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Englands Nationaltrainer Eddie Jones hat Spaß an seinem Job.
© AFP

Halbfinale der Rugby-WM gegen Neuseeland: Englands Nationaltrainer Eddie Jones macht Druck

Die Engländer haben sich von der Schmach bei der WM 2015 im eigenen Land erholt. Das haben sie auch ihrem Headcoach Eddie Jones zu verdanken.

Eddie Jones ist ein launiger Typ. Das beweist der Trainer der englischen Rugby-Nationalmannschaft immer wieder aufs Neue. Am Dienstag, vier Tage vor dem WM-Halbfinale gegen Neuseeland in Yokohama (Samstag, 10 Uhr, live bei Pro7 Maxx), erhob der 59-Jährige Spionagevorwürfe. „Da war definitiv jemand gegenüber in einem Wohnblock, der uns gefilmt hat“, berichtete Jones über einen vermeintlichen Skandal im Training. Nur, um den dann gleich selbst wieder zu relativieren: „Wir haben das von Anfang an gewusst, aber das ändert gar nichts für uns.“ Schließlich gäbe es im internationalen Rugby doch keine Geheimnisse mehr, er selbst hätte zuletzt 2001 derartige Mittel angewendet. Wozu also das Ganze?

Nur wäre Eddie Jones nicht Eddie Jones, wenn er Dinge ansprechen würde, die so gar keine Bedeutung haben. Vor dem Duell mit den seit 2007 bei Weltmeisterschaften ungeschlagenen Neuseeländern kann es ja nicht schaden, ein bisschen Unruhe zu stiften. Jones hatte sogar noch mehr zu bieten. „Ihr seid doch sowieso nur Fans mit Tastaturen“, warf er den neuseeländischen Reportern vor. Und setzte dabei ein verschmitztes Lächeln auf.

Der Australier Jones ist keiner, der die Konfrontation scheut. Das ginge auch gar nicht für den ersten nicht-englischen Nationaltrainer in der Geschichte der Rugby Football Union (RFU). Schließlich übernahm er 2015 einen Trümmerhaufen, England war bei der Heim-WM einige Wochen zuvor bereits in der Vorrunde gescheitert. Das war noch keinem Gastgeber bei einem Weltturnier passiert.

Die RFU stand danach unter Zugzwang, ein anerkannter Fachmann musste das Team wieder flott machen. Bei Eddie Jones gab es in dieser Hinsicht keine zwei Meinungen, bei der WM 2015 hatte er Japan als Cheftrainer zu einem Sensationssieg gegen Südafrika geführt und das Viertelfinale nur ganz knapp verpasst. 2003 erreichte er zudem mit Australien bei der Heim-WM das Finale, wo er – aus heutiger Sicht ausgerechnet – den Engländern unterlag.

Die Engländer bilden unter Jones wieder eine verschworene Gemeinschaft

Nun steht Jones vor seinem größten Match als englischer Nationalcoach. „Wir hatten zweieinhalb Jahre Zeit, um uns auf dieses Spiel vorzubereiten“, sagte er im Vorfeld des Duells mit Neuseeland, gegen das England bei einer WM bei bisher drei Aufeinandertreffen noch nie gewinnen konnte. Nach dem Desaster 2015 verzichtete Jones auf einen kompletten Umbruch, in Japan stehen immerhin noch elf Spieler im 31er-Kader, die schon vier Jahre zuvor dabei waren. Anders als damals bildet das Team nun aber eine verschworene Gemeinschaft, die Engländer glauben wieder an sich.

Was auch damit zusammenhängt, dass Jones als Trainer einen Traumstart erwischte. In seinem ersten vollen Jahr als Chefcoach blieb England ungeschlagen, im Six Nations Tournament gelang der Grand Slam – also fünf Siege in fünf Spielen. Die Erfolgsserie reichte bis ins Jahr 2017, 18 Mal in Folge gewann Jones mit England und stellte damit den Rekord der Neuseeländer ein. Gegen die ging es unter Jones bisher allerdings nur einmal, im vergangenen November unterlagen die Engländer in Twickenham denkbar knapp 15:16. Es war das schlechteste Jahr unter Jones mit zwischenzeitlich sechs Niederlagen nacheinander und einer historisch schwachen Bilanz bei den Six Nations.

Das allerdings ist Geschichte, England spielt 2019 wieder so wie sie das im Mutterland des Rugby allgemein erwarten. Im WM-Viertelfinale wurde Australien mit 40:16 nach Hause geschickt. Zuvor hatte Eddie Jones mal wieder gezockt und Starspieler George Ford gegen die Wallabies nur auf die Bank gesetzt. Wäre dieser Schachzug schief gegangen, wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das letzte Spiel für Jones als englischer Nationaltrainer gewesen.

Gegen Neuseeland kehrt Ford nun wieder zurück in die Startformation. Die Engländer setzen zudem darauf, dass der Gegner an seiner eigenen jugendlichen Unbekümmertheit scheitern könnte und nervös wird. Das Thema Druck hat Eddie Jones in dieser Woche beinahe schon genüsslich ausgeschlachtet und damit seinen ansonsten beinahe stoischen neuseeländischen Trainerkollegen Steve Hansen zumindest ein bisschen genervt. „Netter Versuch, aber wir fallen darauf nicht rein. Wir wissen selbst, dass wir unter Druck stehen, dafür brauchen wir Eddie nicht“, sagte Hansen.

Eddie Jones dürfte Aussagen wie diese als kleinen Triumph werten. Den großen will er dann am Samstag im Halbfinale folgen lassen.

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