Hamburger SV: Hass, Ausschreitungen, Verletzungen
Nach der Niederlage gegen Hertha rasten einige Hamburger Fans endgültig aus – neun Menschen werden verletzt.
Gotoku Sakai will gerade zur Analyse des Erlebten übergehen, da zuckt der japanische Fußballprofi in Diensten des Hamburger SV zusammen. Draußen im Fanblock haben ein paar Unbelehrbare soeben Böller gezündet, der Knall ist bis in die Katakomben der Arena zu hören. Sakai schüttelt den Kopf, sagt ein paar belanglose Sätze („weiter kämpfen“, „an uns glauben“, „niemals aufgeben“) und verschwindet in der Kabine.
Es ist der Moment, in dem die Stimmung in Hamburg umschlägt, in der aus Hoffnung Frustration wird, verbunden mit der Gewissheit, dass die Begegnung gegen Hertha BSC (1:2) auf absehbare Zeit eine der letzten in Deutschlands höchster Spielklasse gewesen sein könnte. Sieben Spieltage vor Schluss beträgt der Rückstand des Hamburger SV auf den Relegationsplatz noch immer sieben Punkte, obwohl die Konkurrenz aus Wolfsburg und Mainz weiter verlässlich im Schneckentempo verliert.
Wer hin- und wieder die Fußballbranche des 21. Jahrhunderts beobachtet, ahnt bereits, dass es jetzt hässlich werden könnte rund um das Stadion – gerade angesichts der Vorgeschichte. Vor einer Woche, nach dem 0:6 beim FC Bayern, hatten HSV-Anhänger vor dem Volksparkstadion Grabkreuze und ein höchst fragwürdiges Banner („Eure Zeit ist abgelaufen, wir kriegen euch alle!“) angebracht. Diesmal sind die Ordnungs- und Sicherheitskräfte vorbereitet, lange vor dem Anpfiff haben ein paar Hundertschaften den Stadionbereich abgesichert. Um kurz vor halb sechs, die Spieler sind gerade in die Katakomben abgetaucht, müssen sie schließlich eingreifen. Im Hamburger Fanblock, heißt es später im Polizeibericht, sollen sich die Ultras des Vereins untereinander geprügelt haben, zu den genauen Gründen gibt es keine Angaben.
Schlagstöcke und Pfefferspray
Wenig später versuchen ein paar Vermummte den Platz zu stürmen und ihrem Ärger Luft zu machen. Polizei und Ordnungskräfte wissen Schlimmeres zu verhindern. Anschließend starten die Randalierer einen neuerlichen Versuch; sie haben sich vorgenommen, über den Zugang an der Ostseite der Arena ins Stadioninnere einzudringen – erneut stellen sich ihnen Sicherheitskräfte in den Weg. Dabei kommen Schlagstöcke und Pfefferspray zum Einsatz, einige Unruhestifter werden von der Polizei am Trainingsplatz festgesetzt, ihre Personalien aufgenommen.
Nach dem sportlichen Trauerspiel folgt das zweite und für die ohnehin angekratzte Außenwahrnehmung des Vereins viel schlimmere Trauerspiel. Die Bilanz am nächsten Morgen lässt nur erahnen, was sich in den Stunden nach Abpfiff in der Nähe des Volksparks abgespielt hat: Neun Menschen seien bei den Ausschreitungen verletzt worden, teilt die Hamburger Polizei mit, dabei handele es sich um sechs Ordner, eine Polizeibeamtin und zwei HSV-Anhänger. Das ist umso trauriger, weil die Stadt vor dem Spiel alles mobilisiert hatte, was ihrem HSV helfen und irgendwie Glück bringen könnte. Es wirkte wie der letzte Versuch eines Schulterschlusses zwischen Fans und Team, die Stimmung war lange gut und leidenschaftlich – bis sie eben doch kippte.