Nordische Ski-WM: Langläufer im Teufelskreis
Doping ist im Skilanglauf immer virulent – auch bei der WM in Seefeld. Das System ist derart ausgeklügelt, dass wohl nur noch härtere Strafe abschrecken können.
Diese Nordische Ski-WM in Seefeld hat im Langlauf mit höchst ungewöhnlichen Szenen begonnen. Im Halbfinale des Sprint-Wettkampfs am Donnerstag schubste der Russe Sergej Ustjugow Norwegens Langlauf-Superstar Johannes Kläbo auf der Strecke weg, nachdem der ihm über die Ski gefahren war. Nach der Zieldurchfahrt rempelte Ustjugow den Erzrivalen erneut. Solche Rangeleien sind im Skilanglauf ein Novum. Die Jury verteilte daraufhin zwei gelbe Karten und disqualifizierte den russischen Ex-Weltmeister.
Ustjugow begründete seine Tätlichkeiten damit, dass er in letzter Zeit „zu oft benachteiligt“ worden sei. Ganz besonders tief sitzt dabei der Frust über seinen Ausschluss aus den Olympischen Spielen 2018. Russland durfte als Bestrafung für den Staatsdoping-Skandal bei den Heim- Winterspielen 2014 kein eigenes Team nach Pyeongchang entsenden. Es wurden nur ausgewählte russische Athleten vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) eingeladen, unter olympischer Flagge zu starten. Ustjugow gehörte wegen des Kollektiv-Dopingverdachts gegen die russischen Langläufer nicht dazu, obwohl er nie positiv getestet worden ist.
„Es ist noch immer ein Geheimnis, warum ich nicht eingeladen wurde. Ich habe noch immer keine Antworten. Ich kenne die Gründe nicht“, schimpfte Ustjugow in Seefeld. Während er bei Olympia zuschauen musste, schnappte ihm Johannes Kläbo mit drei Goldmedaillen in Südkorea die Rolle als Langlauf-Superstar weg. Es war also keine zufällige Rangelei in Seefeld. Zumal die fast außerirdische Schnelligkeit des erst 22 Jahre jungen Kläbo – der nach dem Crash mit Ustjugow locker zum Sprint-Weltmeistertitel flog – selbst für Stirnrunzeln sorgt. Zumal Kläbo von seinem Großvater Kare Hoesflot betreut wird, der angeblich nie Interviews gibt. Und somit auch nie die überragenden Leistungen seines Enkels in einer Sportart erklären kann, in der der das Leistungszenit gewöhnlich erst mit einem deutlich höheren Wettkampfalter erreicht wird.
Die deutschen Langläufer warten seit acht Jahren auf eine WM-Medaille
Eine der momentan stärksten Athletinnen der dominierenden Skilanglauf-Nation Norwegen ist übrigens bei der WM in Österreich Therese Johaug, die gerade eine anderthalbjährige Dopingsperre abgesessen hat und am Samstag Weltmeisterin im Skiathlon wurde. Logisch, dass das Thema der unerlaubten Leistungssteigerung deshalb ständig in dieser Ausdauersportart virulent ist. „Die Sportart hatte zu viele Dopingfälle. So sägen wir uns die Füße selbst ab. Wir brauchen härtere Strafen. Statt zwei Jahre sollte man bei einem nachweislich positiven Test mindestens vier Jahre gesperrt werden. Und dazu sollte das Ganze strafrechtlich geahndet werden“, sagt der deutsche Skilanglauftrainer Markus Cramer. Er ist in Russland Coach von Sergej Ustjugow und beteuert, dass dort alles für den Antidopingkampf getan wird: „Wir versuchen ja von diesem Thema wegzukommen. Aber sobald jemand eine überragende Leistung zeigt, gibt es sofort wieder die Verdächtigungen. Es ist ein Teufelskreis.“
In dem offenbar auch Deutschland eine Rolle gespielt hat. Der bei den Olympischen Spielen 2014 als Dopingsünder überführte Österreicher Johannes Dürr hat in der ARD-Doping-Dokumentation „Die Gier nach Gold“ zugegeben, dass sein ausgeklügeltes Dopingsystem mit Eigenblut-Transfusionen und dem Blutdopingmittel Epo auch auf deutschem Boden abgewickelt wurde. Für insgesamt 5000 Euro soll Dürr in Hotels in München am Flughafen oder der Innenstadt, in einem Motel an der Raststätte Irschenberg an der Autobahn A8 oder auf einem Parkplatz nahe seines Hotels in Oberhof sein Blut getuned haben.
„Bei den Zuschauern bleibt nach diesem Film der Eindruck hängen, dass in Deutschland gedopt wird. Das ist totaler Schmarrn und eine absolute Frechheit“, sagt der deutsche Teamchef Peter Schlickenrieder dazu. Er fügt hinzu, dass es kein Land gäbe, „wo es so viele Dopingproben gibt und so viel für die Prävention getan wird“. Das mag einer der Gründe dafür sein, dass die einst so erfolgreichen deutschen Skilangläufer nun seit acht Jahren auf eine WM-Medaille warten.
Erik Otto