Bilanz der Bundesliga-Saison: Feindbilder des Fußballs
Die Bundesliga-Saison - sie wirkte etwas lahm und unentschlossen. Und unvollendet wie Bayerns Triple-Traum. Auch Herthas Leistung hinterlässt ein schales Gefühl. Aber jetzt kommt ja Leipzig. Ein Kommentar.
Die beste Nachricht für die Bundesliga in dieser Saison – abgesehen davon, dass diese etwas zähe Angelegenheit jetzt vorbei ist – war der Aufstieg von RB Leipzig. Spannung bot am Ende gerade noch die Frage, welcher von drei sogenannten Traditionsvereinen direkt absteigt und wer in die Relegation muss gegen einen anderen Traditionsverein, der den direkten Aufstieg verpasst hat.
Dass Bayern Meister wird, stand eigentlich seit dem 1. Spieltag fest (5:0 gegen den HSV), Dortmunds Vizemeisterschaft auch (4:0 gegen Mönchengladbach). Fast zwanzig Punkte trennen den Dritten (Leverkusen) am Ende vom Zweiten, fast dreißig Punkte vom Ersten. Nur ein einziges Mal, als Dortmund im direkten Spiel gegen Bayern vor ein paar Wochen noch mal auf zwei Punkte hätte herankommen können, schien es kurz zu knistern in Fußball-Deutschland – es endete 0:0, so wie alles in dieser Saison etwas lahm und unentschlossen wirkte, ja: unvollendet, wie Bayerns Triple-Traum.
Zu diesem Bild passt auch die Saison von Hertha, die als eine der erfolgreichsten des Vereins gelten kann – und zugleich ein schales Gefühl hinterlässt, angesichts des lustlosen Endes mit einer Niederlagenserie und der deshalb verpassten Champions-League-Chance. Und Wolfsburg erst: als Mitfavorit gestartet, beinahe über Real Madrid ins europäische Halbfinale eingezogen, aber in der Liga ins Mittelmaß gestürzt. Und reden wir hier lieber nicht über Schalke.
Fußball braucht offenbar Feindbilder
Aber jetzt kommt ja Leipzig: endlich Konkurrenz für die Bayern! Nicht sportlich, jedenfalls noch nicht; aber als Mitbewerber um den Titel des Vereins, über dessen Niederlagen sich die meisten Fans anderer Vereine freuen und der – vom jeweiligen Derbygegner mal abgesehen – den meisten Hass auf sich zieht. Und das hat vor allem mit Geld zu tun, nach allgemeiner Überzeugung und aufgrund von Erfahrung die Basis von Erfolg.
Fußball braucht Feindbilder, um Leidenschaft zu entfachen, jedenfalls dort, wo der Erfolg nicht zu Hause ist – oder starke Gegner. Wohl auch deshalb fiel es den Bayern leichter, Meister zu werden, als sich darüber zu freuen. Es fehlte die emotionale Entladung, wie es sie nur nach einem großen Moment gibt, am besten mit einem Tor in der Nachspielzeit. Das haben die Bayern seit 15 Jahren nicht mehr erlebt, nicht mehr seit der denkwürdigen Meisterschaft 2001, als in Gelsenkirchen schon gefeiert wurde – bis Andersson in Hamburg traf.
Auch Dortmund kauft gerne bei der Konkurrenz ein
Verdient haben sich die Bayern die Ablehnung und gelegentliche Schadenfreude abseits ihrer beachtlichen, deutschlandweiten (Erfolgs-)Fan-Gemeinde eigentlich nicht. Kein Scheich pumpt einen Teil seiner Öl-Milliarden in den Verein, auch kein russischer Oligarch, und als Symbol der Arrogantia Bavaria taugt nicht mal mehr Uli Hoeneß. Es ist so, wie Tote-Hosen-Sänger Campino vor Jahren der „SZ“ sagte: „Man kann mit Bayern München nur ordentlich als Feind umgehen, wenn man unsachlich bleibt. Sobald man sich an Fakten hält, wird es schwierig.“ Das Dortmunder Geheule über Mats Hummels’ Wechsel in seine Vereinsheimatstadt München hat deshalb auch etwas Gefühlig-Wohlgefälliges: Sie lieben es, zu hassen – und kaufen dabei die Konkurrenz ganz unromantisch selbst gerne klein.
Der 1. FC Köln? Prima Saison
Die Rolle, die nun RB Leipzig in der kommenden Saison übernimmt, hatte vor ein paar Jahren Hoffenheim inne: Als künstlich aufgeblähtes Spielzeug eines Milliardärs gab der Verein die perfekte Projektionsfläche ab für das Märchen, es gebe guten Fußball und bösen – dabei gibt es nur guten und schlechten. Der gute muss dabei nicht einmal Meister werden, um Leidenschaft zu entfachen, aber kann sogar ohne das meiste Geld Meister werden, wie in England der Überraschungsfall Leicester zeigt. So wird Leipzig die Liga in jedem Fall bereichern: regional, weil es – neben Hertha – endlich wieder einen Erstliga-Verein im Osten Deutschlands gibt, emotional, weil sich das bei der Klub-Geschichte eben einfach anbietet, und wahrscheinlich sogar sportlich. – Ach, übrigens: Prima Saison vom 1. FC Köln. War ja nicht alles schlecht.