Hop oder top, Sieg oder Niederlage: Hertha BSC fehlt noch die stabile Mitte
Bei der 0:2-Niederlage gegen die TSG Hoffenheim lässt sich Hertha BSC zu leicht aus dem Tritt bringen. Das ist keine ganz neue Erfahrung.
Pal Dardai, der Trainer von Hertha BSC, hat am Samstagvormittag noch einmal ein Loblied auf den Gemeinsinn gesungen. Seine Mannschaft sei eine, die die Dinge im Kollektiv regle. Einen Spieler, der aus diesem Kollektiv deutlich heraussticht und der ein Spiel auch mal im Alleingang entscheidet so wie früher Marcelinho, Andrej Woronin oder Marko Pantelic, den habe Hertha derzeit leider nicht. „Gemeinsam sind wir gut“, sagte Dardai.
Am Freitagabend in Sinsheim stieß dieses Konzept an seine Grenze. Hertha BSC, die starke Gemeinschaft, musste einen der Ihren zurücklassen. Das war zu vorgerückter Stunde, als der gesamte Tross sich bereits zur Abfahrt eingefunden hatte, um rechtzeitig das Charterflugzeug nach Schönhagen vor den Toren von Berlin zu erreichen – und Mittelfeldspieler Suat Serdar bei der Dopingprobe immer noch vergeblich auf den einsetzenden Harnfluss wartete. Irgendwann musste Hertha ohne ihn abfahren.
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Es war einfach kein guter Abend: nicht für Serdar, der schließlich aushäusig übernachten musste, und auch nicht für den Berliner Fußball-Bundesligisten, der nach drei Pflichtspielsiegen am Stück eine 0:2-Niederlage bei der TSG Hoffenheim kassierte. „Das war nicht genug heute“, gab Trainer Dardai nach dem Schlusspfiff zu. „Wir haben unsere Haut viel zu einfach abgegeben.“
Die Niederlage fand Herthas Trainer ebenso verdient wie vermeidbar, weil die Anfangsphase gezeigt hatte, dass es auch anders hätte gehen können. „Wir waren stabil, wir haben richtig hoch verteidigt. Das hat gut ausgesehen“, sagte Dardai. „Der Gegner konnte damit nichts anfangen, er war davon überrascht.“
Aber zum einen war das nur in der Anfangsphase so, und zum anderen konnte Hertha genauso wenig mit der Führung der Hoffenheimer anfangen, die Andrej Kramaric nach gut 20 Minuten erzielte. Nach diesem Treffer war bei den Gästen aus Berlin nichts mehr, wie es vorher gewesen war. „Nach dem 0:1 haben wir den Faden verloren“, sagte Maximilian Mittelstädt. „Das ist leider zuletzt generell unser Problem gewesen. Wenn wir uns da nicht so runterziehen lassen, sondern einfach weiter Fußball spielen, läuft es anders.“
Nur ein Spiel konnte Hertha nach Rückstand noch drehen
Nur einmal in dieser Saison hat Hertha ein Spiel nach einem Rückstand noch drehen können – zu Hause gegen den Aufsteiger Greuther Fürth, einen Gegner, der sich im Laufe der bisherigen Saison als nur bedingt satisfaktionsfähig herausgestellt hat. Auch gegen Hoffenheim löste bei Hertha der Rückstand nicht etwa Trotz und Behauptungswillen hervor. Im Gegenteil: Die defensive Kompaktheit, Basis der jüngsten Erfolge, verflüchtigte sich zusehends, die Abstände stimmten nicht mehr, Herthas Spieler kamen dadurch nicht in die Zweikämpfe.
„Bei uns ist es immer die Tagesform“, sagte Pal Dardai. „Wenn wir einen guten Tag haben, können wir gegen jeden eine sehr gute Partie liefern und gegen jeden gewinnen.“ In Sinsheim hatte Hertha diese Tagesform nicht. Schon in der ersten Halbzeit spürte Dardai, „dass wir zwei, drei Ausfälle haben“.
Rechtsverteidiger Deyovaisio Zeefuik, fahrig und fahrlässig und deshalb schon zur Pause ausgewechselt, durfte sich in erster Linie angesprochen fühlen. Aber auch Kapitän Dedryck Boyata, der nicht immer so standfest wirkte wie gewöhnlich und der in der Schlussphase nach einem üblen, wenn auch nicht böswilligen Tritt auf das Sprunggelenk des Hoffenheimers Angelo Stiller die Rote Karte sah.
„Die Mannschaft hat getan, was sie kann.“
Hertha BSC ist in dieser Saison eine Mannschaft im Umbruch, der erkennbar noch die stabile Mitte fehlt. Dem Team mangelt es keineswegs an Erfahrung; gegen Hoffenheim standen sechs Spieler zwischen 26 und 35 Jahren in der Startelf. Und trotzdem lässt Hertha in kniffligen Momenten den Selbstbehauptungswillen vermissen, ist das Team manchmal nicht in der Lage, die Dinge auf dem Platz aus sich selbst heraus zu regeln. „Es fehlt in solchen Situationen eine individuelle Aktion, durch die alle wieder zu Kräften kommen“, sagte Pal Dardai. „Die Mannschaft hat getan, was sie kann.“
Herthas Trainer hatte in Sinsheim von vornherein ein enges Spiel erwartet, weil sich die Hoffenheimer in dieser Saison ähnlich schwankend präsentiert haben wie auch seine eigene Mannschaft, nämlich „mal so, mal so“. Auch Hertha kennt nur hopp oder top. Die Extreme berühren sich, was sich nicht zuletzt in den bisherigen Ergebnissen widerspiegelt. Vier Siegen stehen sechs Niederlagen gegenüber. Neben Borussia Dortmund ist Hertha der einzige Bundesligist, der in dieser Saison noch kein einziges Mal unentschieden gespielt hat.