Formel-1-Auftakt in Melbourne: Ferrari vs. Mercedes – Wie Hase und Igel
Mercedes spielt vor Beginn der neuen Formel-1-Saison den Außenseiter – dürfte aber wieder Favorit sein. Das zeigt auch das Qualifying in Melbourne.
Es gibt einen schönen englischen Reim, der das alljährliche Showgeschäft Formel 1 gut zusammenfasst. Und der so geht: „When the flag drops, the bullshit stops.“ Wenn die Flagge fällt, hört der Mist auf. Jener Mist, der aus einer großen Geheimniskrämerei besteht, die insbesondere das Weltmeisterteam Mercedes bestens beherrscht. Dort erzählten sie bis vor Kurzem noch die Geschichte vom Igel, der gegen den Hasen zum Wettlauf antreten müsse. Der Hase sei Ferrari und schon ein Stück weit enteilt. Der Igel eben Mercedes und noch ein bisschen damit beschäftigt, Vorder- und Hinterbeine erstmal an die Startlinie zu bewegen. Das war der Eindruck, der bei den jüngsten Testfahrten in Barcelona erweckt worden war.
Doch auf dem Weg nach Melbourne, wo am Sonntag das erste Rennen der neuen WM-Saison stattfindet (6.10 Uhr, live bei RTL und Sky), scheint der Igel offenbar eine Abkürzung gefunden zu haben. Jedenfalls legten das die ersten Trainingsfahrten unter gleichen Bedingungen nahe - und das abschließende Qualifying sowieso. Lewis Hamilton holte die Pole Position vor seinem Teamkollegen Valtteri Bottas. Erst dann folgt Sebastian Vettel - mit satten sieben Zehnteln Rückstand auf die Spitze; Charles Leclerc im zweiten Ferrari wurde Fünfter. Der Hase gibt Rätsel auf. „Das Auto macht nicht das, was ich will“, klagte Sebastian Vettel in Melbourne. „Wackelig“ sei der Ferrari, den er Lina taufte und der sich in Barcelona noch richtig gut angefühlt haben soll. Über Mercedes verlor er auch ein paar Worte: „Sie sind viel schneller, als sie uns zuletzt glauben lassen wollten.“
Zugutehalten muss man den märchenhaften Ausführungen der Mercedes-Verantwortlichen, dass sie immer auch betonten, wie schlau dieser Igel sei. Mindestens so sehr wie ein Fuchs nämlich, um im Animalischen zu bleiben. Mercedes-Teamchef Toto Wolff sagte in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“: „Kann sein, dass wir uns ein bisschen zurückgehalten haben.“
Understatement hat beim im britischen Brackley beheimateten Formel-1-Team von Mercedes jedenfalls eine gute Tradition. Lewis Hamilton, der das zweite freie Training knapp vor seinem Teamkollegen Valtteri Bottas beendete und deutlich vor Vettel, der nur Fünfter wurde, blieb dieser Linie trotz des starken Auftakts treu. Es gebe noch „einige Dinge zu verbessern“, sagte er, „aber das war kein schlechter Start, wir sind sehr gut durch unser Programm gekommen“. Der Brite scheint mal wieder voll auf der Höhe, wenn es um den nächsten WM-Titel geht. Fünf hat er schon, nur Rekordweltmeister Michael Schumacher (sieben) war erfolgreicher.
Wolff traut seinem Fahrer weitere historische Leistungen zu. „Er spürt Dinge im Auto, die niemand in dieser Intensität im Auto zu spüren vermag. Das andere ist seine unglaubliche Fähigkeit, sich permanent weiterzuentwickeln“, sagte er. Dass sie bei Mercedes voll auf Hamilton setzen und ihm alle Freiheiten lassen, hat sich bewährt. Wolff findet: „Lewis ist wie ein Schwamm. Er nimmt alles auf, saugt sich voll, wird immer besser.“ Eigenschaften, die sie bei Mercedes versuchen, auf das ganze Team zu übertragen. Die ersten Resultate aus Melbourne lassen erahnen, dass dies erneut gelungen ist.
Regeln ändern sich und die Machtverhältnisse gleich mit?
Die neue Saison wartet mit einigen Regeländerungen auf. Das Auto an das vereinfachte aerodynamische Konzept anzupassen – der Frontflügel darf maximal noch aus fünf Hauptelementen bestehen und muss zwei Meter statt 1,80 Meter breit sein –, war die größte Herausforderung für die Ingenieure. Die Maße der Seitenteile und des Heckflügels änderten sich ebenfalls. Regeländerungen bedeuten häufig auch eine neue Chance für den Herausforderer, sie gefährden oft die bestehenden Machtverhältnisse in der Formel 1. Inwiefern dies für die kommende Saison gilt, muss sich erst noch erweisen.
Klar ist, dass neben Ferrari höchstens noch Red Bull die Möglichkeit hat, es mit Mercedes aufzunehmen. Die Österreicher wollen ihren Topfahrer Max Verstappen, 21, mit einem neuen Motor von Honda weit nach vorn bringen. Motorsportberater Helmut Marko kündigte bereits Ende der vergangenen Saison großspurig an: „Wir wollen den jüngsten Weltmeister der Geschichte krönen. Das habe ich dem Team gesagt.“ Verstappen landete im Qualifying auf Platz vier. Und so gilt einmal mehr: „When the flag drops, the bullshit stops.“