabläufe am besten zu organisieren sind. Bei Hertha BSC zum Beispiel ist es seit Ewigkeiten so, dass am Tag nach einem Spiel der Trainer vor dem sogenannten Auslaufen den Medien ein paar Minuten für Fragen zur Verfügung steht.

Seitdem Bruno Labbadia diesen Job ausübt, haben sich die Abläufe ein wenig geändert. Das liegt daran, dass der Tag nach dem Spiel für Herthas neuen Trainer zu den wichtigsten Terminen seiner Arbeitswoche zählt. Labbadia stellt sich erst nach der Trainingseinheit den Journalisten – weil seine volle Aufmerksamkeit zunächst jenen Spielern gelten soll, die tags zuvor nicht in der Startelf gestanden haben. Und das ist durchaus verständlich.

Seitdem Labbadia bei Hertha als Cheftrainer die Verantwortung trägt, hat es nicht nur prominente Namen erwischt, die sich mit der Rolle des Reservisten abfinden mussten – es hat vor allem fast immer dieselben erwischt. Das ist für die betroffenen Spieler, für jemanden wie Krzysztof Piatek zum Beispiel, vermutlich alles andere als leicht zu ertragen; für die Mannschaft als Ganzes aber erweist sich die neue Kontinuität, die Labbadia walten lässt, bisher als Segen.

Man könnte auch sagen: Hurra, nach vier Fünfteln der Saison hat auch Hertha jetzt endlich eine Stammelf gefunden! Und die Vermutung, dass dies einer der Gründe für die neue Stabilität des zuvor so wankelmütigen Teams sein könnte, ist ganz sicher nicht aus der Luft gegriffen.

Eine Stammelf hat es bisher nicht gegeben, und das hat es ein bisschen kompliziert gemacht“, sagt Labbadia mit Blick auf die Irrungen und Wirrungen in dieser Saison. 32 verschiedene Spieler hat Hertha bereits eingesetzt – mehr als jeder andere der 18 Bundesligisten. Zum Vergleich: Beim Tabellenvierten Borussia Mönchengladbach waren es bisher gerade mal 22.

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Vier verschiedene Trainer, vier verschiedene Sichtweisen auf das Spiel, vier verschiedene Bewertungen des Kaders – all das hat sich nicht zuletzt in der Fluktuation innerhalb des Teams bemerkbar gemacht. Ante Covic hat im Schnitt 2,2 personelle Wechsel von Spiel zu Spiel vorgenommen. Bei Jürgen Klinsmann waren es 2,5 und bei Alexander Nouri sogar 4,5.

Bruno Labbadia hingegen übt sich im Vergleich zu seinen Vorgängern in vornehmer Zurückhaltung. Nach seinem erfolgreichen Debüt gegen die TSG Hoffenheim ersetzte er lediglich Maximilian Mittelstädt durch den zuvor gesperrten Vladimir Darida. Weitere Veränderungen nahm er an seiner Startelf bisher nicht vor.

Diese Kontinuität tut Herthas Mannschaft gut. Sie hat dadurch ein gewisses Zutrauen in ihr eigenes Tun gefunden, sie weiß, was in bestimmten Situationen von ihr gefragt ist, und sie tritt, gerade im Spiel gegen den Ball, deutlich geschlossener auf, als es zuvor der Fall war.

Engagiert bei der Sache: Bruno Labbadia feierte einen blendenden Einstand als neuer Hertha-Coach.
Engagiert bei der Sache: Bruno Labbadia feierte einen blendenden Einstand als neuer Hertha-Coach.
© Poolfoto/Imago

Und trotzdem hat Labbadia anfangs selbst überlegt, welche Herangehensweise die richtige sein könnte: möglichst schnell eine Stammelf zu finden? Oder die Belastungen – angesichts der besonderen Umstände durch die Coronavirus-Pandemie – breit zu verteilen? Die Antwort fällt, bisher zumindest, relativ eindeutig aus. „Es gibt bestimmte Positionen, bei denen ich sage: Da sollten Spieler auf dem Platz stehen, die viel spielen, damit irgendwann eine Harmonie da ist“, erklärt Labbadia.

Aber er weiß auch, dass die Bedingungen besondere sind: Wenn Hertha an diesem Samstag im heimischen Olympiastadion den FC Augsburg (15.30 Uhr, live bei Sky) empfängt, ist es bereits das vierte Spiel innerhalb von 15 Tagen – und das nach einer neunwöchigen Wettkampfpause. Auf die erhöhte Gefahr von Verletzungen ist vor dem Re-Start der Fußball-Bundesliga mehrmals hingewiesen worden, und die Erfahrungen der ersten Wochen zeigen, dass solche Warnungen sehr wohl berechtigt waren.

Und so versucht sich Labbadia an der kniffligen Aufgabe, Kontinuität und Rotation gleichermaßen hinzubekommen. Er ist einer von nur vier Trainern, die in jeder der drei Begegnungen nach der Corona-Pause von allen fünf Wechselmöglichkeiten Gebrauch gemacht hat. „Es ist wichtig, dass Energie von der Bank kommt“, sagt Herthas Trainer.

Stark und Rekik fehlen Hertha BSC weiterhin

Und doch ist er bei seinen Personalentscheidungen auch von Faktoren abhängig, auf die er selbst wenig Einfluss hat. Es ist keineswegs so, dass Hertha derzeit nicht von Verletzungen geplagt würde. Im Gegenteil. Aber bisher hatten die Berliner das Glück im Unglück, dass es vornehmlich Spieler getroffen hat, die nicht zur aktuellen Stammelf gehörten.

Karim Rekik und Niklas Stark fehlen auch gegen Augsburg, für Santiago Ascacibar ist die Saison wegen seiner schweren Fußprellung sogar vorzeitig beendet. Außerdem ist der Einsatz von Marvin Plattenhardt (leichte Gehirnerschütterung) und Maximilian Mittelstädt (Pferdekuss) fraglich.

Doch unabhängig davon könnte sich Labbadia zum Ende der englischen Woche für deutlich mehr Wechsel entscheiden, als er es zuletzt getan hat. So bietet sich zum Beispiel Krzysztof Piatek für einen Startelfeinsatz an, der bisher hinter Vedad Ibisevic zurückstehen musste. „Er war ein Stück weit Opfer der Situation“, sagt Bruno Labbadia über den polnischen Mittelstürmer. „Aber er hat eine sehr gute Reaktion auf seine Nicht-Berücksichtigung gezeigt und noch einmal einen anderen Drive bekommen.“

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