Berliner Pilotprojekt bei den BR Volleys: Erstmals seit Oktober gibt es wieder Sport vor Zuschauern
Am Mittwoch spielen die Volleys vor Fans – trotz steigender Corona-Zahlen und neuer Einschränkungen. Das wirkt widersinnig, es gibt aber Argumente dafür.
Bei emotionalen Themen wie der Einschränkung von Grundrechten ist die Wirkung meist wichtiger als die Fakten. Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten beschließen weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens, zu Ostern dürfen sich Familien nicht sehen, Urlaub im Inland ist nicht erlaubt – und der Profisport lässt wieder Zuschauer in die Arenen. Das klingt seltsam, widersinnig, falsch und bestärkt die Kritiker einer angeblichen Sonderrolle des Profisports. Mitten in einer Pandemie, die sich immer schneller in eine dritte Welle bewegt, gibt es schließlich wichtigere Probleme.
Auf der faktenbasierten Ebene ist die Bewertung deutlich diffiziler. Momentan laufen zahlreiche Pilotprojekte an. In Mecklenburg-Vorpommern waren am Wochenende 700 Zuschauer beim Fußball-Drittligaspiel von Hansa Rostock. In Sachsen wird über einen Testlauf mit Fans bei Rasenballsport Leipzig diskutiert, auch wenn dieser nicht wie geplant beim Bundesliga-Spitzenspiel gegen Bayern München an Ostern stattfinden wird.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräteherunterladen können]
In Berlin wird am Mittwoch die erste Sportveranstaltung mit Zuschauern seit Oktober stattfinden. Beim Heimspiel der BR Volleys (19.30 Uhr) in Play-off-Halbfinale um die deutsche Volleyball-Meisterschaft gegen Düren dürfen in der Max-Schmeling-Halle 800 Fans zuschauen. Das bestätigte der Regierende Bürgermeister Michael Müller nach einer Senatssitzung am Dienstag. „Für morgen bei den BR Volleys wird die Regelung Bestand haben“, sagte Müller.
Diese Pilotprojekte haben ganz klar definierte Ziele. Es geht nicht darum, endlich wieder Zuschauereinnahmen zu generieren oder die Mannschaft in einem wichtigen Spiel anzufeuern, sondern um eine Perspektive. Nach mittlerweile mehr als einem Jahr Pandemie ist klar: Das Coronavirus wird unser Leben noch lange begleiten. Die Gesellschaft muss Wege finden, damit umzugehen. Das tut die Berliner Kultur gerade mit Veranstaltungen vor Zuschauern in der Philharmonie und weiteren Bühnen – übrigens ohne große Kritik. Nichts anderes wird nun auch im Bereich des Profisports erprobt.
Derby zwischen Union und Hertha ohne Fans
Finanziell lohnen sich solche Veranstaltungen für die Vereine nicht, ganz im Gegenteil. Zwar waren die 800 verfügbaren Tickets für das Volleyballspiel schnell ausverkauft, die umfangreichen Hygienevorkehrungen sowie die Corona-Schnelltests für alle Zuschauer kosten die Volleys aber angeblich einen fünfstelligen Betrag. Fangesänge oder Jubelrufe sind aufgrund des erhöhten Aerosol-Ausstoßes nicht erlaubt, jede zweite Reihe bleibt frei und zusammensitzen dürfen nur Mitglieder eines gemeinsamen Haushaltes.
Schon im Herbst durften die Berliner Profivereine mit einem strengen Hygienekonzept vor reduzierter Kulisse spielen – damals noch ohne vorherige Tests. Als Infektionsherd haben sich diese Veranstaltungen nicht hervorgetan, sie fielen aber Anfang November dem „Lockdown light“ zum Opfer. Wenn man große Teile des öffentlichen Lebens schließt, ist es schließlich schwer zu rechtfertigen, dass Fans in Stadien oder Hallen dürfen. Nun ist dieser Punkt erneut erreicht. Neben den Volleys nehmen auch der 1. FC Union und die Eisbären am Berliner Pilotprojekt teil.
Der Fußball-Bundesligist aus Köpenick hatte sogar mit einem Derby gegen Hertha BSC am 4. April vor Fans geliebäugelt, dies ist nun aufgrund der beschlossenen „Osterruhe“ nicht möglich. Union hatte sich jedoch bereits zuvor flexibel gezeigt. „Wenn es das Derby wird, ist es das Derby. Wenn nicht, wird es ein anderes Spiel“, hatte Pressesprecher Christian Arbeit vor einer Woche gesagt. Auch bei den Eisbären soll ein Spiel Anfang April im Gespräch gewesen sein, dies dürfte sich nun ebenfalls ändern.
Ansonsten ist der Profisport kaum betroffen von den jüngsten Maßnahmen. Im Beschluss nach den Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen wird er gar nicht gesondert erwähnt. Eine reguläre Rückkehr zum Spielbetrieb mit Zuschauern ist zwar aufgrund der bundesweit steigenden Inzidenzwerte für diese Saison praktisch ausgeschlossen, die Ligen können aber trotz der über Ostern verschärften Einschränkungen ihren Betrieb fortsetzen.
[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Für den semiprofessionellen Fußball sowie den Amateursport sind die Aussichten dagegen deutlich trüber. Der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) wollte den Spielbetrieb in der Regionalliga eigentlich am Osterwochenende wieder aufnehmen, um bis zum Sommer zumindest noch die Hinrunde abzuschließen. Das dürfte nun unmöglich sein.
„Die Konzeptlosigkeit der gesamten Politik lässt unsere Pläne in weite Ferne rücken. Ich kann einen Abbruch nicht mehr ausschließen“, sagte NOFV-Präsident Hermann Winkler der Deutschen Presseagentur. Am Mittwochabend findet eine Videokonferenz von Verband und Vereinen statt, dabei wird aus Mangel an Alternativen vermutlich ein vorzeitiger Saisonabbruch beschlossen. Dieses Schicksal droht auch im Berliner Amateursport, wo seit Monaten nicht einmal gemeinsam trainiert werden darf.