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Über diese Kuppe muss er fliegen: Timo Boll fixiert den Ball.
© AFP/PATRIK STOLLARZ

Tischtennis-WM: Für Sisyphos Timo Boll reicht es wieder nicht

Er versucht es stets aufs Neue, doch im Viertelfinale der Tischtennis-WM kann der Düsseldorfer den Olympiasieger und Weltmeister Ma Long nicht aus dem Weg räumen. Die Partie ist allerdings knapp.

Man muss sich Timo Boll als glücklichen Menschen vorstellen. So wie Sisyphos den Stein immer wieder neu den Berg hinaufrollt, so versucht Timo Boll auch immer wieder die besten Chinesen in ihrer Nationalsportart Tischtennis zu besiegen. So oft wie wenige andere Europäer hat er diese schwere Aufgabe schon bewältigt, und viele Male ist ihm der Stein auch kurz vor dem Gipfel wieder heruntergesaust. Bei der Tischtennis-WM in Düsseldorf lief er auch wieder los, am Sonntag im Viertelfinale als es um die Medaillen ging. Und stand nach dem Spiel mit leeren Händen im Tal.

Für das Spiel um die Medaille hatte Boll den stärksten Gegner überhaupt erwischt. Ma Long ist Olympiasieger im Einzel. Weltmeister im Einzel. Sein Spiel hat etwas Maschinenartiges. Wenn er ins Rollen kommt, ist er genauso wenig aufzuhalten wie Sisyphos‘ Stein auf seiner Talfahrt. 2:4 unterlag Boll ihm, doch das Ergebnis erzählt nicht, wie knapp es wirklich zuging und warum Boll bei aller Bescheidenheit nach dem Spiel sagen konnte „Ich bin wieder zurück.“

Die Begegnung hatte für Boll hatte eigentlich begonnen, wie alle es erwartet hatten. Mit einem deutlichen 5:11 im ersten Satz. Ohne große Chance. Ma Long spielte mit seiner Rückhand extreme Winkel und das auch noch in einer brutalen Geschwindigkeit. Doch dann rollte Boll los, mit einer bestechenden Konzentration. 8:6 führte er im zweiten Satz, dann blieb ein Ball von ihm an der Netzkante hängen, und einen Ball traf er nur mit der Schlägerkante. 8:8. Doch anstatt zu hadern, antwortete Boll mit drei Punkten hintereinander und dem Satzausgleich. Der dritte Durchgang verlief so deutlich wie der erste, aber Boll kam noch einmal ins Spiel zurück und rauschte durch den vierten Satz mit 11:5.

Auf einmal schimmert eine Chance auf

Das Publikum im Tischtennis hat längst eine Routine erworben im Ertragen von Niederlagen gegen die Chinesen. Aus der Routine wächst manchmal auch Resignation. Auf einmal schimmert jedoch wieder eine Chance auf. Den fünften Satz gibt Boll zwar ab, aber im sechsten liegt er auf einmal 8:4 vorne. Nur noch drei Punkte bis zum spielentscheidenden siebten Satz. Wird da nicht auch Ma Long ins Grübeln kommen? Kommt da nicht vielleicht doch der Heimvorteil zum Tragen?

Ein, zwei Bälle spielt Boll nicht platziert genug, ein anderes Mal ist er ein wenig zu passiv. Ma Long bestraft das mit krachenden Topspins. Bei 9:9 spielt Boll seinen Aufschlag zu lang und plötzlich ist die eben noch leuchtenden Chance vorbei. „Es ist weniger frustrierend als traurig“, sagt Boll, „ich hätte gerne noch den siebten Satz gespielt. Da wäre alles sicher nochmal hochgekocht.“

Es dürfte ein schwacher Trost sein, dass Boll in seiner sportlichen Heimat – er spielt für Rekordmeister Borussia Düsseldorf – der einzige Europäer im Viertelfinale war. Dimitrij Ovtcharov war eine Runde zuvor am Japaner Koki Niwa mit 3:4 gescheitert. Aufbauen dürfte Boll eher, dass er mit seinen 36 Jahren und nach vielen körperlichen Schwierigkeiten in Schulter, Rücken und Knie immer noch auf allerhöchstem Niveau spielt, dem Besten der Besten alles abverlangt und es wie ein schönes Versprechen klingt, wenn er sagt: „Ein paar Jahre kann ich bestimmt noch mithalten.“

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