Nach Interview von Manuel Gräfe: Hellmut Krug: "So etwas zu initiieren, ist nicht akzeptabel"
Manuel Gräfes Vorwürfe haben die Schiedsrichter-Szene aufgeschreckt – im Fernsehsender Sky bezog nun Hellmut Krug erstmals Stellung.
Das Thema ist heikel. Kaum jemand hat bisher so offen und schonungslos über die höchsten Schiedsrichter-Kreise geredet wie Manuel Gräfe im Interview mit dem Tagesspiegel am Sonntag. Die Szene galt als verschworen und verschweigen. Der Berliner Referee hat sich nun mit seinen direkten Kollegen und ehemaligen Chefs angelegt – und das, obwohl er noch Bundesliga-Spiele pfeift und Teil des Systems ist. Gräfe hat Hellmut Krug und Herbert Fandel Vetternwirtschaft unterstellt und viele ehemalige und aktive Schiedsrichter aufgeschreckt.
Wie brisant die Aussagen des Berliner Bundesliga-Schiedsrichters sind, erkennt man auch daran, dass sich auf Nachfrage des Tagesspiegels keiner der Beschuldigten dazu äußern möchte. Erst am Montagabend bezog Krug in der Talksendung "Sky90" erstmals öffentlich Stellung: "So ein Interview zu initiieren, ist nicht akzeptabel. Das gehört sich nicht." In der Sache habe er sich "nichts vorzuwerfen". Bei der Schiedsrichter-Auswahl gehe es anders als von Gräfe erklärt nur nach Leistung. "Es hat keine Mauscheleien gegeben und es wird auch keine geben", sagte Krug.
Krug will sich mit Gräfe zusammensetzen und die Sache aufarbeiten
Man wolle sich nun mit Manuel Gräfe zusammensetzen und die Sache aufarbeiten. Ob Gräfe Konsequenzen befürchten muss, ließ Krug offen. Allerdings hatte der jetzige Schiedsrichter-Chef Lutz Fröhlich diese bereits angedeutet. „Bei allem Verständnis zu einer öffentlichen Meinungsäußerung geht es entschieden zu weit, wenn ein Schiedsrichter einen Kollegen öffentlich und in dieser Form attackiert“, sagte Fröhlich. „Darüber muss mit Manuel Gräfe geredet werden. Gleiches gilt für seine Einlassungen zu Herbert Fandel und Hellmut Krug. Auch das kann man so nicht stehen lassen.“
Dabei war Gräfe keineswegs der Erste, der die Methoden der früheren Schiedsrichter-Chefs Hellmut Krug und Herbert Fandel in Frage gestellt hat. Als beide noch im Amt waren, sickerte aus dem Umfeld des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) immer wieder durch, wie unzufrieden einige mit ihrer Führung waren. Schon damals war von Seilschaften die Rede – und davon, dass nur diejenigen befördert würden, die ihnen Folge leisteten und keine Widerworte gaben. Nur öffentlich sagen wollte das niemand der Aktiven. Krug erklärte dazu am Montag: "Auch wenn man falsche Anschuldigungen wiederholt, werden diese nicht richtiger."
So schilderte Babak Rafati zum Beispiel erst nach seinem Rücktritt und einem Suizidversuch, den er überlebte, in einem Buch den Druck und die Gängelei, die er als Bundesliga-Schiedsrichter empfunden habe. „Als Herbert Fandel mein neuer Chef wurde, habe ich absolut keine Rückendeckung mehr bekommen. Ich war es gewohnt, sachliche Kritik zu erfahren, aber keine aus meiner Sicht persönlichen Verletzungen“, sagte Rafati nach der Buch-Veröffentlichung. Er habe nicht einmal Zuspruch erfahren, dafür nur „Kälte“ und „Unerbittlichkeit“ erlebt.
Auch andere Schiedsrichter waren mit Fandel und Krug unzufrieden
Krug und Fandel wehrten sich seinerzeit gegen Rafatis Vorwürfe – und bekamen Unterstützung von vier Schiedsrichtern, die sich auf der Internetseite des DFB für sie einsetzten. Doch auch danach gab es öfter Zweifel an den Methoden. So stellte etwa ein Bericht in der „Zeit“ vor zwei Jahren einen Zusammenhang zwischen den fragwürdigen Fördermaßnahmen Krugs und Fandels und dem Leistungsabfall der Schiedsrichter her. Ein anonymer Beobachter wurde damals mit den Worten zitiert: „Offensichtlich profitieren einige von der Gunst der Chefs.“ Explizit genannt wurde Felix Zwayer: „Da ist das Beispiel Felix Zwayer. Für das Spiel Dortmund gegen Hoffenheim im Dezember erhielt Zwayer eine durchschnittliche Note. Das war ungewöhnlich milde, Zwayer hatte ein korrektes Tor der Dortmunder nicht gegeben und einen Elfmeter für Hoffenheim übersehen.“
Manuel Gräfe stellte Zwayers schnellen Aufstieg jetzt ebenfalls infrage; gerade da dieser in den Skandal um den früheren Schiedsrichter Robert Hoyzer verwickelt war. „Kann es vielleicht sein, dass Fandel und Krug dort einen Mann haben wollten, der ihnen zu bedingungsloser Loyalität verpflichtet war?“, fragte Gräfe in seinem Interview. Für Krug sind derartige Äußerungen "nicht greifbar". Die Stimmung unter den Schiedsrichtern sei gut, daher sei es "unverzeihlich, einen Kollegen zu attackieren und zu diffamieren."