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Ihre Stadt, ihr Verein, ihr Viertel, ihre Gegend. Magdeburgs Fans hoffen auf den Aufstieg in die Zweite Liga. Am Samstag findet das Topspiel gegen den Karlsruher SC statt.
© imago/foto2press

Dritte Liga: Die Wiederauferstehung des 1. FC Magdeburg

Der 1. FC Magdeburg lag am Boden – nun steht der einzige Europapokalsieger der DDR vor dem Aufstieg in Liga zwei. Mittendrin ein alter Rüpel: Maik Franz.

Von David Joram

Früher war Maik Franz mal einer der meistverhassten Verteidiger, weil er hart war, aber nie herzlich. Ein Abwehrspieler, der seinen Gegenspieler erst beschimpfte, bevor er ihn genussvoll abgrätschte.

Recht eingänglich beschrieb mal der Stuttgarter Stürmer Mario Gomez Franz’ Charakter auf dem Platz. „Dieses Arschloch!“, blökte er nach einem Bundesliga- Derby zwischen seinem VfB und Franz’ Karlsruhern im Februar 2008 in ein TV-Mikrofon – und schon war ein neuer badischer Held geboren. Die KSC-Fans tauften Franz respektvoll „Iron Maik“ und widmeten ihm wenig später auch eine eigene Choreographie. Franz wurde als einer der 300 Spartaner dargestellt, darunter prangte die Zeile: „Heute fress ich Euch!“. Natürlich erfanden besonders kreative Köpfe auch ein paar Maik-Franz-Liedzeilen.

„Wir lieben Maiki, den Mann aus Eisen, vor dem sich alle in die Unterhosen scheißen“, stimmte die Gegengerade im Wildpark fortan mindestens einmal pro Heimspiel an. Der Gefeierte, inzwischen 36 Jahre alt, sagt: „Gerade Karlsruhe war sportlich wie privat die schönste Zeit in meinem Fußballerleben; da mache ich keinen Hehl draus.“

„Die ganze Stadt hofft, dass wir aufsteigen“

Franz und der KSC, diese Geschichte wird vor diesem Samstag wieder vermehrt erzählt. Der frühere Stürmerschreck ist mittlerweile in Magdeburg angestellt, seiner ersten Profistation. Offiziell ist Franz dort „Assistent der Geschäftsführung“ und kümmert sich um die Kaderplanung. Sein Job ist derzeit anstrengend – auch wegen seines einstigen Herzensklubs.

Am Samstag empfängt der 1. FC Magdeburg den Karlsruher SC, Dritte Liga, Aufstiegskampf. Es geht eng zu da oben. Paderborn, Magdeburg, Wehen-Wiesbaden, Karlsruhe. Sechs Punkte liegen sie auseinander. Nur zwei steigen sicher auf und dürfen in der nächsten Saison knapp zehn Millionen Euro mehr investieren. Wie Franz den Kader zusammenstellen kann – ob für die Zweite oder Dritte Liga –, hängt von den letzten sieben Saisonspielen ab. Mit 150 Spielern habe man sich in der letzten Saison bei gleicher Ausgangslage intensiv beschäftig, sagt Franz, „man führt seine Schattenlisten, wer da draufsteht, wechselt von Woche zu Woche.“ Am Ende kamen dann zehn neue Spieler – für Liga Drei.

Diesmal soll alles anders laufen, besser. Ein Sieg gegen den KSC würde den restlichen Weg deutlich erleichtern. „Unsere Jungs haben richtig Druck. Die ganze Stadt hofft, dass wir aufsteigen“, sagt Maik Franz.

In seinem Büro direkt am Stadion hängen zwei große Bilder an der Wand. Es sind Bilder, wie sie wahrscheinlich in vielen Büros von Fußballfunktionären hängen, den Magdeburger Spirit veranschaulichen sie aber treffend: Spieler, die zusammen jubeln. Fans, die eng beieinander stehen und ihre Schals hochhalten. Magdeburg, der einzige Europapokalsieger, den die DDR hervorgebracht hat, steht und stand immer zusammen. So geht die Geschichte. Und sie wartet auf das nächste Kapitel. „Die Fans lechzen nach Erfolg, die Vorfreude ist groß. Jeder weiß: Wir können das packen“, sagt Maik Franz. Er kennt die Historie des Klubs natürlich, vom Triumph über den AC Mailand 1974 bis zum Niedergang nach der Wende. „Wir hatten lange Jahre keine guten Zeiten, waren in der Unterklassigkeit verschollen, steckten im Abstiegskampf der Regionalliga.“

