Reform in der Formel 1: Die Zukunft ist rot
In der Formel 1 deuten sich große Veränderungen an. Auch Ferrari muss sich neu aufstellen – Mick Schumacher kommt da gerade recht.
Nyck de Vries, Sergio Sette Camara oder Louis Déletraz. Das sind drei schöne Rennfahrernamen. Es sind allerdings auch drei Namen, die am Samstag, als die Formel 2 in Bahrain startete, niemanden interessierten. Neuerdings mischt nämlich ein Name in der Formel 2 mit, der als noch schöner und vielversprechender gilt: Mick Schumacher. 20 Jahre ist er alt und darf nun in jener Rennserie starten, die als letzte Etappe auf dem Weg in die Formel 1 gilt, die am Sonntag das zweite Saisonrennen in Bahrein austrägt (17.10 Uhr/live bei RTL und Sky). Und von einer Zukunft in der sogenannten Königsklasse des Motorsports träumen sie alle, auch Mick Schumacher, der Sohnemann von Michael Schumacher, was die Sache mit dem heiß gehandelten Namen ein wenig erklärt. Die Verbindungen sind noch intakt, Schumacher junior darf in dieser Saison nicht nur im Formel-2-Auto seines Prema-Rennstalls Runden drehen; man lässt ihn auch schon im Formel-1-Wagen von Ferrari Platz nehmen. In der kommenden Woche soll er ein paar Testrunden für die Italiener einlegen. Für Micks Zukunft wird früh geplant.
Der Traumpilot ist also bereits gefunden - doch wie die Zukunft der Serie darüber hinaus aussehen könnte, scheint noch nicht ganz klar. Es geht um sportpolitische Fragen. Um Budgets, die reglementiert werden könnten, um Gelder, die neu verteilt werden sollen, um höhere Chancen für die bisherigen Hinterherfahrer, um weiterhin attraktive Bedingungen für die Topteams. Derzeit geben Ferrari und Mercedes geschätzte 300 Millionen Euro im Jahr für den WM-Titel aus, mit unterschiedlichem Erfolg. Ferrari feierte seit 2007 keine Fahrer-Weltmeisterschaft mehr, während Mercedes in den vergangenen fünf Jahren alles abräumte. Mit den beiden Branchenriesen kann am ehesten noch Red Bull konkurrieren, das rund 250 Millionen in den Rennzirkus pumpt. Zum Rest klafft eine Lücke, die mindestens so groß ist wie der Name Schumacher.
Die kleinen Teams wie Williams oder Haas arbeiten mit weniger als der Hälfte des Budgets der Spitzenrennställe. Chancen auf Grand-Prix-Siege? Gleich null. Das Ungleichgewicht gefällt vor allem den Eigentürmern der Serie nicht. Liberty Media sitzt in Englewood, Colorado. In den USA wächst bisweilen zwar der Kapitalismus über sich hinaus, nie aber eine Sportmannschaft. Eine gute Show, und so verstehen sie in den USA und bei Liberty Media die Formel 1, lebt nach der dort vertretenen Meinung von Chancengleichheit. Am Dienstag lud Liberty nach London, um den Rennställen einen konkreten Plan an die Hand zu geben, wie künftig alles gerechter werden könnte. Er dient als Grundlage für eine Reform, die zur Saison 2021 greifen soll.
Das für gewöhnlich gut informierte Branchenmagazin "Auto Motor und Sport" berichtete von folgendem Etappenplan: 190 Millionen Dollar als Budgetobergrenze für 2021, 160 Millionen Dollar ab der Saison 2023. Exklusive Fahrergehälter und Kosten für den Motor. Wie das funktionieren könnte, soll demnach schon zur Saison 2020 getestet werden – allerdings würden die Teams bei Budgetverletzungen nicht sanktioniert.
Ferrari erhält die höchsten Boni
Auch über eine neue Verteilung der Einnahmen soll in London nachgedacht worden sein. Bisher profitieren vor allem Mercedes, Red Bull und insbesondere Ferrari. Es gibt zahlreiche Boni, die ausgeschüttet werden, den exklusivsten streicht die Scuderia ein. Das Team, mit dem Sebastian Vettel endlich mal wieder Weltmeister werden will, erhält einen Treuebonus, weil es als einziges seit Beginn der Formel 1 im Jahr 1950 vertreten ist. Die sogenannte "Long Standing Team"-Sonderregelung spülte 2019 satte 73 Millionen Euro zusätzlich in die rote Kasse, rund ein Viertel des Gesamtbudgets. Auf eine solche Idee hätten sie beim HSV in der Fußball-Bundesliga mal kommen sollen. Das Schöne an Ferraris Ausnahmestellung ist, dass sie unangetastet bleiben soll: Laut "Auto Motor und Sport" kommt Ferrari weiter auf einen satten Sonderbonus – und danach der Rest zu seinem Geld. Abzüglich der Ferrari-Honoration blieben 65 Prozent Restsumme übrig, heißt es, die demnach gleichmäßig an alle Teams verteilt würden.
Die Ausnahmestellung Ferraris gilt aber nicht nur für die monetären Quellen, sie spielt bislang auch in der Entscheidungsfindung eine gewichtige Rolle. Erheben die Roten ihre Stimme gegen neue Regelungen, kann nichts beschlossen werden. Dieses Veto-Recht soll aufgeweicht worden sein. Der Weltmotorsportverband Fia, Liberty und die Rennställe dürften demnach mit selber Stimme abstimmen, statt einstimmigen Entscheidungen reicht künftig eine einfache Mehrheit. Im Zweifel sollen die Fia und Liberty ihre Entscheidungen sogar ohne die Zustimmung der Teams durchdrücken können. Auf Anfrage des Tagesspiegels wollten sich die drei Toprennställe Mercedes, Ferrari und Red Bull nicht zu den Plänen äußern. Dafür sei es noch zu früh, teilte ein Mercedes-Sprecher mit.
Die Suche nach der Ideallinie, nach dem perfekten Kurs, der alle Wünsche befriedigt, sie bleibt wohl schwierig. Begleitet wird sie auch von der Frage, wie die Formel 1 noch Fans in einer Gesellschaft gewinnen kann, die ihr zunehmend fremd gegenübersteht.
In Deutschland hat die Formel 1 ein Imageproblem
Nicht überall, zumindest aber im Geburtsland des Automobils, hat die Formel 1 mit ihrem Image zu kämpfen. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut YouGov halten 47 Prozent der Menschen in Deutschland die Formel 1 für nicht mehr zeitgemäß – sondern eher für laut, protzig und machohaft.
Fernab von Bahrain und der fest verschlossenen Formel-1-Welt wächst eine Generation heran, die sich für 1000-PS starke Autos ungefähr so sehr interessiert wie vegan lebende Fahrradfahrer für Benzinpreise. In Berlin haben am Freitag 25.000 vorwiegend junge Menschen einer 16-Jährigen namens Greta Thunberg gelauscht. Kurz vor dem Auftritt der Klimaaktivistin am Brandenburger Tor skandierten einige Schülerinnen und Schüler: "Es gibt kein Recht auf SUVs". Die Frage, ob es ein Recht auf die Formel 1 gibt, dürfte über die Zukunft von Mick Schumacher eher entscheiden, als der achte Platz, den er am Samstag bei seinem Formel-2-Debüt in Bahrain belegte. Nyck de Vries, Sergio Sette Camara und Louis Déletraz fuhren übrigens auch mit.