Sascha Kummer fordert Rücktritt der BFV-Chefetage: „Es ging nur noch darum, mich und den Präsidenten an den Pranger zu stellen“
Sascha Kummer ist wegen Körperverletzung an einem Kind verurteilt, trat als Vize des Berliner Fußball-Verbandes zurück – und fordert nun das Präsidium dazu auf.
- Johannes Nedo
- Christopher Stolz
Die Ereignisse der vergangenen Tage haben bei Sascha Kummer vor allem eines bewirkt: Er möchte reinen Tisch machen. Deshalb redet er nun auch mit dem Tagesspiegel: „Ich habe nichts zu verheimlichen“, sagt er.
Kummer war am Dienstag als Vizepräsident des Berliner Fußball-Verbands (BFV) zurückgetreten. Denn nach den Recherchen des Tagesspiegels war bekannt geworden, dass Kummer im Mai 2019 per Strafbefehl wegen Körperverletzung an einem Kind zu einer – wenn auch geringen – Geldstrafe von 600 Euro verurteilt worden ist (wir berichteten).
Kummer bereut seine Tat – das BFV-Präsidium wusste davon
Er ist damit nicht vorbestraft, sein erweitertes Führungszeugnis enthält keine Eintragungen. Erst vor drei Wochen war Kummer in das Amt berufen worden und hätte als Zuständiger für Qualifizierung und Soziales auch Berührungspunkte mit dem Thema Kinder- und Jugendschutz gehabt.
Zu seiner Tat, Kummer hatte 2018 als Jugendtrainer eines Berliner Vereins bei einem Trainingslager einem Jungen so stark mit beiden Händen jeweils unterhalb der Brustwarzen in die Brust gekniffen, dass das Kind Hämatome erlitt, sagt er: „Es tut mir schrecklich leid. Es war ein Augenblicksversagen von mir. Ich bereue es total.“
Seit 2018 sei er gegenüber dem BFV-Präsidium und dem Landessportbund Berlin damit transparent umgegangen, sagt er. Vom Verbandsgericht wurde er zu einer Ämtersperre auf Bewährung bis Oktober 2020 verurteilt, darum konnte er auf seinen Posten bleiben und sich auch für weitere wie das Vizepräsidentenamt bewerben. Alle im Präsidium hätten von dem Fall gewusst, betont Kummer.
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Deshalb sieht sich der 40-Jährige im Präsidium zwischen die Fronten geraten: „Wie wichtig ist dem BFV wirklich der Kinderschutz?“, fragt er und antwortet gleich selbst: „Es ging doch nur darum, mich und den Präsidenten Bernd Schultz an den Pranger zu stellen.“ Seitdem er seine Kandidatur im Februar bekanntgegeben hatte, sei er von keinem Präsidiumsmitglied zu seiner Tat befragt worden, auch nicht in der Vorstellungsrunde vor seiner Berufung am 29. April.
Nach Ansicht von BFV-Präsident Schultz sei das auch gar nicht nötig gewesen. Vielmehr hätte Kummer in die Offensive gehen müssen, da dem Präsidium zum Zeitpunkt der Wahl nur das sportgerichtliche Urteil bekannt gewesen sei. „Letztlich haben wir ihn zum Rücktritt aufgefordert, um den Verband und auch ihn selbst zu schützen“, sagt Schultz. Eine Ansicht, die Kummer nicht teilt: Er sagt, er sei von selbst zurückgetreten.
BFV-Präsidium hat keine fachlichen Vorbehalte gegen Kummer
Dass Kummer niemand befragt habe, bestreitet Lyés Bouziane. Er ist neben Jörg Wirtgen, Jendrik Gundlach und Jörg Wehling eines der Präsidiumsmitglieder, das gegen Kummer gewählt hatte. „Ich habe ihn gewarnt, als ich von seiner Kandidatur gehört habe. Ich wollte ihn vor dem persönlichen Schaden bewahren, weil seine Kandidatur sportpolitisch nicht zu verantworten war“, sagt Bouziane, der Kummer sogar seinen Posten angeboten habe.
Kummer selbst betont, er wolle sein persönliches Fehlverhalten nicht entschuldigen, für ihn stelle sich aber die Frage, warum der BFV auch nach dem Vorfall seine ehrenamtliche Arbeit so gern in Anspruch genommen habe. Schließlich sei er aktiv gewesen in den Ausschüssen für Qualifizierung und Fußballentwicklung, gehörte der Arbeitsgruppe Gewaltfrei an und war Mitglied im Jugendbeirat. „Dann habe ich für das Amt des Vizepräsidenten kandidiert, um in der Sacharbeit weiterzukommen. Und es gab zu meiner Berufung keine Vorbehalte vom BFV“, sagt Kummer.
Schultz und Bouziane betonen, dass sie keine fachlichen Vorbehalte gegenüber Kummer haben. „Doch er hat nun mal gesagt, dass das Verfahren eingestellt wurde. Das macht für mich den Bruch aus“, sagt Schultz. Das Präsidium prüfe nun, ob das Vertrauen groß genug sei, um mit ihm in den Ausschüssen und der Arbeitsgruppe weiter zusammenzuarbeiten.
Ganz frei von der Kritik könne sich Schultz allerdings auch nicht sprechen, meint Lyés Bouziane. „Es gab vor der Wahl die klare Frage an den Präsidenten, ob es rechtliche Bedenken gibt. Die hat er verneint“, sagt er. „Ich war überzeugt davon, dass Sascha Kummer nicht der richtige Mann für genau diesen Posten ist, das habe ich auch so geäußert.“
Für Kummer steht jedoch fest: „Das Hauptthema ist nicht mein Fall, sondern: Warum kommt das BFV-Präsidium nicht zur Sacharbeit? Was ist da eigentlich los?“ Die Fronten zwischen zwei Gruppen seien so verhärtet, dass jede Seite die andere nur blockiere. Etwa beim Thema Schiedsrichter-Streik. „Das ist eine anmaßende Feststellung dafür, dass er dem Präsidium nur drei Wochen beigewohnt hat“, sagt Schultz, der sich in diesem Punkt mit Bouziane einig ist.
Das sieht Kummer nicht nur anders – für ihn gibt es nach den Erfahrungen aus den vergangenen drei Wochen im Präsidium sogar nur eine Konsequenz: „Das gesamte Präsidium sollte zurücktreten und den Weg freimachen für einen kompletten Neuanfang. Denn das aktuelle Präsidium ist zu zerstritten und vertritt kaum noch die Interessen der Berliner Fußballvereine.“
Sofortiger Rücktritt? Das ist aus BFV-Sicht ausgeschlossen
Auch das weist Schultz zurück. „Dafür gibt es keine Begründung und auch keine Stimmung innerhalb des Präsidiums, die das erforderlich macht“, sagt er. Für ihn gebe es keinen Grund, den ordentlichen Verbandstag im November 2021 vorzuziehen, auf dem die Präsidiumswahl ansteht.
Das sieht Bouziane anders, der genau dafür plädiert. „Ich würde dann eine Neuausrichtung des Präsidiums in struktureller und in Teilen personeller Hinsicht begrüßen“, sagt Bouziane. Für einen Rücktritt des gesamten Präsidiums passe der Zeitpunkt allerdings auch aus seiner Sicht derzeit definitiv nicht.
Wie auch immer es weitergehen sollte. Eines ist sicher: Ruhe wird beim BFV so schnell nicht einkehren.
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