In Magdeburg entwickelt sich etwas

Iron Maik. Die Fans des KSC widmeten ihrem Lieblingsgrätscher eine eigene Choreografie. Mittlerweile arbeitet Franz nicht mehr auf dem Feld, sondern daneben – als Assistent der Geschäftsführung beim FC Magdeburg.
Iron Maik. Die Fans des KSC widmeten ihrem Lieblingsgrätscher eine eigene Choreografie. Mittlerweile arbeitet Franz nicht mehr auf dem Feld, sondern daneben – als Assistent der Geschäftsführung beim FC Magdeburg.
© imago

Man hat sich wieder nach oben geackert, ehrlich gearbeitet. Franz, von 1998 bis 2001 Spieler beim FCM, zählt auf, was sich alles verändert hat. Stadion, Laufhalle, Jugendzentrum, drei Kunstrasenplätze, ein Internat mit zwölf Zimmern, „das ist alles neu seit der Jahrtausendwende“. Stück für Stück habe sich der FCM weiterentwickelt. Dasselbe gilt für die Stadt, die einer einzigen Großbaustelle gleicht. Überall wird gebaut: Ob am Bahnhof oder an den Elbbrücken. „Die Stadt lebt, sie ist besser als ihr Ruf“, sagt Franz. Wieder zählt er auf: „Domplatz, Stadion, Elbe, viel Grün. Magdeburg ist auch Studentenstadt. Man spürt: Es entwickelt sich hier überall etwas, das kann man vielleicht auch auf den Verein projizieren.“ Dass die städtischen Projekte erfolgreich fortgeführt werden, bezweifelt niemand; aber kann auch der FCM neue Maßstäbe setzen?

„Infrastruktur, Manpower, es geht um eine weitere Professionalisierung, darum, Strukturen zu verfestigen“, sagt Franz. Es geht um hauptamtliche Trainer im Jugendbereich, um einen Personalausbau auf der Geschäftsstelle. Derzeit arbeiten dort zwölf Mitarbeiter – nur in Liga Zwei könnte man expandieren.

Man kennt die Situation an der Elbe. Im ersten Jahr nach dem Aufstieg in die Dritte Liga schoss der FCM direkt auf Platz vier, holte 56 Punkte. Das war die Saison 2015/2016, in der letzten Runde landete der Klub erneut auf Platz vier, 61 Punkte, nur zwei weniger als der Dritte Regensburg. Jetzt hat die Mannschaft von Trainer Jens Härtel schon 64 Punkte geholt, und trotzdem wird es knapp.

Franz lobt: „Unsere Mannschaft ist unsere Stärke.“ Es fallen Schlagworte wie Mentalität, Charakter, Physis. „Wenn wir diese Power auf den Platz kriegen, kommt auch die fußballerische Qualität zum Tragen“, sagt Franz.

Mehr als 17.000 Fans kommen zu jedem Heimspiel

Den Rest steuern die Fans bei. Die 16 Heimspiele besuchten 278.991 Zuschauer, durchschnittlich 17.436. Rostock (199.900) und der KSC (175.100) folgen abgeschlagen. Gegen Franz’ alten Verein wird das Stadion ausverkauft sein. „Die Wucht, die von Rängen kommt, muss die Mannschaft auf den Platz übertragen und wieder zurückgeben. Die Atmosphäre wird gigantisch, Bundesliga-Level, auch der KSC kommt ja mit einer vollen Kapelle“, frohlockt Franz. Ein Sonderzug mit 2000 Karlsruhern wird am Spieltag erwartet – und die wollen ihren Verein siegen sehen. Eigentlich muss der KSC sogar siegen.

Denn anders als in der Aufbaustadt Magdeburg geht es bei den Gästen eher um die Vermeidung von negativen Folgen, die ein Nicht-Aufstieg zweifellos nach sich ziehen würde. Die zweite Mannschaft, angesiedelt in der Oberliga, wird der KSC aus Kostengründen nach der Saison abmelden. Ohne die TV-Millionen aus Liga Zwei müsste wohl weiter eingespart werden, auch weil Stadt, Verein und Land ein neues Stadion am alten Standort beschlossen haben. Aktuell stockt das Projekt aber. Die Bieterangebote für den Bau überstiegen den vorgegebenen Kostenrahmen von 113,7 Millionen Euro. Zwischen Verein und Stadt wird deshalb wieder verstärkt über Gelder und Optionen diskutiert, Ende April soll dann die Öffentlichkeit „in größerem Ausmaß“ informiert werden, teilte die Pressestelle der Stadt Ende März mit. Sollte die Mannschaft von Trainer Alois Schwartz ihre Drittliga-Rekordserie von 21 ungeschlagenen Spielen am Stück um weitere, erfolgreiche ergänzen, hätte der KSC wohl auch neben dem Rasen leichteres Spiel.

Weshalb Maik Franz den Unterschied zwischen Magdeburg und Karlsruhe wie folgt erklärt: „Der KSC muss gewinnen, wir sollten und wollen gewinnen.“

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