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Mensch Jürgen, das waren die Eisbären aus dem Welli. Schlagersänger Jürgen Drews (Dritter von rechts, links daneben Dieter Birr) nahm das Eisbären-Lied 2011 mit den Puhdys neu auf und wusste bis dahin nichts über seinen Ursprung. r
© Imago/Müller

Das Eisbären-Lied der Puhdys: Heimatlied und Hüttengaudi

Eine Idee wurde groß: Vor 20 Jahren entstand das Eisbären-Lied. Zunächst wollte der Klub es nicht haben. Dann wollten es Schalke und Dortmund, doch es blieb in Berlin. Heute ist es die erfolgreichste deutsche Sporthymne.

Der Moment hat etwas Warmes und Einfaches. Er wärmt einfach. „Unser Leben wär’ so leer ohne Bärn. Wir haben die Eisbären so gern.“ 14.000 Menschen stehen auf, klatschen, singen ihre Hymne, die getragen von krachendem E-Gitarrensound auf ihren Refrain-Höhepunkt zusteuert. „Hey, wir wollen die Eisbären sehn’!“ Der Text holpert altmodisch, doch gerade deshalb ist seine Eindringlichkeit bestechend. Woche für Woche tritt der Eisbären-Zuschauer-Chor auf, gibt es das Ritual in der Arena in Friedrichshain. Vor jedem Heimspiel des Berliner Klubs aus der Deutschen Eishockey-Liga. In 20 Jahren wurde der Song der Puhdys zum Markenzeichen der Eisbären. In 17 Sprachen wurde er übersetzt, Dynamo Moskau hat ihn zuerst als Klubhymne geklaut, bevor andere ihn kopierten. In England, Russland, Holland, überall. Klubs wollten das Lied kaufen und umdichten – Schalke und Borussia Dortmund waren darunter. Und für die Puhdys ist das Eisbären-Lied ihr größter Hit nach der Wende geworden. Auf ihrer Abschiedstournee spielten sie es als Zugabe.

So ganz verstehen kann der Manager der Alt-Rocker das Phänomen dieses Lieds nicht. Rolf Henning sagt: An sich war der Song nur eine kleine Auftragsarbeit, Dieter Birr, Puhdys-Frontmann mit dem Künstlernamen „Maschine“ hat sie auf dem Weg von Magdeburg nach Berlin im Bus komponiert. Hat ja auch die Faszination des Flüchtigen, der Text: „Jeder denkt, was jeder hier weiß, ohohohohoh, so bärenstark und voll Energie, ohohohohoh, so war’n sie, so war’n die Eisbären noch nie.“ Doch aus diesem Nebenbei-Produkt wurde die populärste Sporthymne des Landes. Ein Langzeit-Hit, der sich auch ein Stück von den Eisbären emanzipiert hat und dessen viele Coverversionen von Kitzbühel bis Mallorca das Partyvolk grölen lassen.

Immer eine große Show. Meistens jedenfalls, wenn die Eisbären in der Arena am Ostbahnhof ein Heimspiel haben.
Immer eine große Show. Meistens jedenfalls, wenn die Eisbären in der Arena am Ostbahnhof ein Heimspiel haben.
© dpa/Pedersen

Der Weg dahin war lang. Fast wäre das Lied nicht erschienen, wäre die Idee von 1996 nicht zu so einem Erfolg geworden.

Damals kam der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der Eisbären, Rudi Simon, mit seinem Berliner Nachbarn Dieter Birr ins Gespräch. „Wollen wir da nicht mal etwas versuchen?“, hat Simon gesagt. So eine Art Klubhymne schwebe ihm vor, ein Markenzeichen, wie es andere Vereine auch hätten. Maschine ging zu seinem Manager. „Die Puhdys waren nicht so sportaffin“, erzählt Rolf Henning. Das Gespräch verlief in etwa so: „Eisbären, was machen die denn?“ Henning: Eishockey. So mit dem Schläger und Puck.“ Maschine: „Sind die populär?“ Henning: „Ja, du musst dir das mal anschauen, was da los ist im Wellblechpalast.“ Machte Maschine. Und war begeistert. Der „Spirit“ der Fans, die Stimmung, die Action der Krach, all das habe ihn angesteckt, erinnert sich Martin Müller, damals Generalbevollmächtigter der Eisbären. „Ist ja Wahnsinn“, habe Maschine ihm gesagt.

