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Heldenhafter Auftritt zum Abschied: Lukas Podolski.
© dpa

Abschiedsspiel von Lukas Podolski: Fast schon ein "bisschen zu kitschig"

Lukas Podolski verabschiedet sich von der Nationalmannschaft. Eine Ära endet und es bleibt etwas Wehmut.

Als Lukas Podolski endlich fertig war mit seiner Ehrenrunde, als er den Eingang zum Kabinentrakt erreicht hatte, die Tornetze schon in die Ruheposition gebracht waren und "Ich bin nur 'ne kölsche Jung" zum dritten Mal durch die Lautsprecher gejagt wurde - da fing Podolski einfach noch mal von vorne an. Irgendwo in diesem Stadion gab es bestimmt noch einen Menschen, den er nicht geherzt hatte, der noch kein Foto mit ihm gemacht, mit dessen Fahne er noch nicht posiert hatte. Auf den Rängen war jetzt vor allem Rot und Weiß zu sehen, die Farben der Stadt Köln und ihres führenden Fußballvereins. Und von den Rängen in Dortmund erklang noch einmal ein ungewohntes Lied: "Erster Fußballclub Köln …"

Podolski schätzte hinterher, dass wohl die Hälfte der 60.000 Zuschauer aus seiner Lieblingsstadt gewesen sei. Mindestens. "Die Heimat ist da", sagte er. Warum der Deutsche Fußball-Bund diese Begegnung, den Abschied von Lukas Podolski aus der Nationalmannschaft, nach Dortmund vergeben hatte und nicht nach Köln, das wird vermutlich für immer ein Geheimnis bleiben. Aber wenn die Nationalmannschaft nicht nach Köln kommt, kommt Köln eben zur Nationalmannschaft.

Dass die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw mit einem 1:0-Sieg gegen England ins Länderspieljahr 2017 gestartet war, dass sie den großen alten Rivalen nach zwei Niederlagen mal wieder bezwungen hatte und ihr der erste Heimsieg gegen England seit 1987 gelungen war - all das interessierte an diesem Abend niemanden. Es ging um Lukas Podolski, um Lukas Podolski und Lukas Podolski. Unter anderem lag das an: Lukas Podolski. "Ich bin sehr glücklich, sehr froh, was er sich selbst für einen Abschied bereitet hat", sagte Innenverteidiger Mats Hummels. "An diesem Abend hat sehr viel zusammengepasst."

Anfangs hatte bei den Deutschen wenig gepasst, ihr Offensivspiel funktionierte nicht, Chancen gab es so gut wie keine - aber dann kam die 69. Minute. Eine flotte Kombination mit zwei, drei direkten Pässen durchs Mittelfeld, bis Podolski knapp 25 Meter vor dem Tor in Ballbesitz gelangte. Mit rechts nahm er den Ball ein, noch eine beiläufige Berührung mit dem linken Außenrist, um ihn in die richtige Position zu bringen - und dann ab dafür, oben rechts in den Winkel. "Es ist schon Wahnsinn, dass das in so einem Spiel passiert", sagte Toni Kroos. Thomas Müller gab sogar zu, dass ihm als Regisseur ein solches Szenario "ein bisschen zu kitschig gewesen" wäre. "Das glaubt einem ja keiner."

Mit dem Abschied von Podolski endet eine Ära

Abschiedsspiele sind in der Regel von überschaubarem sportlichem Wert, auch die Begegnung in Dortmund, obwohl nach den offiziellen Regeln der Fifa gespielt, war nicht mit normalen Maßstäben zu messen. Der einzige Zweck der Partie war, Podolski im 130. Länderspiel noch irgendwie den 49. Treffer aufzulegen. Und trotzdem sagte Bundestrainer Löw nach dem Schlusspfiff: "Es war gut, dass er auf dem Platz war."
Einen solchen linken Fuß hat der deutsche Fußball ab jetzt nicht mehr im Repertoire. Und auch wenn Podolski in der Nationalmannschaft schon seit Jahren keine prägende Rolle mehr gespielt hat - mit seinem Abschied endet eine Ära. Mit Philipp Lahm, Miroslav Klose, Per Mertesacker und Bastian Schweinsteiger hat Podolski dem deutschen Fußball nach dem EM-Debakel von 2004 zu einem neuen Aufschwung verholfen. Er ist der Letzte, der jetzt seine internationale Karriere beendet hat. "Irgendwann muss es auch gut sein", sagte er.

Es war kurz vor Mitternacht, als der deutsche Bus das Stadion in Dortmund verließ. Ein paar Minuten später trat Podolski aus dem Kabinentrakt und arbeitete geduldig die lange Reihe mit den Fernsehkameras ab. Die Nationalmannschaft machte sich auf den Weg zurück in die Sportschule Kaiserau, wo sie sich auf das WM-Qualifikationsspiel am Sonntag in Aserbaidschan vorbereitet, Podolski fuhr später mit seiner Familie nach Köln. Zuvor in der Kabine habe er noch mal ein paar Witze gemacht, berichtete Julian Brandt. "Mehr ist es dann auch nicht gewesen."

Antonio Rüdiger könnte die Rolle des Spaßvogels einnehmen

Die Rolle des Spaßvogels ist in der Nationalmannschaft vorerst vakant. "Wir haben ein paar Kandidaten", sagte Mats Hummels. "Antonio Rüdiger ist schon sehr unterhaltsam." Sportlich wiegt der Abschied Podolskis nicht ganz so schwer. In Dortmund durfte sich erstmals der junge Leipziger im Sturm der Nationalmannschaft versuchen - doch für ihn war an diesem Abend die Rolle des Anti-Poldis vorgesehen. Während Podolski bei jeder Gelegenheit gefeiert, bejubelt und besungen wurde, wurde Werners Auswechslung eine Viertelstunde vor Schluss mit Pfiffen unterlegt.

Als Angestellter des Retortenklubs Rasenballsport Leipzig ist er den Traditionalisten ein wenig suspekt, zudem hängt dem 21-Jährigen noch die plumpe Schwalbe im Spiel gegen Schalke 04 nach. Löw aber schätzt Werner sehr. Der Bundestrainer hob den Eifer hervor, seine Laufleistung, den Beitrag zur Defensive: "War schon in Ordnung für sein erstes Spiel." Dass der Leipziger mit 14 Saisontoren der beste deutsche Stürmer der Bundesliga ist, war gegen die Engländer allerdings nicht zu sehen. Trotzdem glaubt Mats Hummels, "dass wir in der Zukunft noch sehr viel Freude an ihm haben werden: Er ist einfach ein sehr guter Stürmer und auf den ersten Eindruck wirklich ein guter Typ."

Gegen Aserbaidschan am Sonntag wird er der Mannschaft nicht helfen können. Am Tag nach dem Sieg gegen England, stellte sich heraus, dass sich Timo Werner bei seinem Länderspieldebüt einen Muskelfaserriss zugezogen hat und erst einmal ausfällt. Dass Joachim Löw Lukas Podolski nachnominieren wird, ist trotzdem nicht zu erwarten.

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