Kampf der Torwärte bei den Füchsen Berlin: Drei Keeper sind zwei zu viel
Neuzugang Martin Ziemer ist bei den Füchsen nur Ersatz. Der Torhüter nimmt die komplizierte Situation auch vor dem Spiel gegen Stuttgart sportlich.
Vor ein paar Jahren, auf dem Internat in Magdeburg, haben Martin Ziemer und seine Kollegen noch Witze darüber gemacht. „So nach dem Motto: Es wäre schon cool, wenn wir uns vielleicht eines Tages alle in einer Stadt wiedersehen“, erzählt Ziemer. Mittlerweile ist aus dem Sportschüler von einst ein gestandener, erwachsener Mann von 36 Jahren geworden, der sogar 15 Mal das Tor der deutschen Handball-Nationalmannschaft hüten durfte – und obendrein hat sich der Wunsch von damals erfüllt.
„Ich bin zwar recht neu hier“, sagt Ziemer, im Sommer von der TSV Hannover-Burgdorf zu den Füchsen Berlin gewechselt: „Aber ich kann viele, viele Freunde von damals besuchen.“ Die meisten von ihnen, so erzählt es der Rostocker, wohnen sogar so nah, dass er nicht mal ins Auto oder in die Bahn steigen muss, um sie zu sehen. „Das Fahrrad reicht“, sagt Ziemer, „das macht mir die Eingewöhnung natürlich sehr, sehr leicht.“ Jedenfalls im privaten Bereich.
Beruflich ist die Lage ein wenig komplizierter. Sein Arbeitgeber, die Füchse Berlin, sind bekanntlich mit drei Torhütern von außergewöhnlichem Format in die Saison gegangen – und von den drei Konkurrenten Silvio Heinevetter, Dejan Milosavljev und eben Ziemer hat bisher fast ausschließlich der 23 Jahre alte Serbe Einsatzzeiten bekommen. Auch im Heimspiel gegen den TVB Stuttgart an diesem Sonntag (16 Uhr, Max-Schmeling-Halle und live bei Sky) dürfte Milosavljev wieder von Beginn an zwischen den Pfosten stehen; für einen Wechsel auf der neuralgischen Torhüter-Position hat der Zugang aus Skopje bisher einfach zu gut gehalten.
Grundsätzlich bleibt angesichts der Konstellation eine naheliegende Frage: Ist Stress bei drei solch guten Schlussleuten nicht automatisch vorprogrammiert, weil einer im Regelfall auf der Tribüne sitzen miss? Ziemer lächelt diese Frage nicht einfach weg, er beantwortet sie ganz seriös. „Natürlich hat man mir gegenüber das anders kommuniziert, bevor ich zu den Füchsen gegangen bin“, sagt er. Damals gingen die Entscheidungsträger im Verein noch davon aus, mit Ziemer und Publikumsliebling Heinevetter in die Saison 2019/20 zu starten.
Dann allerdings ergab sich plötzlich die Möglichkeit, den frisch gekürten Champions-League-Sieger Milosavljev nach Deutschland und in die Bundesliga zu holen – die Füchse griffen zu und dürften die Entscheidung bisher nicht bereut haben. „Ehrlich gesagt ändert sich dadurch aber nichts an meiner Situation“, betont Ziemer. „Ich muss im Training Gas geben und mich empfehlen, das war so oder so klar.“
Martin Ziemer verbringt die Sommer in US-Trainingscamp
Bisher nimmt Ziemer die Situation sportlich – und wer sich ein wenig mit seiner Person beschäftigt hat, der ahnt bereits: ihm muss das ziemlich schwer fallen. Ziemer gilt als überaus ehrgeizig, die im Handball extrem kurze Sommerpause nutzt er auf ganz eigene Art und Weise: In Phoenix im US-Bundesstaat Arizona bereitet er sich seit Jahren und unter strenger medizinischer Aufsicht mit anderen Sportlern auf die anstehende Saison vor, von College-Sportlern über Football-Profis bis hin zu Mitgliedern militärischer Spezialeinheiten. „Ich war schon immer offen für alternative und progressive Trainingsmethoden, das interessiert mich“, sagt Ziemer.
Die Frage, ob eine richtige Pause im fortgeschrittenen Sportleralter von 36 Jahren nicht besser für ihn wäre, beantwortet Ziemer mit einem milden Lächeln. „Als Profi ist mein Körper auch mein Kapital. Natürlich könnte ich mir meinen Sommer manchmal anders vorstellen. Aber bisher bin ich sehr gut damit gefahren.“ So gut sogar, dass er mit seinen alten Internatsfreunden endlich in einer Stadt gelandet ist.
Christoph Dach