Martin Müller, der Generalbevollmächtigte, wollte das Lied plötzlich nicht

Wenige Tage später war eine erste Demo-Version des Eisbären-Songs fertig – und Martin Müller wollte das ganze kippen. 50.000 Mark sollte die Auftragsarbeit kosten. Der Klub war noch kein Unternehmen eines Milliardärs aus den USA. Müller sagt: „Es war ja immer angespannt bei uns. Wie sollten wir das refinanzieren? Aus heutiger Sicht war das mit dem Song richtig, ohne Wenn und Aber, doch wenn Du davor stehst.“

Martin Müller hörte sich mit Maschine und Manager Henning das Demo an und fand „die Nummer auf Anhieb stark“. Fehlten nur noch die Stadiongeräusche, die Fans im Hintergrund. Es gab einen Aufruf und prompt kamen 400 Fans an einem Mittwochnachmittag in den Wellblechpalast und sangen mit – den Refrain. An sich ist das Lied vor allem Refrain, sagt Henning. „Und zwar so einer, den man beim ersten Mal mitsingen kann.“

Eine von vielen Ausgaben. Das Lied wurde in zig Varianten an den Kunden gebracht.
Eine von vielen Ausgaben. Das Lied wurde in zig Varianten an den Kunden gebracht.
© promo

Das ist ist wichtig, wichtig ist aber auch der Bezug der Fans zum Stück. „Es ist unser Lied“, sagt Eventprofi Volker Goede. Er arbeitet bei den Heimspielen seit Jahren am Entertainment rund um das Spiel. Die Nummer spielen die Eisbären inzwischen zwei Mal am Spieltag, vor dem Spiel und meist bei der Ehrenrunde. Goede sagt: „Die Hymne ist maßgeblich an unserem Erfolg beteiligt und hat uns auch überregional viel Zuspruch gebracht.“

Das Lied ist gewandert. Von Berlin in den „Party- und Diskoalltag“, wie Goede sagt – und zurück. 1997 haben es die Puhdys mit Vollplayback im Wellblechpalast vorgestellt, vor einem Heimspiel. Der damalige Manager Lorenz Funk hatte etwas dagegen. „Eishockeyspieler sind wie Rennpferde“, sagte er damals zu Martin Müller. „Die wollen sofort raus und spielen.“ Die Puhdys durften dann aber auch spielen, die Resonanz war an sich gut, aber auch nicht überwältigend. Eine Klubhymne wurde das „Eisbären-Lied“ erst mit Verspätung.

Drei, vier Jahre nach der Premiere im Wellblechpalast: Rolf Henning ist im Skiurlaub in Tirol, sitzt abends in der Hütte und auf einmal läuft das Eisbären-Lied. „Alle Leute singen mit auf der Hütte, nur wen ich nicht höre, ist Maschine.“ Henning wusste: Das ist ein Hit. Irgendeine Band hatte die Nummer gecovert, das war aber auch schon egal. Die Puhdys nahmen den Song, der sich bis dahin gut im unteren fünfstelligen Bereich verkauft hatte, auf ihr neues Album. Zuvor hatten die Eisbären um die 30.000 Tonträger mit dem Stück verkauft, die Puhdys 20.000. Das war nicht schlecht, aber nun „begann der Run“, sagt Henning.

Schalke, Dortmund, zwei Eishockeyklubs, zwei aus dem Basketball, zwei aus dem Handball und noch ein Fußballklub aus London: „Die alle wollten das Lied kaufen.“ Die Puhdys hätten es jedoch umdichten müssen. Doch in Dortmund auf dem Rasen stehen und dann pfeifen ein paar Zuschauer und du kannst die Nummer vergessen? Die Puhdys diskutierten es, Maschine sagte: „Machen wir einen Ausverkauf? Oder lassen wir es da, wo es ist. In Berlin?“

Borussia Dortmund und Schalke 04 holten sich einen Korb

Das Lied blieb also in Berlin und wurde erfolgreicher denn je. Auch wenn es sich längst von den Eisbären emanzipiert hatte. Nicht jeder, der es im Bierkönig auf Mallorca grölt, weiß, wer die Eisbären sind. Nicht einmal Jürgen Drews wusste das, als er vor ein paar Jahren das Stück mit den Puhdys neu aufnahm. Der Schlagerbarde sagte auf einer Pressekonferenz, dass er es toll finde, dass die Puhdys ein Lied für vom Aussterben bedrohte Tiere geschrieben hätten. Bevor Drews zu peinlich wurde, pfiff ihn Maschine zurück: „Nee Jürgen, das war anders.“ Heute gehört das Eisbären-Lied auch fest zum Repertoire von Drews. Die Puhdys verdienen daran als Autoren, an vielen anderen Versionen allerdings nicht. Sie haben es aufgeben, nach den Versionen zu fahnden. „Das wären Anwaltskosten ohne Ende“, sagt ihr Manager. Was soll es also, sollen sie doch von Amsterdam bis Moskau glücklich werden mit ihren Derivaten. Das Original schlägt alle.

