Die Rückkehr des Dardai-Fußballs: Darum läuft es jetzt bei Hertha BSC
Mit dem zweiten Sieg hintereinander gelingt Hertha BSC ein erfolgreicher Neustart – weil die Mannschaft die Prinzipien ihres Trainers Pal Dardai beherzigt.
Wenn es eine Korrelation gibt zwischen der eigenen Leistung und der Unzufriedenheit des Gegners, dann muss Hertha BSC am Samstagabend eine Menge richtig gemacht haben. Das Spiel gegen Borussia Mönchengladbach war gerade abgepfiffen, als Jonas Hofmann, Gladbachs Nationalspieler, vom Fernsehsender Sky vernommen wurde. Hofmann, sonst so wohltemperiert wie sein Passspiel, war merklich angefressen, als er über die ungenügenden Offensivbemühungen seiner Mannschaft sprach. Sein Unmut gipfelte in dem Satz: „Es geht einem, auf gut Deutsch, echt auf den Sack.“
Gegner, die nicht durchkommen und irgendwann an Hertha verzweifeln – das weckt in Berlin Erinnerungen. Erinnerungen an bessere Zeiten. „Wir standen sehr kompakt, haben die Ketten eng gehalten und es Gladbach so schwer gemacht“, sagte Herthas Torhüter Alexander Schwolow nach dem 1:0-Sieg gegen die Borussia; gegen eine Mannschaft, die erkennbar mehr fußballerische Qualität auf dem Rasen hatte, die mit dieser Qualität aber wenig anzufangen wusste.
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Berlin erlebte am Samstagabend im sogenannten Top-Spiel der Fußball-Bundesliga die Rückkehr des Dardai-Fußballs. Und es ist – anders als man das vor knapp zweieinhalb Jahren vermutet hätte – ein freudiges Wiedersehen.
Pal Dardai, zum zweiten Mal Cheftrainer bei Hertha, hatte ja im Sommer 2019 seinen Platz räumen müssen, weil Berlin mehr wollte. Mehr Offensive. Mehr Glamour. Mehr Entertainment. Doch die überzogenen Ansprüche sind dem Klub ganz offensichtlich nicht bekommen. Zwei Jahre lang hat Hertha viel Geld und große Ziele ausgegeben; der Ertrag war ähnlich bescheiden wie Gladbachs fruchtloses Ballbesitzspiel am Samstagabend.
Mit formidablen Spielzügen konnte Hertha gegen die Gladbacher zwar nicht dienen; die Passquote von 71 Prozent war, nun ja, ausbaufähig. Unterhalten fühlten sich die Fans trotzdem. Zum einen durch das erfreuliche Resultat, zum anderen durch die Haltung des Teams. Nach dem Führungstreffer von Marco Richter kurz vor der Pause feierte Herthas Anhang jede Grätsche, jeden gewonnenen Zweikampf mit Lust und Laune.
Die Mannschaft hat die Basics verinnerlicht
Die Räume verdichten, die Abstände kurz halten, das Zentrum schließen und den Gegner dadurch nach außen zwingen. Vieles, was Hertha in Dardais erster Amtszeit ausgezeichnet hat, ist jetzt auch im Neo-Dardaismus wieder zu erkennen. Zu Beginn der Saison war das noch nicht der Fall, was zu Ergebnissen (0:5 gegen Bayern, 0:6 gegen Leipzig) führte, die für eine Dardai-Mannschaft höchst ungewöhnlich sind.
Hertha fehlte in jenen Wochen die Kompaktheit. Die Abstände zwischen den Linien waren nach Dardais Aussage fünf, sechs Meter größer als im Moment und dadurch für sein Team kaum beherrschbar. „Gegen Freiburg war der Abstand schon sehr gut, gegen Frankfurt war es sogar perfekt“, sagte Herthas Trainer.
Und auch gegen Gladbach gab es wenig auszusetzen. „Die engen Abstände zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen: Wenn einer einen Fehler macht, bügelt es ein anderer aus“, sagte Torhüter Schwolow. „Das sind diese Kleinigkeiten, die das Team braucht.“
Hertha mit der besten Laufleistung der Saison
In den kritischen Wochen zu Beginn der Saison hat Dardai so oft auf die ungewohnten und komplizierten Umstände bei der Kaderzusammenstellung verwiesen, dass es vielen schon wie eine Ausrede klang. Doch letztlich hat er recht behalten. Nach dem Sieg gegen die Gladbacher sagte Alexander Schwolow: „Wir haben die Basics gezeigt, die wir nach den ersten Spielen noch einmal gemeinsam aufgearbeitet haben.“
Die Länderspielpause nach der Niederlage gegen Freiburg war so etwas wie die zweite Saisonvorbereitung, von der Dardai immer wieder gesprochen hatte. In ihr hat er an den Grundlagen gearbeitet, die von der Mannschaft nun offenbar verinnerlicht wurden.
Die Statistik des Spiels belegte das in wesentlichen Parametern: 121,66 Kilometer waren nicht nur Herthas beste Laufleistung der Saison, die Berliner legten auch fünf Kilometer mehr zurück als ihr Gegner. Auch die Zweikampfquote (55:45 Prozent) fiel recht eindeutig aus. „Das spricht für die Jungs, wenn sie spüren, dass sie gemeinsam arbeiten müssen“, sagte Dardai. „So, wie es aussieht, liegt es der Mannschaft. Sie arbeitet sehr gerne.“
Erst recht, wenn sich diese Arbeit auszahlt. Nach dem zähen Saisonstart mit drei Niederlagen zu Beginn, mit den Diskussionen um die Qualität des Kaders und die Stellung des Trainers, sieht die Welt zwei Siege später schon wieder deutlich freundlicher aus – auch wenn längst noch nicht alles perfekt ist. „Die Mannschaft kommt, sie findet sich. Der Trainer ist auch in der Spur“, sagte Herthas Sportgeschäftsführer Fredi Bobic. „So kann’s weiter gehen.“