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Um erfolgreich zu sein, griff Johannes Dürr nach allen Mitteln - auch unerlaubten.
© imago/Eibner

Österreichischer Langläufer: Wie ein Athlet in die Dopingfalle abdriftete

Der österreichische Langläufer Johannes Dürr dopte, um zu Olympia zu kommen. Blutbehandlungen ließ er auch in Deutschland an sich vornehmen.

Rückblende, Sotschi 2014: Als der Inhalt seines Lebens weg und der große Betrug aufgeflogen ist, steht Johannes Dürr am Fenster und will springen. „Im letzten Moment, als ich über die Brüstung hinunterschaute, ist mir Gott sei Dank mein Sohn in Erinnerung gekommen.“ Der österreichische Skilangläufer, der einen Tag vor dem 50-Kilometer-Rennen bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi wegen Dopingbetrugs aufgeflogen ist, bleibt stehen und überlebt. Das erzählt Dürr in der Dokumentation „Die Gier nach Gold – Der Weg in die Dopingfalle“, die am Donnerstag in der ARD ausgestrahlt wurde.

Der Film ist ein trauriges und dramatisches Zeugnis darüber, in welche Bahnen Spitzensportlerkarrieren verlaufen können. Vor allem aber, und darin liegt die eigentliche Tragik, überrascht er nicht einmal besonders. Dafür ist in den vergangenen Jahren zu viel von der dunklen Seite des Sports ans Licht gekommen. Übrigens auch dank der Recherchen des Journalisten Hans-Joachim Seppelt, der dieses Mal mit seinen Kollegen Wolfgang Bausch und Rolf-Günther Schulze der Dopingspur des Johannes Dürr folgte, die auch nach Deutschland führt.

Ist Dürr nun Opfer oder Täter?

Dürr, Jahrgang 1987, wächst in der kleinen niederösterreichischen Gemeinde Göstling auf. Schnell wird der Österreichische Skiverband (ÖSV) aufmerksam auf den Jungen. Mit 14 Jahren verlässt Dürr seine Heimat und wechselt in das Skigymnasium Stams, eine Institution des österreichischen Leistungssports. Und gleichzeitig eine Knochenmühle. „Eine normale Jugend gibt es da nicht“, sagt Dürr. „Da kannst du abends nicht einfach mal ins Kino gehen.“ Dürr und die vielen anderen Schüler werden getrimmt auf das eine Ziel: Erfolg im Sport. Doch das wollen viele. Deswegen reicht hartes Training nicht. Früh schon liegt auf Dürrs Nachtkästchen ein „ganzes Arsenal von unterschiedlichen Tabletten“. Es sind Nahrungsergänzungsmittel, alle legal. Aber da merkt Dürr bereits, „dass eine andere Ebene an Arbeit dazukommt“. Der Österreicher schafft in dem Internat die Grundlagen für den Eintritt in den Leistungssport.

Richtig los geht es für ihn kurz nach seinem 18. Lebensjahr. Dann geben ihm Ärzte des Verbandes, so sagt er, eine Infusion. Wenig später tritt er bei der Junioren-WM in Finnland an und wird Neunter. „Das war eine kleine Sensation.“ Was genau ihm gegeben worden ist, weiß er nicht. „Wir haben uns dabei alle nicht wohl gefühlt. Aber wir haben es in Kauf genommen.“ Genauso übrigens wie Dürr später in Kauf nimmt, dass – so erzählt er es – der ÖSV ihm eine Ausnahmeregelung verschafft, um ein leistungssteigerndes Asthmamittel benutzen zu dürfen. Und das, obwohl er gar kein Asthmatiker ist. Doch ein Asthmamittel reicht noch nicht für die Lorbeeren im Skilanglauf. Unterstützer, darunter auch Personal des ÖSV, hätten ihm schließlich Epo-Doping verschafft.

Der ÖSV dementiert dies und erwirkte bereits im vergangenen Jahr eine einstweilige Verfügung gegen Dürr, der für den Verband belastende Aussagen bereits bei einer öffentlichen Veranstaltung getroffen hatte. Doch inwieweit der Verband und inwieweit der Sportler selbst die Schuld an dem tragischen Karriereverlauf haben, ist ohnehin die Frage. Denn irgendwann machte sich, so hat es in der Dokumentation den Anschein, Dürr ohne den ÖSV auf die Reise, um ganz vorne dabei zu sein. Mit ausländischer Unterstützung habe er ab 2013 Eigenblutdoping organisiert.

An diesem Punkt kommt in der Reportage auch Deutschland ins Spiel. Der österreichische Sportler ließ die Blutbehandlungen laut eigenen Aussagen häufig nahe oder in München vornehmen. Er tat das alles, um bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi eine Medaille zu holen. Aber einen Tag vor seinem wichtigsten Rennen kamen ihm die Doping-Fahnder auf die Schliche. Sie konnten Dürr Epo nachweisen.

Ist der Protagonist nun Opfer oder Täter? Die Wahrheit dürfte irgendwo dazwischen liegen. Einmal, in der Mitte des Films, lüftet er vermutlich einen zentralen Grund für den Betrug. „Was sollte ich tun ohne meinen Sport? Es gab links und rechts davon für mich nichts. Und ich hatte wahnsinnige Angst vor dem Nichts.“

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