Lauter Abschied unter dem Stern. Die Puhdys um Maschine (Mitte) posieren im Rahmen ihrer Abschiedstournee. Derzeit sind sie noch mit den Ostlegenden (einer Tour mit Karat & Co.) unterwegs.
Lauter Abschied unter dem Stern. Die Puhdys um Maschine (Mitte) posieren im Rahmen ihrer Abschiedstournee. Derzeit sind sie noch mit den Ostlegenden (einer Tour mit Karat & Co.) unterwegs.
© dpa/p-a

Warum nur ist das Lied 20 Jahre lang so erfolgreich? Rolf Henning glaubt, dass alles gepasst hat. Der Text taugt „A zum Hit und kommt B bei den Fans an“. Und ist „C nicht nach dem zehnmal spielen im Stadion abgewählt worden“. So etwas passiert mit vielen gut gemeinten Sporthymnen, Fans sind sensibel, ein Song muss sie mitnehmen, muss in ihr Gefühl passen. Die Puhdys wissen das. Ihre Hansa-Rostock-Hymne „FC Hansa Rostock“ hat immerhin regional überlebt, das Lied für den 1. FC Union kam nicht so weit. Dabei hatte Maschine damals bei der Präsentation der Nummer im Stadion An der Alten Försterei gesagt: „Hansa Rostock und die Eisbären, das waren Auftragsarbeiten. Union war uns eine Herzensangelegenheit.“

Die Stadionhymne für den 1. FC Union funktionierte nicht - die Fans pfiffen

Die Union-Hymne wurde einmal gespielt und verschwand dann. Der Test vor den Fans fiel durch, es gab Pfiffe im Stadion. Das war’s. „Wir hatten nicht nachgedacht Union und Dynamo – wir hatten gar keine Chance“, sagt Manager Henning. Dynamo hieß der Vorgängerverein der Eisbären – er spielt allerdings im Puhdys-Stück keine Rolle. Dynamo hätte es wohl auch kaum bis zum Ballermann geschafft. Trotzdem sei in Berlin auch mal eine andere Hymne für die Eisbären im Gespräch gewesen, sagt Müller. „Es gab viele Ideen, oft kam einer mit einer neuen an.“ Es sei immer mal wieder vorsichtig versucht worden, eine neue Hymne unters Volk zu bringen. „Einmal wurden sogar zwei Produzenten beauftragt.“

Das Eisbären-Lied nicht mehr spielen? Undenkbar. Volker Goede sagt: „Nein, das steht nicht zur Debatte. Die Hymne kann man nicht ablösen, das sind wir. Die ist zu stark.“ Zum 20. Jubiläum der Veröffentlichung der Single soll das Lied bei den Eisbären mit einem Motto-Spieltag gefeiert werden, etwa mit verschiedene Versionen einem Spieltag im Zeichen der „Könige auf dem ewigen Eis“, wie es im Lied auch heißt. Man sei da noch in den Planungen, sagt Goede.

Den Eisbären hilft die Puhdys–Nummer weiter, Hertha BSC hilft die Frank-Zander-Nummer nicht weiter. „Nur nach Hause (geh’n wir nicht)“, „Stern des Südens“ beim FC Bayern oder Lotto King Karl beim HSV – alles stark an den Klub gebundene Berühmtheiten. Das Eisbären-Lied hat ein bisschen Heimatgefühl in die schicke neue Zeit in der Arena am Ostbahnhof transportiert. Rolf Henning sagt: „Der Wellblechpalast war schon etwas Besonderes. Heute sind die Eisbären ein Event.“ Er geht jetzt trotzdem lieber in die neue Arena, sagt er. Vier Minuten und 19 Sekunden Heimatgefühl reichen, so lang ist das Eisbären-Lied.

Der Text: Das Eisbären-Lied (Birr/Meyer)

Sie sind die Könige auf dem ewigen Eis, und ihr Thron ist blau-rot-weiß. Und er wird niemals untergehen, niemals, weil wir hinter euch stehen. Hey, wir woll'n die Eisbär'n seh'n, Hey, wir woll'n die Eisbär'n seh'n. Denn unser Leben wär so leer ohne Bär'n. Wir haben die Eisbärn so gern, Wir haben die Eisbärn so gern. Sie sind so wild auf dem ewigen Eis, und jeder denkt, was jeder hier weiß. So bärenstark und voll Energie, so war'n sie, so war'n die Eisbärn noch nie. Hey, wir woll'n die Eisbär'n sehn, Hey, wir woll'n die Eisbär'n sehn. Denn unser Leben wär so leer ohne Bär'n. Wir haben die Eisbärn so gern, Wir haben die Eisbärn so gern. Hey, wir woll'n die Eisbär'n sehn, Hey, wir woll'n die Eisbär'n sehn. Denn unser Leben wär so leer ohne Bär'n. Wir haben die Eisbär'n so gern, Wir haben die Eisbär'n so gern.

Claus Vetter

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