Heimspiel gegen Hannover 96: Hertha BSC: Der Kopf will nicht mehr
Hertha BSC schleppt sich der Winterpause entgegen, braucht aber noch einen Sieg fürs gute Gefühl. Mittwochabend kommt Hannover 96.
Rainer Widmayer hat am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, wenn eine Mannschaft durch die Teilnahme am Europapokal zusätzlich belastet wird. Widmayer hatte diesem Umstand vor einigen Jahren die Anstellung beim VfB Stuttgart zu verdanken – und ein gutes Jahr später auch seine Entlassung.
Als der VfB im Herbst 2008 nach 14 Spieltagen mit nur 18 Punkten in der Fußball-Bundesliga auf Platz elf rangierte, musste Armin Veh, der Meistertrainer von 2007, gehen. Für ihn übernahmen Markus Babbel und sein Co-Trainer Widmayer. Beide brachten die Saison zu einem guten Ende. Als Dritter qualifizierte sich die Mannschaft sogar noch für die Champions League, doch im Dezember stand der VfB noch schlechter da als ein Jahr zuvor: nämlich mitten im Abstiegskampf. Die Stuttgarter lagen nach 15 Spieltagen mit gerade mal zwölf Punkten auf dem Relegationsrang. Babbel und Widmayer mussten gehen.
Auch wegen dieser Erfahrung hat sich Rainer Widmayer, der Co-Trainer von Hertha BSC, vor der Saison betont zurückhaltend gegeben, wenn es um ein konkretes Saisonziel geht. 23 Punkte zum Winter – das wäre schon okay. Das hat auch Cheftrainer Pal Dardai so gesehen, zumindest noch vor ein paar Wochen. Inzwischen ist die Vorgabe der Wirklichkeit noch einmal angepasst worden. Nach unten. 18 Punkte haben die Berliner aktuell, zwei Spiele stehen bis zur kurzen Winterpause noch aus, 21 Punkte sind jetzt das Ziel.
Hertha war in Augsburg erkennbar müde – nur warum?
Da Hertha zum Abschluss der Hinrunde beim Vizemeister und derzeitigen Tabellenzweiten Rasenballsport Leipzig antreten muss, sehen die internen Planungen einen Heimsieg an diesem Mittwoch (20.30 Uhr, live bei Sky) gegen Aufsteiger Hannover 96 vor. „Das wird ein körperbetontes Spiel, ein Kampfspiel sein“, prophezeit Pal Dardai. Da müsse seine Mannschaft sich anders präsentieren als am Sonntag beim 1:1 in Augsburg, als die Berliner einen selten spannungsarmen Auftritt hinlegten. „Ich hoffe, wir haben uns warm gelaufen für Mittwoch“, sagt Dardai.
Die Mannschaft war in Augsburg erkennbar müde – nur warum? Dardai rätselt immer noch. Die Erklärung, die sich auf den ersten Blick anbietet, erweist sich auf den zweiten als nicht besonders stichhaltig. Ja, Hertha ist noch am Donnerstagabend in der Europa League angetreten, während die Augsburger ausgeruht in die Partie gehen konnten. Aber: In der Startelf am Sonntag standen nur zwei Spieler – Maximilian Mittelstädt und Niklas Stark –, die auch gegen Östersund dabei waren. Auch die Fitnesswerte, die von Herthas Trainerstab erhoben wurden, lassen nicht auf ein körperliches Problem schließen. „Es kommt mehr vom Kopf“, vermutet Dardai. „Eigentlich sollten alle topfit sein. Aber davon habe ich in Augsburg nichts gesehen. Wir haben sehr viele wichtige Zweikämpfe verloren, wenige Lösungen nach vorne gefunden und nicht mal vier fünf Pässe hintereinander hinbekommen.“
Erstaunlicherweise hat Hertha in dieser Saison kein einziges Bundesligaspiel unmittelbar nach einem Einsatz in der Europa League verloren. Fünf Begegnungen endeten unentschieden, und beim Tabellenletzten Köln gab es einen verdienten 2:0-Erfolg. Auffallend ist, dass die Berliner bei allen fünf Unentschieden zurücklagen und jeweils noch den Ausgleich schafften. Auch das spricht eher dagegen, dass die Mannschaft Probleme mit der Physis hat.
Hannover als Aufsteiger hat einen Lauf
Trotzdem passt Herthas Performance in dieser Saison perfekt ins Gesamtbild. Die Berliner sind nicht die einzige Mannschaft, die Probleme mit der internationalen Zusatzbelastung hat. Das krasseste Beispiel in dieser Spielzeit ist der 1. FC Köln, der am Sonntag im Heimspiel gegen den Mit-Abstiegskandidaten SC Freiburg sogar eine 3:0-Führung verspielte, weil die Spieler in der zweiten Halbzeit stehend k. O. waren. Auch die TSG Hoffenheim, der dritte deutsche Europa-League-Starter, steht aktuell deutlich schlechter da als in der vergangenen Saison. Von den jüngsten elf Pflichtspielen hat die Mannschaft von Trainer Julian Nagelsmann nur zwei gewonnen.
Während Hannover als Aufsteiger und dank des erfolgreichen Saisonstarts einen Lauf hat und vieles vergleichsweise leicht von der Hand geht, wirkt bei Hertha manches schwerfällig. Dardai hat mit einigen Spieler gesprochen. „Sie spüren vom Kopf, dass sie müde sind“, berichtet Herthas Trainer. „Ich kann das auch verstehen.“ Durch die vielen Spiele, dazu die Reisen ist möglicherweise der Eindruck entstanden, dass die Halbserie länger war als in der Vergangenheit. Aber noch ist die Mannschaft nicht am Ziel. „Wenn wir 21 Punkte hinkriegen, können wir positiv über die Hinrunde reden“, sagt Pal Dardai.
Mit dem Szenario, dass es zu Weihnachten weniger als 21 Punkte sind, will er sich vermutlich gar nicht erst auseinandersetzen.