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Hat schon ausgepackt. 2014 wurde der Österreicher Johannes Dürr positiv auf EPO getestet - und packte danach bereitwillig aus.
© Roland Schlage/dpa
Update

Nordische Ski-WM: Festnahmen nach Doping-Razzien in Seefeld und in Deutschland

Der Nordischen Ski-WM droht ein Doping-Skandal. Neun Personen haben die Ermittler bereits festgesetzt - darunter auch einen deutscher Sportmediziner.

Die „Operation Aderlass“ hat Doping-Abgründe bei der Nordischen Ski-WM aufgedeckt und könnte auch noch andere Sportarten erfassen. Fahnder erwischten bei einer Razzia in Seefeld einen Langläufer kurz vor dem Wettkampf mit der Nadel im Arm, sieben Verdächtige wurden in Tirol und zwei in Erfurt festgenommen. „Es sind sicher auch noch andere Sportarten betroffen“, sagte Dieter Csefan vom österreichischen Bundeskriminalamt am Mittwoch. Auslöser der neuen Ermittlungswelle waren die Enthüllungen des früheren Dopingsünders Johannes Dürr, einem österreichischen Langläufer.

„Uns ist es gelungen, auch einen Sportler auf frischer Tat zu erleben“, sagte Csefan bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. Demnach sei er bei einer Bluttransfusion ertappt und festgenommen worden. Insgesamt wurden bei der „Zerschlagung eines weltweit agierenden Netzwerks“ fünf Langläufer (zwei aus Österreich, zwei aus Estland sowie einer aus Kasachstan) und zwei weitere tatverdächtige Personen in Seefeld festgenommen, dazu in Erfurt ein deutscher Sportmediziner und ein weiterer Komplize aus Deutschland. Außerdem gab es 16 Hausdurchsuchungen.

Der Deutsche Skiverband (DSV) war in die Razzien und Untersuchungen nicht involviert, wie ein Sprecher sagte. Es seien von den Untersuchungen weder deutsche Sportler, noch das Umfeld oder deutsche Mannschaftsärzte betroffen, teilte der DSV mit. Zuvor hatten die ARD-Dopingredaktion und die „Süddeutsche Zeitung“ von den Razzien berichtet. Am Morgen wurde rund um Seefeld bereits umfassend der Verkehr kontrolliert, einige Straßen wurden sogar gesperrt. Das Vorgehen des BKA war bis ins Detail geplant.

Die Verantwortlichen in Österreichs Langlauf-Team zeigten sich von dem größten Vorfall seit den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin schockiert. Markus Gandler, der Sportliche Leiter im ÖSV für Langlauf und Biathlon, sagte: „Es hat sich herausgestellt, dass an mehreren Stellen Athleten erwischt worden sind bei unerlaubten Methoden oder beim Dopen. Leider, das macht mich betroffen, sind zwei Athleten von uns dabei. Sie sind in Haft genommen worden“, sagte der 52 Jahre alte Gandler nach Angaben der Nachrichtenagentur APA. Am Abend erkärte ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel, dass Gandler sein Amt nur noch bis Saisonende ausüben werde, auch wenn ihn persönlich keine Schuld treffe.

Ein Sportler wurde mit der Nadel am Arm auf frischer Tat ertappt

Neun der 16 Hausdurchsuchungen fanden in Erfurt statt, erklärte die Staatsanwaltschaft München I auf Anfrage. Die Ermittlungen hätten im Zusammenhang mit dem Verdacht des verbotenen Eigenblutdopings gestanden. Ausgelöst worden sei das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I durch die Angaben von ÖSV-Läufer Dürr, der in der am 17. Januar 2019 ausgestrahlten ARD-Sendung „Die Gier nach Gold – Der Weg in die Dopingfalle“ ausführlich Dopingpraktiken im modernen Leistungssport offengelegt hatte.

Sportpolitikerin Dagmar Freitag (SPD) lobte die Arbeit der Ermittler bei den Doping-Razzien rund um die Nordische Ski-WM im österreichischen Seefeld. „Wieder einmal sehen wir in die Abgründe des Spitzensports - aufgedeckt durch Hinweise, einen begründeten Anfangsverdacht und konsequentes Handeln, gepaart mit grenzüberschreitender Zusammenarbeit staatlicher Ermittlungsbehörden“, sagt die Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag. Sie sieht im Eingreifen staatlicher Autoritäten das effektivste Mittel im Kampf gegen Doping. Freitag sagte: „Ich bin nach wie vor froh, dass es uns in Deutschland gegen jahrelangen Widerstand des DOSB vor drei Jahren dann endlich gelungen ist, für die Arbeit von Staatsanwälten, aber auch für die Kooperation zwischen unserer Nationalen Anti-Dopingagentur NADA und den Ermittlern mit dem Anti-Doping-Gesetz eine belastbare gesetzliche Grundlage zu schaffen.“ Und weiter: „Nichts von dem, was in Seefeld und Erfurt erfolgt ist, hätte eine Sportorganisation leisten können. Aber genau das alles ist notwendig, um die sauberen Athletinnen und Athletinnen vor den Betrügern zu schützen.“

Das österreichische BKA schrieb in einer Mitteilung: „Im Rahmen von seit mehreren Monaten andauernden internationalen Ermittlungen wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Sportbetruges sowie der Anwendung von unerlaubten Wirkstoffen und Methoden zu Dopingzwecken“ sei eine in Deutschland ansässige kriminelle Organisation um einen Sportmediziner ausgeforscht worden. Namen wurden am Mittwoch weder in der Mitteilung noch bei der kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in Innsbruck genannt. Mehrere Athleten, die beim 15-Kilometer-Rennen in Seefeld auf der Startliste standen, liefen am Nachmittag nicht.

Das BKA bezeichnete das Vorgehen als „koordiniertes Einschreiten unter Beisein des deutschen Oberstaatsanwaltes“. 2006 in Turin hatte die italienische Polizei eine Razzia bei Österreichs Langläufern und Biathleten durchgeführt. Diesmal wählten die Behörden den idealen Zeitpunkt und überführten einen der Verdächtigen unmittelbar vor dem Start in der sonnendurchfluteten Loipe von Seefeld.

Der österreichische Langläufer Luis Stadlober erinnerte an die Serie von Dopingfällen im ÖSV-Langlaufteam: „Wir haben so viel mitgemacht. 2006 war ich noch jung, dann 2014 mit Dürr, da war ich nicht vor Ort, aber jetzt ist es daheim passiert. Ich kann gar nicht sagen, wie scheiße das Gefühl ist.“

Das österreichische Bundeskriminalamt hatte schon vor gut zwei Jahren bei der Biathlon-WM in Hochfilzen in den Teamunterkünften der kasachischen Nationalmannschaft eine Razzia durchgeführt. Bei der nächtlichen Durchsuchung wurden damals zahlreiche medizinische Produkte und Medikamente sichergestellt. Grund war, dass im Januar 2017 eine Privatperson beobachtet hatte, wie die Insassen von mehreren Kleinbussen an einer Tankstelle in Osttirol einen größeren Karton entsorgten. (dpa)

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