Rainer Widmayer im Interview: "Fritz Keller ist der richtige Mann"
Der ehemalige Co-Trainer von Hertha BSC spricht im Interview über den designierten DFB-Präsidenten und den Tag, als dieser ihm den Stinkefinger zeigte.
Rainer Widmayer, 52, ist Co-Trainer beim VfB Stuttgart. 2011, in seiner Zeit bei Hertha BSC, hatte er eine bemerkenswerte Begegnung mit Fritz Keller, der am Freitag DFB-Präsident wird.
Herr Widmayer, mussten Sie ein bisschen schmunzeln, als Sie erfahren haben, wer neuer DFB-Präsident werden soll?
(Lacht) Wegen meiner ersten Begegnung mit Fritz Keller? Die war schon besonders, aber wie lang ist das her?
Acht Jahre. Da waren Sie zum ersten Mal Co-Trainer bei Hertha BSC.
Eine lange Zeit. Ich gönn’ ihm den Posten. Fritz Keller ist ein Top-Mann.
Sie sind also nicht nachtragend? Immerhin hat er Ihnen den Stinkefinger gezeigt.
Ach was! Damals kannte ich ihn gar nicht. Inzwischen weiß ich, dass er ein Mann mit Emotionen ist – aber auch mit Weitsicht. Und im Nachgang hat er sich als sehr freundlich erwiesen. Keller hat sich noch im Stadion entschuldigt und mich am nächsten Tag sogar noch einmal angerufen. Das war Weltklasse. Für mich war die Angelegenheit damit aus der Welt. Ich bin auch keiner, der noch Öl ins Feuer gießt.
Wissen Sie noch, was ihn so erregt hat?
So genau weiß ich das gar nicht mehr. Ging es um einen Elfmeter?
Um ein Tor für die Freiburger, das nicht gegeben wurde.
Okay. Die Geschichte ist ja von den Medien extrem aufgebauscht worden. Aber dass man in einer solchen Situation auch mal emotional reagiert, das passiert.
Stimmt es, dass Sie gar nicht wussten, dass der Mittelfinger-Zeiger der Präsident des SC Freiburg ist?
Ja, das stimmt. Er stand im Innenraum, neben der Trainerbank. Es sprach also einiges dafür, dass es irgendjemand vom SC Freiburg ist. Aber als Co-Trainer weiß ich ja nicht, wer bei welchem Bundesligist Präsident ist. Außer vielleicht bei Bayern München. Mit Fritz Keller konnte ich damals nicht viel anfangen.
Er war auch erst ein paar Monate zuvor Nachfolger von Achim Stocker geworden.
Na, sehen Sie. Dann kann ich seine emotionale Reaktion noch viel mehr verstehen.
Wie ist Ihr Verhältnis heute?
Wir schätzen uns. Bei jedem Spiel haben wir uns herzlich begrüßt und miteinander gesprochen: Wie geht’s? Wie läuft’s?
Weiß er denn noch, unter welchen Voraussetzungen Sie sich erstmals begegnet sind?
Wir haben nie mehr über den Vorfall gesprochen. Aber das weiß er. Er weiß genau, wer ich bin. Hundert Prozent. So was bleibt hängen. Positiv hängen, wenn es so ausgeht, wie es ausgegangen ist.
Trauen Sie ihm das Amt des DFB-Präsidenten zu?
Auf jeden Fall. Wenn es um den Ausgleich zwischen Profis und Amateuren geht, passt er perfekt. Fritz Keller kommt aus einem – in Anführungsstrichen – kleineren Bundesligaklub, er kennt aber auch die Probleme der Amateurvereine sehr gut.
Was bringt er sonst noch mit?
Fritz Keller hat auch beruflich etwas vorzuzeigen. Seine Weinkellerei führt er, gemeinsam mit seiner Familie, seit Jahrzehnten überaus erfolgreich. Trotzdem ist er kein arroganter Typ. Keller kann die Leute mitnehmen. Er steht für Fleiß. Er ist bodenständig, ehrlich und glaubwürdig. Das ist wichtig für den deutschen Fußball.
Wie meinen Sie das?
Was mit dem sogenannten Sommermärchen gelaufen ist, weiß ich ja auch nur aus der Presse. Aber es steht zumindest der Vorwurf im Raum, dass sich die Deutschen das Turnier ergaunert haben. Vielleicht geht’s nicht anders. Trotzdem glaube ich, dass Fritz Keller so etwas nicht mitmachen würde. Er würde sagen: Zur Not machen wir es eben nicht. Für den DFB ist er genau der richtige Mann.
Was ist mit seinen Emotionen?
So extrem wie beim ersten Mal ist er mir später nicht mehr aufgefallen. Damals stand er schon in der Schlussphase im Innenraum, ich glaube, jetzt kommt er erst nach dem Schlusspfiff von der Tribüne aufs Feld. Lernfähig ist er also auch noch.