Abgang von Mats Hummels: Borussia Dortmund - das Leben ist ein schwarz-gelber Fluss
Überraschend entspannt nimmt Dortmund den Weggang von Mats Hummels zur Kenntnis. Dabei war er Kopf und Meinungsführer der Mannschaft.
Zu Beginn der Woche haben sie sich in Dortmund mal wieder zu einem ihrer wunderbar gefühligen Nostalgie-Abende versammelt, bei denen die Erinnerungen an glorreiche Zeiten zelebriert werden, die irgendwann in grauer Vorzeit liegen, als Fußballspiele noch in Schwarz-Weiß übertragen wurden. Im Mai 1966 gewann Borussia Dortmund als erster deutscher Verein den Europapokal, und zwar den der Pokalsieger. Den Wettbewerb hat die Uefa längst aus dem Wettbewerb gestrichen, doch die Helden von Glasgow werden im Revier auch 50 Jahre danach noch leidenschaftlich verehrt.
Und so saßen die verbliebenen Spieler Hans Tilkowski, Siggi Held, Hoppi Kurrat, Wolfgang Paul, Theo Redder und Aki Schmidt auf der Bühne und berichteten mit weißem Haar und leuchtenden Augen vom sagenumwobenen Sieg gegen den FC Liverpool. Es war der Abend vor dem angekündigten Abschied des Mats Hummels. Im Auditorium saßen auch Marcel Schmelzer und Sven Bender, zwei Protagonisten der Neuzeit. Sie haben sich langfristig an ihren Arbeitgeber gebunden, im Gegensatz zu Hummels. Trotz Abwesenheit wurde viel über den Kapitän gesprochen. Er solle sich – so der Ratschlag der Altgedienten – doch bitteschön mal anschauen, was es bedeute, in Dortmund zur Legende zu werden.
Es ist anders gekommen. Im modernen Millionengeschäft Profifußball sind es nun mal nicht die weichen Faktoren, die eine Karriere bestimmen. Romantiker betrauern das. Leute wie Hans-Joachim Watzke, auch wenn er als Geschäftsführer eines börsennotierten Unternehmens in erster Linie Zahlen und Bilanzen verpflichtet ist. Watzke war übrigens am Montagabend ebenfalls nicht im Saal, als sein Verein in Erinnerungen schwelgte. Zusammen mit Sportdirektor Michael Zorc zurrte er die letzten Details eines mächtigen Deals zurecht. Am Vormittag darauf wurde verkündet: Hummels geht zum FC Bayern, der dafür 35 Millionen Euro nach Dortmund überweist.
Die Fans glauben, der BVB können Hummels' Weggang kompensieren
Es ist nicht nur sportlich ein herber Verlust für den BVB, Hummels hat sich in seinen achteinhalb Dortmunder Jahren auch als Kopf und Meinungsführer seiner Mannschaft etabliert. Im Gegensatz zu Mario Götze, dem auch noch drei Jahre nach seinem Wechsel nach München der blanke Hass entgegenschlägt, sobald er sich auch nur in der Nähe des Dortmunder Stadions blicken lässt, geht der Weggang von Hummels bislang recht geräuscharm über die Bühne.
Es scheint, als würden es die Menschen im Revier mittlerweile als unabänderlich hinnehmen, dass Spieler ihrem Verein den Rücken kehren, wenn die Bayern ihr prall gefülltes Festgeldkonto belasten. Vielleicht ist es auch die Erfahrung, dass der BVB beim Verlust von Leistungsträgern bislang stets angemessen reagieren konnte, die dafür sorgt, dass sich die Aufregung in Grenzen hält. Bei einer Umfrage der „Ruhrnachrichten“ waren 75 Prozent der Befragten der Überzeugung, der Abgang von Hummels sei zu kompensieren.
In Dortmund arbeiten sie längst an einer Nachfolgeregelung, gehandelt wird unter anderem Leverkusens Ömer Toprak. Gesucht wird ein gestandener Innenverteidiger von internationalem Format, wobei Watzke betont: „Es gibt keine Denk-Limits.“ Auch diese Einstellung basiert auf Erfahrungswerten: „Wir haben aber in der Vergangenheit bewiesen, dass nicht immer die teuerste Lösung die beste ist.“ Mats Hummels ist das beste Beispiel. Den holte die Borussia einst für 4,2 Millionen Euro aus München und transferiert ihn jetzt für ein Vielfaches zurück.
Nun gelte es, die letzten beiden Spiele in Schwarz-Gelb mit Anstand über die Bühne zu bringen. Schließlich steht mit dem Pokalfinale gegen die Bayern am 21. Mai in Berlinnoch ein Höhepunkt auf der Agenda. Hummels hat den Fans in einer persönlichen Erklärung mitgeteilt, er wünsche sich zum Abschied nichts sehnlicher, „als mit dem Pokal in den Händen zurück in den Pott zu kommen“.
Eine Voraussetzung dafür wäre es, die Reihen zu schließen und Übergriffe zu verhindern. Ein Indiz, ob dies gelingt, wird das Bundesligaspiel am Samstag gegen den 1. FC Köln sein. Watzke hofft, dass Pfiffe und Schmähungen wie bei dem Heimspiel gegen Wolfsburg ausbleiben: „Es würde mich freuen, wenn der BVB als ganzer Verein Größe zeigt. Es gibt keinen Grund für Verbitterung, wir respektieren die Entscheidung von Mats – auch wenn es sehr schade ist.“
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