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War mal wieder nix für Diskuswerfer Christoph Harting.
© dpa

Diskuswerfer enttäuscht bei Leichtathletikmeisterschaften: Die Serie des Grauens von Christoph Harting hält an

Christoph Harting enttäuscht in Braunschweig und verwundert mal wieder ein bisschen. Seinen besten Versuch macht er ungültig. Darüber reden will er nicht.

Vor dem ersten Versuch des Wettkampfs legte eine ehrenamtliche Helferin im Regenponcho noch einmal Hand an und wischte den Ring mit einem Handtuch trocken. Nichts sollte den spannenden Kampf der Diskuswerfer um ein Olympiaticket negativ beeinflussen, auch nicht die nasskalte Witterung im Braunschweiger Eintracht-Station. Allerdings half Christoph Harting auch dieser Service nichts. Der Olympiasieger von Rio de Janeiro setzte am Sonntag bei den deutschen Meisterschaften der Leichtathleten seine wohl beispiellose Serie verkorkster Auftritte bei wichtigen Wettkämpfen fort. Mit 57,29 Metern wurde der 31-Jährige Achter, der Sieg mit 65,08 Metern und die sichere Olympia-Qualifikation gingen an Daniel Jasinski.

Seinen letzten Versuch schickte Harting deutlich über die 60-Meter-Marke, machte ihn anschließend aber absichtlich ungültig. Was ihn zu diesem rätselhaften Schritt bewogen hat, wird wohl sein Geheimnis bleiben – im Jahr vor Olympia gibt er traditionell keine Interviews.

Harting bleibt nach dieser Enttäuschung bis Ende Juni Zeit, um starke Leistungen zu zeigen und noch für Tokio nominiert zu werden. Angesichts seines kraftlosen Auftritts in Braunschweig muss man sich aber fragen, wo diese Leistungen herkommen sollen.

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In der Vergangenheit hatte der 2,07-Meter-Mann immer wieder betont, für ihn gehe es nur um die ganz großen Ziele: um Olympiagold und einen Wurf auf die Fabelweite von 80 Metern, sechs Meter weiter als der 35 Jahre alte 74,08-Weltrekord von Jürgen Schult. Seit seinem Olympiasieg von Rio de Janeiro ist der jüngere Bruder von Robert Harting sportlich allerdings alles schuldig geblieben.

Harting war mit einer wahrhaft verheerenden Fünf-Jahres-Bilanz nach Braunschweig angereist, seit seinem Olympiasieg konnte er bei keinem wichtigen Wettkampf auch nur annähernd überzeugen. 2017 wurde er bei den deutschen Meisterschaften Vierter und verpasste damit die WM in London. 2018 scheiterte er bei der Heim-EM im Berliner Olympiastation mit drei ungültigen Versuchen in der Qualifikation.

2019 leistete er sich dasselbe Nicht-Ergebnis bei den deutschen Meisterschaften, hinterher bezeichnete er die Titelkämpfe als „letzten Erpressungsversuch der deutschen Leichtathletik“, es gebe zudem „wenig Unbedeutenderes“ als den Meistertitel. Erst nach einer Aussprache mit den Verbandsverantwortlichen wurde Harting doch noch für die WM in Doha nominiert, wo er erneut in der Qualifikation scheiterte.

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Immerhin hat Christoph Harting in einem anderen Lebensbereich Fortschritte gemacht: Zuletzt war er zwei Mal in Fernseh-Quizshows mit seinem großen Bruder und einstigen Rivalen Robert zusammen aufgetreten, die beiden haben sich nach jahrelangem Streit – zwischenzeitlich sprachen sie nicht einmal mehr miteinander – wieder versöhnt.

Dafür kann Harting schon lange keine Spitzenleistungen mehr vorweisen, seine Jahresbestweite von 65,40 Metern liegt unter der Olympianorm von 66 Metern. Harting hatte in den vergangenen Monaten viel mit Lehrgängen für den gehobenen Dienst der Bundespolizei zu tun, ausgefallene Trainingslager machten es ihm zusätzlich schwer, laut seinem Trainer Torsten Lönnfors fehlen ihm zu diesem Zeitpunkt der Saison rund 2000 Würfe.

Entgegen seines olympischen Schweigegelübdes hatte sich Harting kürzlich in einem Videogespräch auf der Homepage des olympischen Trainingszentrums Kienbaum zu Wort gemeldet – und sich wieder einmal widersprüchlich präsentiert. Harting sagte, laut seiner „menschlichen Meinung“ müsse man Olympia in diesem Jahr wegen Corona absagen und auf 2024 verschieben, seine „sportliche Meinung“ sei aber: Olympia sei nach wie vor das Größte, er werde definitiv nach Tokio reisen und wolle natürlich auch gewinnen: „Ich trainiere nur für Edelmetall.“

In seiner aktuellen Verfassung scheint dieses Ziel allerdings deutlich außerhalb seiner Reichweite zu sein.

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