Hannover 96: Frontzeck mit guter Laune und Fan-Liebling Cherundolo
Michael Frontzeck soll Hannover 96 vor dem Abstieg retten. Der ehemalige Co-Trainer erhält dabei Unterstützung von einem früheren 96-Profi.
Die Charmeoffensive gelang ihm so vorzüglich, als hätte er wochenlang dafür trainiert. Als Michael Frontzeck es mit jenen Fragen zu tun bekam, die seine neue Rolle bei Hannover 96 als recht merkwürdiges Experiment beleuchteten, blieb er so gelassen und ruhig, als könne ihm am ersten Arbeitstag wirklich niemand etwas anhaben. „Es geht hier nicht um mich, sondern um den Verein“, sagte Frontzeck, der seit Dienstagmorgen versucht, in der Rolle des Interimstrainers bei den Niedersachsen zu glänzen. Fünf Spiele bleiben ihm noch, um Hannover vor dem Abstieg aus der Fußball-Bundesliga zu bewahren. Dabei handelt es sich auch um eine Bewährungsprobe für ihn selbst. Seit Ende 2013 war Frontzeck arbeitslos. Hätte er deshalb nicht auf einen längerfristigen Vertrag bestehen müssen? „Was im Sommer ist, weiß kein Mensch“, sagte der 51-Jährige und lächelte milde.
Im Kampf gegen die vielen Vorurteile hat Michael Frontzeck erstaunlich schnell die richtigen Worte gefunden. Wer bloß für ein Saisonfinale eingestellt wird und sich danach wieder mit der Fortsetzung seiner Arbeitslosigkeit befassen muss, ist zweifellos ein so genannter Feuerwehrmann in der Trainerbranche. Also ist er zu schlecht, um ihn nicht zu nehmen. Aber auch nicht gut genug, um ihm auf lange Sicht das Vertrauen zu schenken. „Es ist überhaupt nicht schwierig, mich für eine solche Aufgabe zu motivieren. Wir haben eine klare Abmachung“, sagte Frontzeck und sah wie jemand aus, der jetzt am liebsten pausenlos die Ärmel hochkrempeln und ohne Wenn und Aber loslegen will. Er löst den bei Hannover 96 gescheiterten Tayfun Korkut ab, weil die Mannschaft unter dessen Regie in diesem Jahr kein einziges Spiel gewinnen konnte. Nach nur einer Trainingseinheit mit dem sieglosen Team ist in dem neuen Übungsleiter die Erkenntnis gereift, dass er eine machbare Aufgabe übernommen hat. Frontzecks Körpersprache und seine Antrittsrede signalisierten: Packen wir. Klar.
Die Ultras wollen Hannover 96 wieder im Stadion unterstützen
Die schwierige Gemengelage, die Hannover 96 in dieser Saison bisher treu begleitet hat, könnte sich in der Tat innerhalb kürzester Zeit wieder in eine positive Grundstimmung verwandeln. Nach einem monatelangen Streit zwischen Präsident Martin Kind und dem harten Teil der Fans über die Hausordnung im Stadion kommt Besserung in Sicht. Die Ultras wollen ihren Fanprotest nach einem konstruktiven Dialog mit dem Verein offenbar beenden, das kommende Heimspiel am Samstag (15.30 Uhr) wieder besuchen und im Stadion ihren Beitrag dazu leisten, dass das Heimteam einen mutigen Auftritt wagt. Es trifft sich gut, dass mit Frontzeck genau in diesem Augenblick ein Mann die Fußballbühne im Stadion am idyllischen Maschsee betritt, der kein Fremder ist. Vor seinen Trainerstationen in Aachen, Bielefeld, Mönchengladbach und beim FC St. Pauli war der frühere Nationalspieler nämlich schon einmal Co-Trainer in Hannover (Saison 2004/05). Statt Skepsis schlägt ihm deshalb eine fast kumpelhafte Stimmung entgegen. „Michael war gleich Feuer und Flamme für uns“, sagt Hannovers Sportdirektor Dirk Dufner über den Feuerwehrtrainer Frontzeck.
Das neue Trainerteam, mit dem die Rettung auf den letzten Drücker gelingen soll, ist klug zusammengestellt. Trotz der großen Hektik rund um die Korkut-Entlassung und der erst danach intensivierten Suche nach einem geeigneten Nachfolger in Hannover sind kluge Schachzüge gelungen. Mit Jan-Moritz Lichte bekommt Frontzeck einen ihm gut bekannten und in der Bundesliga erfahrenen Zuarbeiter an seine Seite gestellt. Und mit Steven Cherundolo, dem langjährigen 96-Kapitän, gibt es einen Schuss Lokalkolorit als Zugabe. Der US-Amerikaner kennt die aktuelle Mannschaft aus dem Effeff und dürfte der mit Abstand beste Assistent sein, den sich ein Cheftrainer mit wenig Anlaufzeit wünschen kann. Frontzeck hat all das zum Amtsantritt so elegant zusammengefasst und präsentiert, als habe er ein mehrmonatiges Seminar dafür belegt, wie man gute Laune und Zuversicht verbreitet.
Am Ende war er sogar noch so nett, sein Mitgefühl für den gescheiterten Vorgänger auszusprechen. Tayfun Korkut war nach nur 16 Monaten in Hannover am Montagmorgen beurlaubt worden. „Ich weiß, wie er sich jetzt fühlt. Das ist eine schlimme Situation mit einer Mischung aus Wut, aber auch Erleichterung“, sagte Frontzeck. Im Grunde gehe es für ihn jetzt darum, nur ein paar Kleinigkeiten zu ändern, um die Mannschaft auf den Weg der Besserung zu führen. Die Gelassenheit, mit der Frontzeck seine Pläne für die nächsten Wochen präsentierte, hatte mit der üblichen Hektik des Bundesliga-Abstiegskampfes wohltuend wenig zu tun.