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Autosuggestiv. DFB-Präsident Reinhard Grindel (links, mit Generalsekretär Friedrich Curtius) war in seiner Erfurter Rede lange im Rechtfertigungsmodus unterwegs. Foto: dpa/Schutt
© dpa

Deutscher Fußball-Bund: Dünner Applaus für DFB-Präsident Reinhard Grindel

Der DFB-Bundestag besingt die Einheit von Profis und Amateuren. Doch der Zusammenhalt schwindet.

Zwei Gegenstimmen sind natürlich ein mehr als respektables Ergebnis für Rainer Koch, den alten und neuen Vizepräsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) – wenn man mal außer Acht lässt, dass Gegenstimmen beim DFB-Bundestag in Erfurt eigentlich nicht vorgesehen sind. Fast alle Kandidaten vom Präsidenten bis zum Beisitzer werden einstimmig gewählt, Gegenkandidaten gibt es ohnehin nicht. Dass es Koch erwischt, mag der zittrigen Hand eines Delegierten geschuldet sein. Vielleicht auch nicht.

Der Jurist aus Bayern ist der exponierte Vertreter der Amateure im deutschen Fußball. „Die Stimmung an der Basis ist nicht gut“, hat er in seinem Bericht gesagt. Gemessen an der wohltemperierten Stimmung, die bei DFB-Bundestagen herrscht, ist das fast eine Fundamentalkritik an den bestehenden Zuständen.

Beim Bundestag in Erfurt wird die Einheit von Amateuren und Profis noch einmal hymnisch besungen, der neue Grundlagenvertrag mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL) wird – natürlich – einstimmig angenommen. Trotzdem gibt es auf beiden Seiten Irritationen, die sich wohl in Zukunft noch schwieriger werden auflösen lassen. Für den kommerziellen Fußball sind die Amateure weltfremd und naiv, weil sie nicht über ihren Bezirkssportplatz hinaus denken. Die Amateure wiederum fühlen sich von den Profis zunehmend an den Rand gedrängt. „Der Vorwurf, dass der Profifußball den Amateuren vorsätzlich schadet, ist abenteuerlich“, sagt Reinhard Rauball, der Präsident der DFL. Er äußert allerdings auch sein Verständnis, „wenn an der einen oder anderen Stelle gefragt wird: Ist das noch mein Fußball?“

Mit Reinhard Grindel steht seit April wieder ein Mann an der Spitze des Verbandes, der seine fußballerische Sozialisation an der Basis in der niedersächsischen Tiefebene erfahren hat. Seinem Vorgänger Wolfgang Niersbach war vor allem die Nationalmannschaft wichtig. Auch Grindel hat längst Gefallen an dieser Welt gefunden, und es ist bezeichnend, dass er seine Rede mit einem Dank an Bundestrainer Joachim Löw für den WM-Titel beginnt. Die Einheit zwischen Amateuren und Profis ist die Sollbruchstelle im deutschen Fußball, sie ist aber auch die Garantie dafür, dass der Posten des DFB-Präsidenten weiterhin über große sportpolitische Macht verfügt. „Amateure und Profis halten zusammen wie nirgendwo sonst in Europa“, sagt Grindel. „Die Einheit des Fußballs macht uns stark – und dabei muss es bleiben.“

Grindel ist in seiner Rede lange im Rechtfertigungsmodus unterwegs

Solche Sätze haben auch etwas Autosuggestives, Grindel ist in seiner Rede lange im Rechtfertigungsmodus unterwegs. „Noch nie ist der Amateurfußball so gefördert worden wie durch das jetzt amtierende Präsidium“, sagt er. Der Applaus im Saal fällt auffallend dünn aus. Offenbar ist der allgemeine Eindruck ein anderer. Bei Grindels Amtsantritt vor sieben Monaten gab es vor allem Vorbehalte aus dem Lager der Profis, die sind längst ausgeräumt. „Die Zusammenarbeit hat sich stetig entwickelt“, sagt Rauball. Das schlägt sich auch im Wahlergebnis nieder: Nach vier Gegenstimmen im April bekommt Grindel diesmal keine einzige.

Ohne die Affäre um die WM 2006 und den notwendigen Rücktritt Niersbachs wäre Grindel nicht oder zumindest nicht so schnell in dieses Amt gekommen. Die Affäre hat den Verband erschüttert, die Untersuchung durch die Kanzlei Freshfields hat bis jetzt schon mehr als sechs Millionen Euro gekostet. Trotzdem sagt Rauball mit Blick auf die Affären, auch in den internationalen Verbänden Uefa und Fifa: „Es gibt zu Recht kritische Fragen.“

Gestellt werden diese Fragen in Erfurt nicht mehr, weil Grindel der Ansicht ist: „Wir haben alles getan, was wir tun können.“ Aber einige der Beschlüsse darf man ruhig als Antwort auf die Affäre verstehen. Mit Blick auf die Ausrichtung der Europameisterschaft 2024 sagt der DFB-Präsident: „Wir sind uns bewusst, dass wir eine außerordentlich vorbildliche Bewerbung abgeben müssen.“ Außerdem beschließt der Bundestag einen Ethik-Kodex und als erster nationaler Fußballverband die Einrichtung einer Ethikkommission, deren Vorsitz der frühere Bundesaußenminister Klaus Kinkel übernimmt.

Mehr Transparenz, mehr Integrität – dafür will der DFB künftig stehen. Weil absehbar ist, dass die ursprünglich veranschlagten Kosten von 109 Millionen Euro für den Neubau der Akademie in Frankfurt am Main auf rund 125 Millionen Euro steigen, soll für das kommende Jahr ein außerordentlicher Bundestag einberufen werden. Das Projekt selbst steht nicht in Frage, aber Grindel ist der Auffassung, dass es „einer breiten Legitimation durch die Basis bedarf“. Die letzte Etaterhöhung, von 89 auf 109 Millionen Euro, hat das DFB-Präsidium vor 14 Monaten noch im stillen Kämmerlein durchgewinkt.

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