Was von der WM in Frankreich bleibt: Fußball ist endlich Frauensache – und die Vereine?
Das Turnier in Frankreich war die Etappe einer Revolution. Jetzt fehlt nur noch, dass auch der Klubfußball der Frauen revolutioniert wird. Ein Essay.
Der Spaß ist besonders an Samstagen angesagt. Wann immer ein Spieltag in der Fußball-Bundesliga ist, ziehen Gruppen von kernigen Jungs bierselig durch die Republik. Spieltag, besonders wenn er auswärts ist, ist der Tag an dem der Fan Mann den Zwängen des Alltags entfliehen kann und Frau und Familie mal gern hinter sich lässt. Wer es an Auswärtsspieltagen nicht mehr in den Fernzug oder Bus schafft, der verbringt den Spieltag in der Fußballkneipe. Dort ist der Frauenanteil dann vielerorts so hoch wie in den Fünfzigerjahren im deutschen Bundestag.
Dieses Männervergnügen ist so alt wie die Bundesliga und wird auch zur kommenden Saison keinen Einbruch erleben. Und doch ändert sich etwas im Fußball, seitdem die Frauen nicht mehr nur am Rande mitspielen, sondern vorspielen. Die Weltmeisterschaft in Frankreich ist die Etappe einer Revolution - nicht nur weil der Sport immer besser wird, sondern der Rahmen schnell wächst.
Der größte US-Sportartikelhersteller wirbt in einem Spot und auf Plakaten großflächig mit den WM-Heldinnen auf dem Platz, weil Fußballkleidung für Frauen der Expansionsmarkt der Zukunft ist. Eine Sprecherin des Unternehmens sagt, Fußball sei in den USA bei Frauen ohnehin populärer als bei Männern, also würde der Markt mit den kickenden Frauen bald auch mehr abwerfen.
Dass die Stadien beim Turnier in Frankreich zwar gut besucht, aber nicht immer voll waren, spielt keine Rolle: Die WM ist ein mediales Ereignis von Weltklasse. Die bis jetzt meist gesehene Sendung in diesem Jahr in Großbritannien war das WM-Halbfinalspiel der Britinnen gegen die USA am Dienstag, 11,7 Millionen Menschen haben in der Spitze zugeschaut. Wenn so etwas im Land mit der den Weltfußball dominierenden Premier League (der Männer) möglich ist, heißt für den Rest der Fußballwelt: Fußball ist jetzt auch Frauensache.
Die Fifa nutzt den neuen Markt
Das ist eine an sich eine logische Entwicklung. Zum einen sind angesichts der entrückten Superklubs in England und Spanien und der astronomischen Ablösesummen und Fernsehgelder die Expansionsmöglichkeiten bei den Männern wohl bald erschöpft, zum anderen entwickelt sich unsere Gesellschaft weiter. Die Vermarktung mit den Fernsehbildern der WM läuft so gut wie noch nie bei einer Fußball-WM der Frauen. Der Fußballweltverband Fifa nutzt den neuen Markt geschickt. Er hat begriffen, dass Gleichberechtigung in der Gesellschaft nicht nur gesetzlich verankert ist, sondern auch gelebt werden muss.
Mit dieser Veränderung wächst die nach westlichen Maßstäben sozialisierte Jugend auf. Das ist nur logisch. Denn während es für die heutige Ü-50-Generation einst normal war, dass es bis in Achtzigerjahre hinein in der Bundesrepublik nicht mal eine Ministerpräsidentin gegeben hat, kennen junge Menschen inzwischen das Berufsbild Bundeskanzlerin besser als das des Bundeskanzlers. So gesehen ist ein die Fußballweltmeisterschaft der Frauen in Frankreich ist im Schnitt für jüngere Menschen sicherlich eine größere Selbstverständlichkeit als für ältere.
Wo immer allerdings Frauen den Raum erobern, der Männern vorbehalten war, gibt es natürlich Diskussionen. Die unsinnigste ging während der WM darüber, ob man beim Fußball der Frauen nicht die Tore und den Platz verkleinern und Spielzeit verkürzen solle. Das ist etwa so sinnig wie der Vorschlag, dass eine Amtszeit einer Kanzlerin nur drei statt vier Jahre wie bei den Männern betragen soll.
Jede Sportart verlangt bestimmte körperliche Voraussetzungen: Volleyballspielerinnen sind in der Regel nicht nur 1,59 Meter groß, Weltklasseturnerinnen dagegen messen selten 1,75 Meter. Das Tennisturnier von Wimbledon hat seit 13 Jahren keine Spielerin mehr gewonnen, die kleiner als 1,73 Meter war. Und auch wer auf Weltklasseniveau Fußball spielen möchte, braucht bestimmte körperliche Voraussetzungen.
Die nachhaltige Wirkung dieser WM dürfte allein schon wegen der Vermarktungsmöglichkeiten größer sein als noch bei dem Turnier in Kanada vor vier Jahren. Das Problem ist nur: Wer WM im Fernsehen schaut, geht nicht unbedingt ins Stadion. Der Klubfußball spielt bei den Frauen noch in einer anderen Liga.
Trend auch in Deutschland erkennbar
In Deutschland ist das offensichtlich. Die Handball-Bundesliga der Frauen zog in der vergangenen Saison mehr Zuschauer an als die Fußball-Bundesliga der Frauen. Der deutsche Fußballmeister der Frauen, der VfL Wolfsburg, hat einen Zuschauerschnitt von 1300 Besuchern pro Spiel. Nur in England und Spanien - dort gab es in dieser Saison den Weltrekordbesuch für ein Klubspiel mit über 60.000 Menschen - geht der Trend nach oben. Dort spielen auch die großen Klubs mit Frauenteams vor, in Deutschland ist das noch anders. Obwohl es sich langsam ändern könnte. Erst kürzlich hat Eintracht Frankfurt die Übernahme des 1. FFC Frankfurt proklamiert. Der Klub spielt ab 2020 als Eintracht in der Bundesliga.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Frauen auch diese zweite Stufe der Fußballwelt, den Klubfußball erobert haben - und sich dann womöglich in den Kneipen darüber gestritten wird, ob an Sonntagen die Bundesliga der Frauen oder Dritte Liga der Männer geschaut wird. Wahrscheinlich ist dieses Szenario gar nicht mehr so weit weg wie viele denken.