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Klar verdient. Trainer Karsten Heine erhält dem 6:0 gegen Viktoria Berlin bei der Siegerehrung den Berliner Landespokal.
© Christoph Soeder/dpa

Die heimliche Nummer drei im Berliner Fußball: Die VSG Altglienicke ist auf dem Weg nach oben

Durch den Pokalsieg gegen Viktoria 89 ist die VSG Altglienicke erstmals für den DFB-Pokal qualifiziert. Wer ist der Klub, der jetzt auf den 1. FC Köln trifft?

Die Spieler tanzten im Kreis, und mittendrin hüpfte der Manager mit der Glatze. So war das 2009 in Cottbus, als Dieter Hoeneß mit Hertha BSC die Tabellenführung in der Fußball-Bundesliga feierte. Und so war das auch am frühen Samstagnachmittag im Jahnsportpark, nachdem die VSG Altglienicke den Berliner Pokal gewonnen hatte.

Der Manager mit der Glatze heißt Daniel Böhm, ist 43 Jahre alt und der Mann hinter dem Aufstieg der Volkssportgemeinschaft Altglienicke im Südosten der Stadt. Er war Trainer des Klubs, Hauptsponsor, fungiert inzwischen als Sportlicher Leiter und gilt als der entscheidende Investor, der die VSG mit den nötigen finanziellen Mitteln für ihren Marsch durch die Institutionen versorgt.

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Das Finale gegen den Regionalligakonkurrenten Viktoria 89 hatte Böhm von der Pressetribüne aus verfolgt, anfangs oft fluchend über die Unzulänglichkeiten im Spiel seiner Mannschaft, am Ende zunehmend staunend über den klaren Erfolg. 6:0 (1:0) hieß es letztlich für die VSG, die erstmals überhaupt im Berliner Pokalfinale stand, die es folglich erstmals gewann – und nun erstmals auch im DFB-Pokal antreten darf.

Am zweiten Septemberwochenende trifft der Klub auf den 1. FC Köln, dessen Planungen offensichtlich eher auf ein Duell mit dem Titelverteidiger Viktoria ausgerichtet waren. Mit Viktoria habe man bereits ausgemacht, das Heimrecht zu tauschen, erklärte Kölns Sportdirektor Horst Heldt am Samstagabend. „Die anderen haben sich nicht gemeldet“, sagte er. „Da haben wir uns mit den Falschen ausgetauscht. Scheiße.“

Die anderen. Als ob Heldt nicht einmal der Name des Pokalgegners geläufig gewesen wäre. Aber das ist nicht zwingend ehrenrührig. Selbst in der eigenen Stadt ist die VSG immer noch die große Unbekannte. Der Klub fliegt weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit. „Wir sind ein kleiner Verein“, sagt Altglienickes Trainer Karsten Heine.

2004 spielte die VSG noch in der Kreisliga B

Aber das Wachstum hat längst gewaltige Ausmaße angenommen. 2004 spielte die VSG sechs Klassen tiefer in der Kreisliga B. Und beinahe wäre es in diesem Sommer noch einen Schritt weiter nach oben gegangen. Als wegen der Coronavirus-Pandemie im März die Saison in der Regionalliga Nordost abgebrochen werden musste, führte Altglienicke die Tabelle an. Heines Team hatte die meisten Punkte, die meisten Tore – allerdings auch die meisten Spiele absolviert, weswegen Lok Leipzig dank der Quotientenregelung (Punkte pro Spiel) in der Endabrechnung an Altglienicke vorbeizog und sich für die Play-offs gegen den SC Verl qualifizierte.

Im Berliner Fußball ist es schon fast ein Fetisch geworden, zur Nummer drei der Stadt hinter Hertha und Union werden zu wollen. In der Regel enden solche Ambitionen – siehe Viktoria und der chinesische Investor oder zuletzt Berlin United – im Desaster. Die VSG Altglienicke hingegen hat einfach gemacht. Die ersten drei Pflichtspiele seit der Corona-Pause, allesamt gegen Gegner mit weitaus prominenteren Namen, hat die Mannschaft gewonnen: in der Liga 3:2 gegen Tennis Borussia, im Pokal gegen den BFC Dynamo (5:1) und Viktoria (6:0) mit einer fast schon beängstigenden Deutlichkeit.

Die Prominenz sitzt inzwischen auf der Trainerbank

„Für uns ist die Regionalliga die Erste Liga“, hat Daniel Böhm noch vor wenigen Jahren gesagt. „Mehr geht für uns nicht.“ Inzwischen ist selbst das überholt. Die VSG gilt trotz namhafter Konkurrenz in der Regionalliga als aussichtsreichster Anwärter auf den Aufstieg. „Wir wollen natürlich beweisen, dass der Erfolg in der vergangenen Saison kein Zufall war“, sagt Karsten Heine, der vor einem Jahr als Trainer in Altglienicke angefangen hat.

Anders als noch vor einigen Jahren, als die VSG mit ehemaligen Profis wie Chinedu Ede, Boubacar Sanogo oder Björn Brunnemann mit aller Macht nach oben strebte, findet sich die Prominenz jetzt mit dem früheren Hertha-Coach Heine und seinem Assistenten Torsten Mattuschka eher auf der Trainerbank. Statt auf satte Ex-Profis setzt die VSG inzwischen auf junge und hungrige Talente. Im gesamten Kader finden sich nur zwei Spieler, die 30 sind.

Typisch für die neue Linie des Vereins ist die Verpflichtung von Mittelstürmer Johannes Manske, einem von zwölf Neuen in diesem Sommer. Der Sohn von Herthas Vizepräsident Thorsten Manske erzielte im Pokalfinale gegen Viktoria zwei der sechs Tore, darunter das wichtige 1:0. In der vergangenen Saison hat der 20-Jährige noch für Viktoria gespielt. Beziehungsweise nicht gespielt. Manske hat es in der gesamten Spielzeit auf gerade sechs Kurzeinsätze gebracht.

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